(3) Panik

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Verschlafen blinzelte ich mit den Augen. Das war die erste Nacht in der ich hier richtig gut geschlafen hatte. Ich regte mich einmal und drehte meine Schultern. Mein Wecker zeigte mir zehn Uhr an. Ups. Eigentlich war ich schon um neun im Hauptquartier. Ein kleines Lächeln zierte meine Lippen als ich an gestern dachte. Mal und Thomas hatten sich echt gut verstanden. Zum Glück. Noch besser war, dass sie anscheinend nicht wusste wer er war. Und wenn doch, schien es sie nicht zu interessieren. Sie war echt toll. Apropos toll. Ich drehte mich schwungvoll um. Aber Thomas schien schon wach zu sein, denn er war nicht mehr neben mir. Alles was dort lag war ein kleiner Zettel, denn er auf das Kissen gelegt hatte.
>Sorry das ich schon weg bin.<
Die Schrift nahm den gesamten Platz ein. Das war echt alles was er geschrieben hatte? War das sein Ernst? Das durfte einfach nicht sein Ernst sein. Und warum hatte er mich nicht geweckt? Ich verstand ja das er ins Lager musste aber ich auch. Warum wollte er unsere gemeinsame Zeit nicht nutzen?
Schon jetzt war mein Tag gelaufen. Ich war mal gespannt wie der das wieder gut machen wollte. Oder was für eine Ausrede ihm einfallen wird.

Ich schälte mich genervt aus meiner zerknautschten Bettdecke und feuerte das Kissen einmal quer durch den Raum. Das habe ich schon lange nicht mehr getan. Früher am laufenden Band. Aber als ich dann immer mit einer Schusswaffe rum lief, mussten die Fenster meistens dran glauben. Jaja, ich weiß sehr erwachsen. Aber hey, irgendwo muss man sich ja austoben können. In Thomas Zimmer hing ein Boxsack zum abreagieren aber dort konnte ich dann nicht rein, da ich mich wirklich meistens mit ihm verkrachte. Gut einmal ist es soweit gekommen das wir die Waffen auf einander gerichtet hatten. Am selben Abend schliefen wir zusammen und aneinander gekuschelt im Bett ein. So war das immer. Aber ich provozierte es auch wirklich. Das gab ich ja zu. Ich selbst glaubte ja dass das die Angst war. Keine Ahnung warum ich mich dann mit ihm stritt. Aber das war nunmal ich. Ich wusste nicht mit dieser Angst umzugehen. Mit ihm reden wollte ich genauso wenig. Wie kam das denn rüber? Er war erwachsen und würde sich diesen scheiß garantiert nicht anhören. Und da hätten wir schon den nächsten Streit.

Müde schleppte ich mich in die Küche wo Mal schon auf mich wartete. ,,Was machst du denn hier?", fragte ich sie verwirrt. Normale Arbeitszeit war acht Uhr. ,,Hab Pause aber mein Geld dachte sich heute mal einen Tag frei zumachen und zu Hause zu bleiben. Also esse ich gleich hier. Und du?" Ich nickte und brauchte noch etwas um zu antworten. So eine schöne Nacht und dann dieses Erwachen. ,,Keine Ahnung. Thomas hat mich nicht geweckt. Und wo der ist..." Ich zuckte traurig mit den Schultern. Mal seufzte mitfühlend. ,,Oh man ihr beide ey." Ich lachte einmal trocken.
Tja, wir beide.

,,Doch echt. Ich schwöre das war so!" Ich lachte bloß. Mal hatte einfach die besten Geschichten von ihren Ex-Freunden. Ich war da nicht so spannend, da es bei mir nunmal nur Thomas gab. Auch unsere Geschichten waren zum schreien nur eben nicht für die Öffentlichkeit gedacht. Das war unmöglich. Mal allerdings war ein wahrer Springbrunnen an Storys. ,,Na schön. Ich muss dann mal los." Sie hatte ihre Schuhe noch garnicht richtig an da schnappte sie sich schon ihre Jacke und Tasche und verschwand zur Tür raus. Was bitte war denn das? Die Tür klingelte. Na in der Eile die Schlüssel vergessen? War ja klar. Ich schloss grinsend die Tür auf und ließ sie mit eiskalter Miene wieder zu fallen. Der liebe Tommy stand da draußen. Ich konnte es selbst kaum glauben aber mit einem verdammten Strauß Rosen. Unter normalen Umständen hätte ich mich gefreut. Aber ich war sauer. Warum? Keine Ahnung! Echt nicht. Ich war einfach bloß genervt von seiner scheiß Aktion heute morgen. Ich atmete einmal tief ein und öffnete dann monoton die Tür. ,,Ach guten Tag der Herr. Schön dich heute auch mal zu Gesicht zu kriegen." Er runzelte verwirrt die Stirn und betrat das Haus. ,,Was ist den mit dir los?" ,,Was mit mir los ist? Du bist heute einfach abgezischt. Alles was ich hatte war ein scheiß Zettel. Sorry das ich schon weg bin. Ganz toll, Tommy. Ganz toll." Ich zog den gelben Überbringer aus meiner Hosentasche und strecke ihn regelrecht vor seine Nase. Er fängt an sanft zu lächeln, nimmt ihn mir aus der Hand und dreht ihn um. ,,Sorry. Hab den Pfeil vergessen", erklärt er mir. Ungläubig nehme ich ihn in die Hand uns lese.
>Du hast so süß geschlafen, wollte dich nicht wecken. Bleib liegen, komme bald wieder. Bringe dir auch was mit.<
Ja damit war wohl der Strauß gemeint den er mir gerade entgegen streckt. Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen und ließ mich in Thomas Arme fallen. ,,Tut mir leid." Er lacht nur. ,,Schon gut", grinst er und küsst mich kurz. Ich komme mir vor wie eine Idiotin.

,,Ach ne. Gesellen sich die beiden Herschafften auch mal zu uns?", begrüßte Sam uns. Ich grinste nur während Thomas ihm Verschmitzt zuzwinkerte. Meine Frisur war völlig im Arsch. Dank Thomas Motorradhelm. Das Ding war sowas von ein Frisurenkiller. Echt unglaublich. ,,So ich geh das da", mit einer kreisrunden Bewegung deutelte ich auf meine Haare. ,,Erst mal einigermaßen in Ordnung bringen."
Ich wartete garnicht erst auf eine Antwort sondern war schon verschwunden.

Zum Glück hatte ich auch hier alles was ich benötigte um diese Katastrophe in einen einigermaßen guten Zustand zu bringen. Beim rausgehen schnappte ich mir noch einen goldenen Armreif den ich von Thomas zu meinem Geburtstag bekommen hatte und begab mich in die Haupthalle, wo schon ordentlich trainiert wurde. Oben an der Treppe ließ ich meinen Blick einmal über alles wandern. Dylan der mit Mark im Ring stand und sich ordentlich verprügeln ließ. Trent, Leon und Alex standen an den Schiessübungen. Chase und Adam redeten einfach etwas in einer stillen Ecke. Aiden lief mit Thomas in die Küche. Der Rest schien entweder in ihren Zimmer oder beim Essen zu sein. Eventuell auch in der Paintballhalle oder beim Lasertag. Dann fiel mir die neue Ausseneinrichtung ein. Der Parcouringplatz. Da mussten sie sein. Seit wir das Ding haben sind alle nur noch da. Klar schießen und kämpfen konnten alle.

Ich überlegte was ich jetzt machen könnte. Anstatt zu üben entschloss ich mich das Waffenlager aufzuräumen. Als ich die schwere Tür öffnete, traf mich beinahe der Schlag. Unordentlichkeit störte mich nicht. Es war nur das Planke Chaos. Nichts war an seinem Platz. ,,Da ist die Frau nicht mehr da und schon siehts aus als ob eine der Bomben explodiert wäre", schimpfte ich. Das rechte Regal war komplett leer. Dafür stapelte sich auf dem linken alles. Alles. Die neue Lieferung stand noch immer in Kisten hinten in der Ecke. Ungeöffnet. Augen verdrehend schüttelte ich dem Kopf und machte mich an die Arbeit.

Drei Stunden und die Hälfte geschafft. Jedenfalls lag jetzt wieder alles da wo es hingehörte. Nur den Sprengsatz hielt ich noch in der Hand. Das Teil war neu. Mein Herz wurde ganz schwer. Ich war so selten hier, dass ich nicht einmal mehr wusste das wir neue Waffen hatten. Schnell steckte ich das Teil zurück in die Halterung und machte mich daran die Kisten zu öffnen.

Fünf Stunden hatte ich gebraucht um so ein schieß Waffenlager aufzuräumen. Ich denke jetzt hat man eine ungefähre Vorstellung wie es ungefähr aussah. Das Problem war ja, dass man mit den hochexplosiven Dingen die hier so lagerten ziemlich vorsichtig umgehen musste. Sonst wäre ich noch eine Stunde früher fertig geworden. Ich wollte die Tür gerade schließen als ein markerschütternder Knall von draußen ertönte. Der Auslöser war klar. Das war eine Bombe. So schnell bin ich noch nie gerannt. Als ich endlich in der Haupthalle ankam schnappte ich wie wild, keuchend nach Luft. Doch alles war vergessen als ich die Gruppen sah, die ein paar leblose Körper rein trugen. Wie ein geölter Blitz rannte ich auf die sich vor schmerzen windenden Jungen zu, die jetzt auf dem Boden lagen. Einige hatten üble Brandwunden. Andere bewegten sich nicht einmal mehr. Voller Panik suchte ich die Menge ab. Kein Dylan, kein Nathan, kein Thomas. Doch, Thomas kam soeben die Tür herein. Und er wurde getragen. Ich schrie erstickt auf und rannte auf ihn zu. Dylan war einer seiner Träger. Bevor sie ihn überhaupt abgelegt hatten hielt ich schon seine von Ruß geschwärzte Hand. ,,Scheiß man. Tommy Hey. Hör mich an. Bitte, wach auf." Ich bettete seinen Kopf auf meinen Schoß und umklammerte seine leblose Hand. ,,Hey, Hey. Bitte komm schon." Die Tränen liefen schon lange über meine Wange und tropften auf seine hinab. ,,Bitte, Tommy! Bitte", schluchzte ich. Jetzt war genau das passiert, wovor ich mich am meisten fürchtete.
Unter Tränen küsste ich ihn. Ich hoffte auf ein verdammtes Wunder. Aber ein Happyend gibt es nur in Märchen. Mit zitternden Fingern strich ich ihm ein paar einzelne Strähnen aus dem Gesicht. ,,Das kannst du nicht machen." ,,Tu ich nicht." Erschrocken riss ich die Augen auf und erdrückte ihn kurz, hörte aber sofort auf als er anfing schmerzverzerrt zu husten. ,,Tut mir leid. Das wollte ich nicht", entschuldigte ich mich. ,,Lass das", befahl er, während er sich aufrappelte. ,,Bleib liegen." Er hörte nicht auf mich und stand auf. ,,Du sollst dich wieder hinlegen", sagte ich streng, als er anfing zu schwanken. ,,Ich bleibe sicherlich nicht in der Haupthalle liegen. Außerdem habe ich jetzt echt wichtigeres zu tun." Sein Blick schweifte traurig über die vielen am Boden liegenden. ,,Manche sind tot", sagte er mit schwacher Stimme und starren Augen und humpelte weg. Ich blieb wie erstarrt einfach sitzen.
Das war genau das, wovor ich solche Panik hatte. Und jetzt war es beinahe war geworden.

Die Angst der Schattengeister Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt