Kapitel 1 - Muriguchis Geständnis

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Es ist April. Der letzte Tag der Schule. Seit ein paar Jahren begleite ich meine Klasse durch den Schulalltag. Ich bin ihre Klassen- und Chemielehrerin.

Eigentlich beginnt der Tag wie jeder andere. Doch heute habe ich ein bedeutsames Anliegen. Es wird das Leben meiner Schüler ändern. Jedes. Manche sind mehr wert, andere weniger. Doch das ist mir egal.

Die ersten Stunden gehen vorüber und die letzte naht. Ich möchte meiner Klasse Rat für das neue Schuljahr geben. Denn ich werde nicht mehr ihre Lehrerin sein.

Keiner fragt nach dem Grund , also fahre ich fort. Ich schreibe in Kanjischrift das Wort "Leben" an die Tafel. Verwirrte und teilweise gelangweilte Gesichter schweifen durch den Raum. Manche sind mit ihren Handys am Schreiben und manche unterhalten sich und beachten mich gar nicht.

"Wissen Sie eigentlich wie wichtig das Leben ist?", fange ich an.

"Vor ein paar Jahren habe ich mir die Aufgabe gemacht, den Schülern so gut wie möglich auf Augenhöhe zu begegnen und sie auch nicht kumpelhaft zu dutzen. Es gab mal ein Mädchen, dass ihren Lehrer per Email zu sich in ein Hotel gerufen hat. In dieser schrieb sie, sie wolle nicht mehr leben und sich umbringen. Der Lehrer machte sich sofort auf den Weg zu jenem Hotel, wo sie schon auf ihn wartete. Dort machte sie ein Foto von ihm und zeigte es ihren Eltern und diese wiederum der Polizei. Der Lehrer musste inhaftiert werden. Damit wollte sie sich für einen Tadel rächen. Seitdem können sich Schüler nicht mehr mit einem Lehrer anderen Geschlechts außerhalb der Schule treffen." Ich gehe zu einer Schülerin und lege meine Hand auf ihre Schulter. "Es tut mir leid , Frau Miyami, dass ich nicht sonderlich sensibel auf die Emails, in der sie ihre Suizidwünsche offenlegten reagiert habe." Sich schämend senkte sie ihren Kopf. Ein paar Jungs an den Fensterplätzen lachten und verschwanden dann einfach aus der Klasse. Ich fahre fort: " Doch dann gab es noch einen Fall, in dem ein Mädchen Ihres Alters ihre gesamte Familie mittels Zyankali im Essen tötete." Ich wurde durch das Gemurmel der Schüler unterbrochen und merkte erst jetzt, dass es bis vor kurzem totenstill war. Immer wieder hörte man den Namen "Luna C".

"Richtig. Es war der Fall Luna C. Sie hatte alle Einzelheiten ihrer Tat in einem Blog mit dem Titel "Heiliges Ritual" detailliert beschrieben und veröffentlicht." Es wurde wieder ruhiger. "Nur der Chemielehrer, welcher sie über die Wirkungen von Zyankali in Kenntnis gesetzt hat, bekam eine Haftstrafe. Später fand Luna C sogar Anhänger." Jetzt war wieder Totenstille. "Mir ist schlecht, kann ich bitte zur Krankenschwester?" , fragte schließlich Shuya Watanabe , einer meiner Schüler. "Natürlich", sagte ich und er verschwand. Wahrscheinlich geht er nur zu den anderen raus.

"Worauf ich hinaus will..." Ich laufe wieder zum Pult. "Theoretisch gesehen, könntet ihr mit euren 13 Jahren, Menschen mit einer Waffe, einem Stock oder... " Ich greife nach dem Handgelenk einer Schülerin, woraufhin ihr Handy auf den Boden fällt. "Oder mit bloßen Händen töten." "Das tut weh!", protestiert sie. "Entschuldigen Sie", sage ich und hebe ihr Handy auf. Die Jungs kommen wieder rein und setzten sich auf ihre Plätze.

"Ich möchte Ihnen nun eine Geschichte erzählen, die sich wirklich zugetragen hat. Diese Geschichte betrifft auch mich persöhnlich. Es geht dabei nämlich um meine 3-jährige Tochter Manami.

Manami wurde umgebracht.

Von einem Schüler aus dieser Klasse."

Kokuhaku -GeständnisseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt