• Kapitel 01

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Mein Kopf hämmerte gewaltig und ich merkte sofort, dass ich letzte Nacht zu tief ins Glas geschaut hatte. Der Geruch von Alkohol und Frauenparfum lag in der Luft und während ich da lag, versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. Meine Augen hielt ich geschlossen, das Gesicht halb ins Kissen gedrückt. Ich atmete überanstrengt aus und konnte meinen eigenen Mundgeruch wahrnehmen, der nach Chips und Bier stank. Ich schluckte kurz um einen Würgereflex zu vermeiden und versuchte dann weiter meine Erinnerungen an letzte Nacht zurück zu holen. Mein Kopf hämmerte weiter und leider fiel mir nichts mehr ein.  Ich hatte den totalen Filmriss und traute mich schon gar nicht erst die Augen zu öffnen. Wer weiß, wer da hätte neben mir liegen können?

Trotzdem öffnete ich mein rechtes Auge einen Spalt breit, das andere weiter in das Kissen gedrückt. Das Licht, welches durch das Fenster strahlte, brannte auf meiner Netzhaut und sofort schloss ich es wieder. Ich wartete kurz bis der Effekt nachgelassen hatte und öffnete es erneut. Langsam sammelte sich eine Träne in meinem Auge und mein Bild endete leicht verzehrt. Ich erblickte ein Fenster, einen riesigen fremden Kleiderschrank und schielte hinunter. Meine Hose, das T-Shirt, die Socken und meine Boxershort lagen verteilt mit meinen schwarzen Vans auf dem dunkelbraunen Parkettboden verteilt, welcher mir übrigens auch ziemlich unbekannt vorkam. Ich starrte zurück auf den Schrank und in dessen Spiegel, der an der weißen Schiebetür befestigt war und erkannte, dass hinter mir eine weitere Person schlief. Um ehrlich zu sein, hätte ich auch nichts anderes erwartet. Es war ja schließlich nicht das erste Mal, dass ich bei einer Person aufwachte und nichts mehr davon wusste, geschweigedenn wer diese Person überhaupt war. Trotzdem musterte ich die langen blonden Haare und konnte nur ihren Hinterkopf wahrnehmen. Das Gesicht hatte sie zur anderen Zimmerwand gedreht und es schien so, als ob sie ebenfalls von einem starken Kater überrascht wurde. Um jegliche Peinlichkeiten zu vermeiden, beschloss ich, wie ich weiter vorgehen würde.

Entweder einfach vorsichtig aufstehen, Klamotten packen und raus?

Hierbei musste man allerdings immer bedenken, dass du niemals wissen wirst, ob dein One Night Stand einen Mitbewohner hat und du eine Begegnung vermeiden willst.. und das nackt. Ob plötzlich ein Hund vor der Tür steht und dich überfallen wird.. und das nackt. Oder ob die Flamme der letzten Nacht noch bei Mutti wohnt und du auf einmal vor ihr und dem Vater, der nicht so gerne fremden Besuch bei sich hat, im Wohnzimmer stehst.. und das nackt.

Ich konnte mich natürlich auch für Variante zwei entscheiden. Warten, bis sie aufwacht, mich anziehen, das Frühstück dankend ablegen, sie auf die Stirn küssen und sagen, dass ich jetzt los müsse und mich melden würde, obwohl wir beide die Nummer des anderen nicht abgespeichert hatten.

Wieder überlegte ich kurz und entschied mich dann spontan für den ersten Weg. Ich stützte mich so leise und vorsichtig ich konnte vom Bett auf, betrachtete meinen Körper und die braunen Haare, die in alle Richtungen verteilt lagen, im Spiegelschrank und erhob mich dann langsam von der Matratze. Mein Blick verweilte auf den blonden Haaren des Mädchens, dessen Name ich nicht mehr kannte und als sie sich schwer seufzend umdrehte, kniff ich beide Augen zusammen. Ich wartete, doch nichts geschah, also öffnete ich mein linkes Auge. Ihr Spiegelbild blieb reglos und weiterhin schlafend im Bett liegen und ich atmete erleichtert auf. Ich schlüpfte so schnell ich konnte, oder besser gesagt: so schnell es mein Kater zuließ, in meine weiße Tommy Hilfiger Boxershort, zog mir das T-Shirt drüber, steckte beide Füße in die zerknüllten Socken und hing mir die Jeans über den linken Arm und die Vans hielt ich in der rechten Hand um jeglichen Krach auf dem Boden zu vermeiden. Ich wollte gerade das Zimmer verlassen, als ich noch vier Kondome auf dem Nachttisch vorfand. Ich dachte nicht lange nach, schnappte sie mir und verstaute sie sorgfältig in der Hose, die immer noch an meinem Arm baumelte. Ein letzter Blick auf das Mädchen im Tiefschlaf und dann rutschte ich vorsichtig auf meinen Socken über den dunklen Boden, bis hin zur weißen Tür. Da meine rechte Hand schon besetzt war, ergriff ich den Griff mit der linken, versuchte die Tür so leise wie möglich zu öffnen und verschwand danach in einem kleinen Flur, der nur leicht beleuchtet wurde. Ich nutzte die Chance und legte die Schuhe auf den Boden, schlüpfte in die angewärmte Jeans und kämpfte mit meinen Gürtel. Während ich im halbhellen Licht versuchte das Loch zu finden, bemerkte ich, dass im Nachbarzimmer die Dusche an war und eine weiche Stimme unter dem Wasser sang. Ich legte mein Ohr an die Tür und lauschte kurz. Sie klang ganz gut und ich versuchte das Lied zu erkennen, doch das Wasser plätscherte zu laut. Ich wandte mich von der Tür ab, schaffte es meinen Gürtel zu schließen und kniete mich auf den Boden um in meine Vans zu kommen. Während ich da so kniete, hatte ich offensichtlich nicht bemerkt, dass das Wasser der Dusche abgestellt wurde. Ich kämpfte noch mit meinem rechten Fuß und dem zu engen Schuh, als plötzlich neben mir die Tür aufging, der Flur mit Licht durchflutet wurde und im Türrahmen des Badezimmers eine junge Frau mit rotem Handtuch bedeckt lehnte und seufzte. Ihr braunen Haare waren nass und ich erhob mich etwas erschrocken vom Boden. Ich blickte sie kurz an und schielte dann auf die Zimmertür meines One Night Stands. Sie verstand, dass ich sie nicht wecken wollte, also zeigte sie auf die Tür neben dem Bad und ich ging langsam und etwas verwirrt voran, während sie mir folgte.

Ein ziemlich modern eingerichtetes Wohnzimmer machte sich vor mir breit und die schwarzen Ledermöbel passten optisch perfekt zur weißen Wand. Ich wartete, bis sich hinter mir die Tür schloss und drehte mich dann um. Mein Blick verfing sich in den stechend grünen Augen des Mädchens und ich vergaß, was ich sagen wollte. Ihre Brauen verfinsterten sich und trotzdem war ihr Gesicht makellos und wunderschön.

»Was bist du für ein Arsch?«, fuhr sie mich mit gedämpfter Stimme an. Für einen kurzen Moment schien mir die Verwirrung ins Gesicht geschrieben zu sein, denn ihre linke Braue zog sich fragend hoch.

»Ein bisschen konkreter, bitte. Um was geht es hier und wieso so pissig?«

»Ich geb dir gleich pissig!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ihre nassen Haare tropften immer mal wieder auf den Boden. Ich wusste nicht wo ihr Problem lag und war komplett durch den Wind. Alles was ich wollte, war in mein Bett und eine Aspirin.

»Wegen Typen wie dir sitzt Emma abends alleine in ihrem Zimmer, frisst sich mit Schokolade voll und heult. Rein, raus und weg. Du schwanzgesteurtes Ekel. Wie kann man es denn so nötig haben und täglich mit wildfremden Frauen in die Kiste hüpfen?«

»Nur am Wochenende«, sagte ich zu meiner Verteidigung und grinste angriffslustig.

»Ernsthaft jetzt?« Der Hass in ihrem Gesicht wurde größer. Ebenso mein Gefallen an ihr.

»Lass es mich erklären. Ich bin ein Typ, der Bedürfnisse hat. Und wie hieß die Kleine? Emma? Naja, anscheinend hat sie auch Bedürfnisse und somit enden wir beider in einer Win-Win Situation.«

»Du bist so abartig. Ich würde mich nicht einmal in dein Richtung übergeben. Und jetzt sieh bitte zu, dass du unsere Wohnung verlässt, Wichser!«

»Du darfst mich auch gerne Louis nennen.«

"Und du kannst mich kreuzweise. Raus!«

Ich zuckte mit den Schultern, grinste erneut und verließ das Wohnzimmer. Ich stoppte vor der Wohnungstür und drehte mich noch einmal zu ihr um. Sie stand immer noch da, die Arme verschränkt und beiden Augenbrauen total gereizt zusammen gezogen.

»Wie heißt du? Du gefällst mir.«

»Verpiss dich!«, rief sie, schnappte nach den Schlüsseln auf dem kleinen Regal und warf sie in meine Richtung. Ich wich aus, ließ die Schlüssel am Boden liegen und verschwand dann amüsiert im Treppenhaus.

WeightlessWhere stories live. Discover now