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Kira

"Es bestanden nie wirklich Chancen, dass sie überlebt! ", erklärte Julian mir traurig und und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
"Aber...Aber wieso hat Dad gesagt, dass es Chancen gibt? ", fragte ich kleinlaut und sah meinen Tränen zu, wie sie auf den sandigen Boden tropften.
"Er wusste es die ganze Zeit, hat uns allen aber immer versucht Hoffnung zu machen und ich glaube, er wollte es selbst glauben! ", meinte Hunter nachdenklich und ging neben mir in die Hocke.
"Woher wisst ihr das? Das sie keine richtige Chance hatte?", fragte ich.
"Gestern nacht, hast du geschlafen.", sagte Li vorsichtig, "Sie ist da schon einmal aufgewacht und meinte zu uns, dass sie es nicht mehr schaffen würde, dass sie zu schwach wäre. Dad hat dem nur zugestimmt."
Ich schluchzte und die Splitter bohrten sich noch tiefer.
"Ihr wusstet es alle.", weinte ich und fuhr mir durch die Haare.
"Es tut uns leid, aber wir dachten es wäre so einfacher für dich.", meinte Hunter und lächelte mich schief an.
"Schon gut.", schluchzte ich.
Eine weile schwiegen wir, bis ich es schließlich nicht mehr aushalten konnte und einfach mit meiner Frage herausplatzte.
"Sie hätte in ein Krankenhaus gemusst oder? Dann hätte sie überlebt. "
Fragend sah ich zu Li auf, der sanft mit dem Kopf nickte. "Klar, die heutige Medizin hätte sie mit einer fast hundertprozentigen Garantie retten können, aber die Medikamente kann man nun einmal nicht kaufen."
Auf meiner inneren Liste, fügte ich noch einen Punkt auf die Warum-ich-ihn-hasse Liste hinzu.
-Weil er Schuld an Marys Tod ist.
"Sh...", flüsterte Julian beruhigend und streichelte mir über die Haare, während er immer wieder beruhigende Worte flüsterte.
"Ich...ich kann das einfach nicht mehr. Erst Mum und jetzt Mary und alles nur wegen ihm.", schluchzte ich an Julians Brust, der seine Arme um mich geschlungen hatte.
"Doch. Du schaffst das. Wir sind ja bei dir.", entgegnete der und drückte mir einen Kuss auf die Stirn, "Immer."
Ich weinte immer noch, was mich wunderte, da ich doch unmöglich eine halbe Stunde lang durchheulen konnte, und krallte mich in Julians Schultern, da es keinen Stoff mehr an seinem Oberkörper gab, an dem ich mich hätte festhalten können.
"Ess erst einmal etwas. ", sagte Li sanft und holte etwas aus einem Korb, dem er dabei hatte, was ich gar nicht bemerkt hatte.
"Dann wird es dir wieder besser gehen."
Ich schüttelte den Kopf. "Ich kann jetzt nichts essen."
"Du musst aber!", mischte sich auch Hunter ein, "Du hast seit drei Tagen nichts gegessen."
"Es ist halt schwierig etwas zu essen, wenn man die ganze Zeit im Hinterkopf hat, dass die eigene Schwester stirbt oder gestorben ist, wie jetzt!", schluchzte ich und drückte mich noch enger an Julian, der mir beruhigend über den Rücken strich.
"Aber du musst etwas essen. Sonst fällst du noch um. Du bist in letzter Zeit so oft gerannt und jetzt auch noch dein Ausbruch Kira. Du musst!", behaarte Hunter. Er hatte schon immer einen starken Willen, aber ich hatte den auch und würde nicht nachgeben, zumal ich wusste, dass ich wirklich nichts herunter bekommen würde.
"Hunter ich würde alles wieder ausspucken.",erwiderte ich und löste mich von Julian. Dieser sah mich besorgt an. "Ki!", murmelte er, "Bitte tu es für Mary. Sie würde nicht wollen, dass es dir wegen ihr schlecht geht."
Ich sah auf den Boden. Nein, sie würde es nicht wollen. Aber sie wollte auch nicht sterben, musste aber trotzdem.
"Kira!", sagte Li scharf, aber als ich immer noch keine Anstalten machte ihm das Brot aus der Hand zu nehmen, wurde er noch lauter.
"Kira Christa Montgomery!"
Ich hasste meinen ganzen Namen und presste mir die Hände gegen die Ohren, als er gerade einmal "Chri" gesagt hatte.
Hunter zog meine Hände wieder herunter und hielt sie zusammen.
"Kira. Es ist uns gerade total egal ob du freiwillig etwas isst, oder wir das mit Gewalt tun müssen, aber du wirst etwas essen und..." Als ich Anstalten machte ihn zu unterbrechen, legte er mit eine Hand auf den Mund, "...du kannst nichts dagegen tun, da wir viel stärker sind als du."
Damit hatte er leider recht. Trotzdem biss ich meinem Zwillingsbruder in die Hand, woraufhin er kurz erschrocken aufschrie,mich dann aber unbeeindruckt ansah.
"Versteht es doch einfach, dass ich keinen bissen herunterkriege. Wie denn auch? Meine Schwester ist vor noch nicht einmal einer Stunde gestorben und ihr erwartet von mir, dass ich etwas esse und so tue als ob nichts gewesen wäre?!" Entgeistert sah ich meine Brüder an, die mich ebenfalls entgeistert anstarrten.
"Du sollst nicht so tun als ob nichts gewesen wäre, aber etwas essen, Kleine.", sagte Li schließlich und stand ebenfalls auf. Julian und Hunter taten es ihm gleich und die drei stellten sich in einem Kreis um mich auf.
"Ich kann aber nichts essen! ", murmelte ich kraftlos und fing wieder an zu weinen. Meine Tränen waren vor ein paar Sekunden versiegt, aber jetzt mussten sie natürlich wieder fließen.
"Du kannst etwas essen.", behaarte Hunter und drückte mir ein Stück Brot in die Hand, dass schon ein wenig hart war, was aber an sich kein Problem war. Das Brot allerdings schon. Ich starrte es an, wie normale Mädchen es, bei einem Insekt gemacht hätten, dass auf ihrer Hand Platz genommen hatte.
"Nein!", wehrte ich ab, aber Li drückte meine Hand in Richtung meines Mundes.
"Kira bitte. Tu es doch einfach. Es ist nur ein einfaches Stück Brot.", bat er und hoffte offensichtlich, dass ich freiwillig weiter essen würde, aber ich tat es nicht. Stattdessen versuchte ich mich an Hunter und Julian vorbei zudrängeln, aber natürlich hatte Julian das geahnt und packte mein Handgelenk, bevor ich auch nur einen Schritt machen konnte.
"Ki!", meinte er sanft, "Ich weiß, es ist nicht leicht für dich, aber wir wollen nur das beste für dich und würden dich nicht dazu zwingen, wenn es für dich nicht lebenswichtig ist."
Ich sah ihm in die Augen, die mich besorgt musterten. Meine Rippen, die man deutlich erkennen konnte. Meine dünnen Arme.
Gerade wollte ich nachgeben, als ich plötzlich den halt verlor, nach vorne kippte und alles schwarz wurde...

Wild GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt