• Kapitel 03

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Nachdem wir bei Harry gefrühstückt hatten und meine Kopfschmerzen langsam nachließen, verabschiedete ich mich um mich noch ein bisschen aufs Ohr zu hauen und mich für den Abend frisch zu machen. Ich griff nach meinem iPhone das auf Harrys kleinem Metalltisch lag, borgte mir seine Ohrstöpsel und verließ danach die Wohnung. Ich verkabelte Kopfhörer mit Handy und drehte die Musik auf. Ich realisierte gar nicht, was ich da genau hörte, denn immer wieder sprang mir das Gesicht von Emmas Mitbewohnerin ins Gesicht. Ich erwischte mich dabei wie ich lächelte und sagte mir selbst, dass ich mir lediglich was vormachte. Ich war kein Typ für Beziehung und Liebe und den ganzen Mist. Ich war jung. Ich war frei. Ich wollte Spaß haben. 

Die Temperaturen stiegen mit jeder Stunde und meine Jeans fing beim Laufen an, an meinen Beinen zu kleben. Trotz der kurzen Strecke zur Kentish Town Station, kam ich mit Schweißperlen auf der Stirn dort an, zückte meine Karte aus dem Geldbeutel, stempelte ab und verschwand danach im angenehm kühlen Underground. Ich stand am Rand und wartete bis die Bahn einfuhr. Als ich gerade einsteigen wollte, rempelte mich ein Typ ziemlich gewaltsam an der Schulter an und ich stolperte zurück auf den Boden. Ich zog mir den rechten Ohrstöpsel heraus, kniff meine Augenbrauen wütend zusammen und wollte dem Deppen gerade den Marsch blasen, als ich ihm erschrocken in sein vernarbtes Gesicht blickte. Seine schmierigen langen dunklen Haare hingen ungepflegt von seinem Kopf herab und ein paar Strähnen baumelten leblos über seinem rechten Auge. Er war einen Kopf größer als ich, trug einen schmutzigen dunkelblauen Anzug, warf mir einen angewiderten Blick zu und beugte sich dann runter zu meinem Ohr. Ein paar Leute starrten mich besorgt von ihrem Sitz aus der Bahn aus an, doch ich riss mich zusammen und lächelte nur freundlich zurück.

»In zwei Tagen will ich das Geld sehen. Das ist die letzte Verwarnung, Tomlinson! Hast du mich verstanden? Sonst müssen wir andere Geschütze auffahren.«

Er flüsterte mich an, dennoch konnte ich den Hass aus seiner Stimme entnehmen und ich schnappte unauffällig nach Luft. Sein Atem roch nach Nikotin und ich merkte, wie mir langsam die Farbe aus dem Gesicht fiel. Er richtete sich auf und klopfte mir mit einem falschen Lächeln auf die Schulter. Ich grinste gekünzelt zurück und nickte, stieg dann auf wackeligen Beinen ein und die Tür schloss sich hinter mir. Ich drehte mich nicht um, denn ich wollte ihm nicht noch einmal in sein Gesicht schauen müssen. Ich taumelte betäubt zu einem freien Sitz, drehte die Musik lauter und starrte die ganze Fahrt über nur auf meine Schuhe. Ich merkte, dass mich ein paar Leute immer noch musterten, doch ich war viel zu sehr damit beschäftigt irgendwie in meinem Kopf Geld aufzutreiben, dass ich alles um mich herum ignorierte.

Ich hätte fast den Bahnwechsel am Leicester Square verpasst und sprang gerade noch durch die halboffene Tür. Ich verstaute meine Hände nervös in meinen Hosentaschen und klammerte mich an den Kondomen fest. Ich fuhr mit der Rolltreppe hoch und stieg dann in die Piccadilly Line ein, mein Blick klebte weiterhin an meinen Schuhen. Ich sicherte mir einen Sitz, fuhr bis Hammersmith und stieg dann aus. Meine Beine fühlten sich weiterhin taub an, doch sie trugen mich krampfhaft hinaus in die warme Nachmittagsluft von London. Ich blickte kurz auf und musterte die Leute, um sicher zu gehen, dass ich nicht verfolgt wurde und Gott stand mir bei, denn ich erkannte nur fremde Gesichter. Langsam machte ich mich auf den Weg nach Hause und während ich so durch die Straßen lief, entspannten sich meine Muskeln ein wenig. Trotzdem biss ich mir auf der Lippe rum und überlegte weiterhin, wo ich schnellstmöglich 2,000£ herzaubern sollte. 

Ich erreichte ein heruntergekommenes Altbau und zückte den rostigen Schlüssel aus meinem Geldbeutel. Ich öffnete die große Holztür, stieg über alte Pappkartons, entsperrte die modrige Tür im Erdgeschoss und stand in meiner Ein-Zimmer-Wohnung. Der Geruch von verrauchtem Gras und feuchten Wänden setzte sich langsam in meiner Nase fest und ich schmiss meinen Geldbeutel mit samt Schlüssel auf die alte Holzkiste neben dem heruntergekommenen Sofa. In meiner Wohnung war eigentlich alles heruntergekommen. Ich besaß auch eigentlich nur einen kleinen Kühlschrank, das alte Sofa, einen kaputten Gasherd und im Nebenzimmer noch eine Dusche mit Klo und ein paar alte Obstkisten in denen ich meine Klamotten lagerte. Mehr hätte auf diese paar Quadratmeter eh nicht gepasst. Ich schlüpfte aus den Vans und zog mich bis auf die Boxershort aus, schnappte mir eine saubere aus einer der Kisten und verschwand danach unter der eiskalten Dusche. Es war immer wieder eine Herausforderung nicht laut aufzuschreien, doch ich hatte mich langsam an diese Bedürfnisse gewöhnt. Ich wusch mir die Haare mit dem Shampoo, welches wohl mehr Wert hatte als der gesamte Raum zusammen, trocknete mich danach ab und schlüpfte anschließend in die saubere Boxershort. Ich ging hinüber zu einer der Kisten, zog mir einen alten Kaputzenpulli drüber, legte mich auf das Sofa und deckte mich mit der miefigen alten Decke zu.

Um halb sieben piepte der Wecker meines iPhones und ich tippte mit geschlossenen Augen auf dem Display rum, bis es verstummte. Ich streckte mich, starrte auf das verstaubte Kellerfenster und die Sonne schien noch leicht hinein. Langsam richtete ich mich auf, zog den Pulli wieder aus und schmiss ihn auf das Sofa. Aus den Kisten kramte ich nach einem weißen Hemd, Hosenträgern und ein Paar meiner weinroten Chinos. Ich zog mich gähnend an, stolperte danach ins Bad und richtete mir die Haare mit ein bisschen Haargel vor dem versifften Spiegel. Danach griff ich nach dem Parfum, was auf der kaputten Anrichte stand, spritze mir dreimal auf Hemd und Haare, zog mir die Schuhe an und verstaute iPhone, Geldbeutel und Schlüssel in meinen freien Taschen. Ich wollte gerade meine Wohnung verlassen, als mir die Kondome und das Tütchen, welches ich Vormittags von Harry erschnorrt hatte, in den Kopf schossen, ich zurück ging und sie in den Geldbeutel stopfte. Ich schloss meine Tür hinter mir und bevor ich das Gebäude verließ, schielte ich nach links und rechts auf die Straße um sicher zu gehen, dass mich dort niemand erkennen würde. Die Luft war rein und ich ging hinaus. Es war immernoch verdammt warm und sofort krämpelte ich meine Ärmel hoch. Nach ein paar Straßen betrat ich eine kleine Bar und erblickte sofort eine sitzen gelassene, reiche Tussi. Ihr Mascara war etwas feucht und verlaufen und sie schlürfte gedankenverloren an einem Cocktail. Ich seufzte, schlenderte zu ihr rüber und setzte mich neben sie. Es dauerte nicht lange und wir kamen ins Gespräch.

»Was macht denn so eine attraktive junge Frau alleine hier?«

»Hatte eigentlich ein Date, aber der Proll hielt es nicht einmal nötig zu kommen geschweige denn abzusagen.«

»Na, dann weiß er aber nicht was er hier verpasst.« Ich zwinkerte sie verstohlen an und ihre Mundwinkel erhoben sich ein wenig.

»Zwei Tequila für mich und die schöne Dame vor mir, bitte!«, rief ich dem Barkeeper zu. Er zog eine Augenbraue hoch und wusste, dass ich es mit ihr nicht ernst meinte. Trotzdem füllte er zwei Pinchen, reichte uns Salz und Zitronenscheiben und wir stießen an. Ich wollte gerade das Salz auf meinen Arm streuen, als sie sich vorbeugte, den Kopf schräg hinhielt und meinte, dass ich es auf ihrem Hals verteilen sollte. Ich tat was man mir sagte und schüttete das Salz leicht verteilt auf ihre rechte Halshälfte, exte den Tequila und biss in die Zitrone. Der Alkohol brannte sich meinen Hals runter und ich merkte, wie ich langsam lockerer wurde.

»Jetzt du!« Ich beugte mich vor, merkte wie mir das Salz auf den Hals rieselte und anschließend eine feuchte Zunge langsam und verspielt alles wieder aufleckte. Nachdem sie den Tequila geschluckt hatte, biss sie ebenfalls in die Zitrone und kicherte. Sie schien schon ziemlich angetrunken zu sein, denn sie bemerkte nicht, dass ihre kleine Handtasche mittlerweile auf dem Boden lag und nicht mehr auf ihrem Schoß. Ich stieg in ihr Gelächter mit ein und ließ mir nichts anmerken, während ich die Tasche langsam mit meinem linken Fuß unter meinen Barhocker schob.

Nachdem sie sich beruhigt hatte, stand sie auf, beugte sich vor und flüsterte mir ins Ohr, dass sie sich kurz frisch machen wollte. Ich ließ meinen Blick auf ihrem schwarzen Kleid ruhen, bis sie um die Ecke zu den Toiletten verschwand. Sofort griff ich nach der Tasche, sicherte die Lage, schnappte mir das lederne Portemonnaie, ließ die Tasche wieder fallen und legte dem Barkeeper 10£ für den Tequila auf den Tresen. Er schüttelte den Kopf, ich grinste ihn unschuldig an und verschwand danach blitzartig aus der Bar. Ich lief in die warme Abendluft und langsam verdunkelten sich die Straßen Londons. Ich zückte mein iPhone aus der Hosentasche und fand 6 Nachrichten von Harry vor.

»Wo treffen wir uns?«

»Loooooooueeeeh?«

»Antworte du Fisch!!«

»Keine deutsche Möse für dich!«

»Okay.. lebst du noch?«

»Egal, halb 11 vorm Plan B!«

Ich grinste und guckte auf die kleine Uhr oben rechts am Display. 9:43. Ich hatte noch genügend Zeit, also schlenderte ich weiter zur Undergroundstation, setzte mich in den nächsten freien Zug und öffnete das lederne Portemonnaie. Jackpot! Zufrieden grinste ich aus dem Fenster und verstaute es anschließend sicher in meiner linken Hosentasche. Die erste Runde würde an diesem Abend ganz klar auf mich gehen!

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