Das lächelnde Messer

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Ich sah ihn und er sah mich. Sofort bekam mein Körper eine Gänsehaut und ein mulmiges Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Der Regen wurde stärker und beförderte mich zurück ins Hier und Jetzt. Er ging lächelnd und langsam auf mich zu und erst dann realisierte ich was gerade geschah. Es war kein nettes Lächeln, sondern eher angsteinflößend. Ich rannte, während der Regen auf mich nieder prasselte. Ich rannte, so schnell mich meine Beine trugen. Dummerweise hatte sich mein Schnürsenkel gelöst und brachte mich zum Fall. Im Augenwinkel sah ich wie er immer näher und näher kam. Ich wusste, dass er bald bei mir sein wird, doch ich versuchte mich mit meinem schmerzenden Fuß aufzurichten. Auf dem Rennen wurde eher ein Humpeln, da ich mich mal wieder überschätzt habe. Ich kam sehr langsam voran und wusste, dass er sehr schnell ist. Aufgeben kam für mich nicht in Frage und das wird es auch nicht. Niemals.

Nach einigen Sekunden jedoch spürte ich, wie er mein Handgelenk packte.Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien, doch er drückte noch fester zu und drehte meinen Arm auf den Rücken. Der Regen konnte zwar meine Tränen verstecken, aber nicht meine Schmerzen. Er zog meinen Arm immer weiter nach hinten und ein kleinen Schrei konnte ich nicht unterdrücken. Für einen kurzen Moment sah ich ihn an und er sah wütend, sehr wütend aus. Schnell sah ich wieder nach unten. Ich wollte mich von ihm wegdrehen, aber ich scheiterte. Stattdessen schubste er mich nach hinten und ich verlor mein Gleichgewicht. Auch der Versuch aus meiner knienden Position aufzustehen scheiterte ebenfalls. Er drückte mich an der Schulter nach unten und nahm mit seiner Hand mein Kinn. Mein Herz raste wie wild und ich wollte einfach nur nach Hause. Ich schaute weiterhin nach unten, da ich ihm einfach nicht in die Augen sehen konnte. Er darf meinen Schmerz nicht sehen. ''Was macht denn so ein hübsches Mädchen alleine im Regen?'', fragte er mit ruhiger Stimme.

Es war einfach so erniedrigend vor ihm zu knien und ich hatte das Gefühl, dass es ihm gefällt mich so zu sehen. Einfach nur krank dieser Typ. Er ließ mich los und ich versuchte ein weiteres Mal aufzustehen und das gelang mir überraschender Weise. Da ich ihm nicht in die Augen sehen konnte, starrte ich auf seine Turnschuhe. Sie waren schwarz mit einer weißen beschriebenen Spitze, doch mehr als ein paar Buchstaben konnte ich nicht erkennen. Für einen kurzen Moment schien es ganz normal vor ihm zu stehen; unabhängig von vorherigen Ereignissen. ''Schau mich gefälligst an wenn ich mit dir rede und antworte!'', schrie er nun. Ich zuckte sofort zusammen und mein Herz raste. Er holte zum Schlag aus, doch ich hielt seinen Arm fest. Ich war sehr überrascht über meine ausgesprochen gute Reaktion und er schien es auch zu sein. Nun sah ich ihm direkt in die Augen und in seinen grasgrün strahlenden Augen sah man... sah man etwas wie Trauer oder Mitleid. Oder täuschte ich mich da? Ich ließ seine Hand los und er nahm sie. Er hielt meine Hand und wir sahen bei nahe aus wie ein Pärchen. Ein Pärchen werden wir nie sein, doch in seinen Augen sah ich einen Schimmer Hoffnung. Was er wohl tun wird, wenn ich ihm die Hoffnung nehme?

Ich will es gar nicht wissen. Dieses Mal hatte er ein fast schon süß aussehendes Lächeln, als er mich an sich heranzog, um mich umarmen zu wollen. Warte.. Er und ein süßes Lächeln? Ihn auch nur für eine Sekunde als 'süß' zu bezeichnen, dass ist doch gestört. Ja, er wollte mich tatsächlich umarmen, nachdem er mich mehr oder weniger auf die Knie zwang und mich schlagen wollte. Das ließ ich nicht zu und drückte ihn von mir weg. Doch er war stark, sehr stark und zog mich an sich heran. Mit einer Hand fuhr er mir durch meine nassen Haare und mit der anderen presste er meinen Körper an seinen. Ich hörte sein Herz schnell schlagen, was mich ein wenig nervös machte. Eigentlich hätte ich ihn von mir stoßen müssen, rennen müssen... Aber ich tat es nicht. Ich empfand keine Abscheu, keine Angst. Es war gruselig nun in seinen Armen im Regen zu stehen, aber am Gruseligsten war mein Gefühlszustand: Geborgenheit. Ich fühlte mich geborgen und sicher.. Ich weis, dass es eigentlich schier unmöglich ist, aber es war so. Er senkte seinen Kopf und legte sein Kinn auf meinem Kopf ab.

Ich holte tief Luft und fragte ihn mit ruhiger Stimme: ''Wieso tust du das? Und.. Wie heißt du eigentlich?''. Erschreckend schnell stieß er mich von sich weg. ''Hab ich etwas Falsches gesagt?'', fragte ich vorsichtig nach. Nervös sah ich ihn an und als er in seiner Jackentasche nach Etwas suchte, wurde ich noch nervöser. Sein verstörendes Lächeln verriet, dass er fand, wonach er gesucht hatte. Nun nahm er meine Hand und drückte fest zu. Es fühlte sich so an, als würde er sie jeden Moment brechen. Er holte ein Taschenmesser aus seiner Tasche. Ich starrte mit stockendem Atem entgeistert auf seine Hand, während er das Messer geschickt aufklappte. Was zur Hölle hatte er damit vor?! Mein Blick steuerte nun auf sein Gesicht zu. Seine grünen Augen schienen vor Wut zu leuchten. Angst machte sich in meinem Herzen breit, dass nun zu Beben begann. Ich starrte ihm nun die ganze Zeit in die Augen und war wie in Trance. Erst al er meinen Arm am Handgelenk umdrehte und mich mit dem Messer schnitt, erwachte ich. Geschockt sah ich auf das dunkle, warme Blut, was meinen Arm herunterlief. '' Was fällt dir ein mich DAS zu fragen?! Meinen Namen werde ich dir noch nicht einmal im Traum verraten! Und warum ich das mache? Nun ja, weil ich es liebe dich verzweifelt zu sehen. Heute war ich noch gnädig und habe dir höflich die Fragen beantwortet. Ich, nur ich stelle die Fragen, Kleines. Hast du mich verstanden? Und mittlerweile müsstest du bemerkt haben, dass du die Schwächere von uns bist'', sagte er mit einem dreckigen Lächeln. Mein Arm brannte höllisch, doch der Regen tat gut. ''Hast du verstanden!?'', schrie er und dieses Mal konnte ich den Schlag nicht abwehren. Meine Wange glühte und heiße Tränen liefen mir mein Gesicht herunter. ''Ja, habe ich'', schluchzte ich, in der Hoffnung, dass er mich verstehen konnte. Noch einen Schlag hätte ich sicher nicht ertragen können. ''Für heute habe ich genug von dir und ich hoffe du hast mich richtig verstanden. Wenn nicht, dann wirst du schon bald merken was richtige Schmerzen sind. Dann wirst du dir wünschen, dass ich so nett wie eben zu dir bin'', sagte er spöttisch mit ernster Miene. Er ließ mich los und ich stand wie versteinert mit meiner glühenden Wange und meinem blutenden Arm da. Erst schnitt mich, schlug mich und jetzt lässt er mich mit einer Drohung gehen? Womit hab ich das verdient? ''Geh endlich!'', sagte er. Kalter Wind streichelte mein Haar und nahm den Regen mit. Ich drehte mich ohne ein Wort um und ging. ''Bis bald, Prinzessin'', schrie er mir nach. Ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper und rannte los.

Zu Hause angekommen ignorierte ich die Karte, die auf meinem Bett lag. Ich suchte einen Verband, um meine unerwartet tiefe Wunde zu verbinden. Dann tauschte ich meine nassen Sportklamotten gegen eine schwarze Jogginghose und ein T-Shirt und kuschelte mich damit in mein Bett. Ich war einfach nur so verzweifelt, dass ich aus dem Weinen gar nicht mehr rauskam. Ich wollte doch nur mal die Mauern der Angst einreißen, doch ich werde mich nun komplett hinter diesen verbarrikadieren. Wobei.. Genau das ist sein Wunsch. Er will mich kaputt machen und weis, dass ich schwach bin. Aber noch nicht schwach genug. Ich darf nicht aufgeben, muss stärker werden.... Nur wie?


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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 24, 2016 ⏰

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Das Geheimnis meiner NarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt