• Kapitel 04

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Ich schaute auf mein Display und wusste, dass ich es nicht mehr pünktlich zum Plan B schaffen würde. Ich brauchte noch über eine halbe Stunde und es war schon viertel nach zehn. Ich entsperrte den Bildschirm und schrieb Harry eine kurze Nachricht.

»Wird bei mir ein klein wenig später. Sitze noch in der Bahn und musste etwas Kohle besorgen. Wartet nicht auf mich. Komme dann sofort nach. x«

Es dauerte  nicht lange bis mein Handy kurz vibrierte.

»Typisch.. ;) dann bis nachher <3«

Ich grinste, fuhr weiter Richtung Green Park und lies meinen Gedanken freien Lauf. Ich brauchte Geld. Ganz viel sogar. Das bisschen, was ich an diesem Abend auftreiben konnte, hätte bei weitem nicht für meine Schulden ausgereicht. Also überlegte ich weiter. Was blieben mir für Optionen in ganz kurzer Zeit an das ganz große Geld zu kommen?

Jemanden in einer Seitenstraße brutal niederhauen und danach abzischen?

Eine reiche Bitch nach Hause begleiten, sie mit K.O. Tropfen ausschalten und mitnehmen was geht?

Während ich so vor mich hin grübelte, verpasste ich beinahe die Durchsage der Bahnaufzeichnung.

»Die nächste Station ist: Green Park. Sie haben Umsteigemöglichkeiten zur Jubilee Line und zur Victoria Line.«

Die Bahn kam zum stehen und ich gähnte, bis ich realisierte, dass ich aussteigen musste. Ich sprang auf, versicherte mir, dass ich das Portemonnaie bei mir hatte, rempelte eine ältere Dame an und entschuldigte mich. Die Türen waren dabei sich zu schließen und ich hüpfte noch hinaus. Ein paar Leuten starrten mich misstrauisch an, doch ich schlenderte unbeeindruckt weiter Richtung Victoria Station.

Die Luft dort unten war stickig. Viele Männer in Anzügen kamen mir gestresst entgegen. Ich fragte mich, ob sie zu Hause jemand erwartete, oder ob sie eingebildete Arbeitstiere waren. Meine Gedanken hielten nicht lange, denn ich erblickte vor mir ein paar heiße Chicks in kurzen Kleidern. Sie standen  am Bahnrand und tippten auf der Wandtafel rum. Ich entnahm, dass sie aus Frankreich kamen und lauthals diskutierten. Ich stellte mich hinter eine der Brünetten und fragte charmant ob ich weiter helfen konnte. Sie starrten sich erst grinsend an und dann wendete sich eine von ihnen zu mir. Sie trug ihre Haare nach rechts, hatte einen Sidecut und ihre Spitzen reichten gerade so unter ihre rechte Wange. Ein kleines Piercing verzierte ihre Nase und ihre Arme waren kunstvoll tätowiert. Auf ihren Lippen lag ein perfekt aufgetragener roter Lippenstift und dazu trug sie ein knappes schwarzes Kleid, welches ihr gerade so bis auf die Oberschenkel reichte und ein paar knallrote High Heels vervollständigten ihr aufreizendes Outfit. Ich wusste nicht wieso, doch sie hatte etwas magisches und verführerisches an sich.

»Wir suchen einen guten Club in der Nähe und sind uns nicht sicher ob wir hier einen finden werden. Laut Handy müssten wir hier einsteigen und bis zum Ende durchfahren, aber meine Freundinnen haben Angst, dass heute Nacht keine Bahn mehr zurück fährt.«

Für einen kurzen Moment fiel mir die Kinnlade ein Stück runter, denn ich hatte erwartet, dass sie einen französischen Akzent hatte. Stattdessen klang sie wie jeder andere Brite neben uns und ich grinste erneut.

»Und ich dachte, du bist Französin.« Sie lächelte und zog ihre linke Augenbraue triumphierend hoch. »Aber ja, hier seid ihr richtig. Ich bin auf dem Weg ins Plan B. Also wenn ihr mit wollt, ich kann euch gerne hin bringen.«

Der Rest der Gruppe starrte uns beide abwechselnd an, bis sie anfing auf Französisch zu erklären, was ich kurz davor gesagt hatte. Zumindest nahm ich an, dass sie das sagte. Kurz darauf drehten sich die Köpfe wieder zu mir und jede einzelne nickte glücklich.

»Ich bin übrigens Louis«, sagte ich und reichte der schwarzhaarigen Schönheit meine Hand.

»Lola.« Sie nahm meine Hand entgegen und erwiderte den Druck.

Ich wollte gerade weiter erzählen, als die Bahn vor fuhr und wir nacheinander einstiegen. Es war etwas eng und der Geruch von Frauenparfum lag in der Luft. Ich suchte nach Lola, doch fand sie am Ende des Ganges wieder. Ich warf ihr ein Lächeln zu, sie erwiderte es und ich zückte danach mein Handy aus der Tasche.

»Bin so in 30 min da. x«

Ich wartete auf eine Antwort, doch es tat sich nichts, also verstaute ich das Handy wieder in meiner Hosentasche, griff aus Vorsicht noch einmal zu dem ledernden Portemonnaie und lauschte danach dem Geplapper der komisch klingenden Gruppe.

Nachdem wir endlich in Brixton einfuhren, stiegen wir nacheinander aus und ich führte die Meute aus dem Underground. Lola erschien neben mir, fuhr sich verspielt durch die Haare und wir führten unsere noch nicht begonnene Konversation weiter.

»Verrat mir eins, wo hast du dieses perfekte Englisch her?« Sie lächelte verstohlen auf den Boden und wir zückten beide unsere Oyster Cards um aus der Station raus zu kommen.

»Mein Dad lebt in Frankreich,« begann sie. Es piepte und sie schlenderte durch die kleine Schranke, die danach wieder blitzartig zu schlug. Ich setzte ebenfalls meine Karte auf die gelbe Fläche und folgte ihr. »und er ist ein ziemliches Arbeitstier. Deshalb ist er oft hier in London und deshalb habe ich das Glück, hier oft hin zu kommen. Naja, er hat hier meine.. erm Mum kennengelernt. Somit bin ich zweisprachig aufgewachsen.«

»Nicht schlecht!« Ich nickte beeindruckt und wir verließen das Gebäude. Die Luft war immer noch ziemlich warm, doch langsam machte sich ein leichter Wind bemerkbar. Die aufgetakelten Mädchen schauten mich fragend an und ich drehte meinen Arm nach rechts, und deutete auf das beleuchtete Gebäude, was circa hundert Meter die Straße entlang auf der linken Seite stand. Sie nickten und gingen voran. Lola und ich bildeten das Schlusslicht und wir unterhielten uns weiter, als mein Handy wieder vibrierte.

»Ich weiß nicht was hier los ist aber Jana und Pia sind beide schon stramm wie 50 Russen auf einer Wodka-4-Free Party!«

Ich lachte laut und Lola guckte mich neugierig an.

»Nur mein bester Freund, Harry. Ich denke, du wirst ihn gleich kennenlernen. Frauen stehen eigentlich ziemlich auf seine Locken.«

»Ich mag es eher gepierct, tätowiert und ein bisschen böse.«

Ich merkte, wie sie auf die vereinzelten Tattoos auf meinen Armen schielte und krempelte mir nervös und unbeholfen meine Ärmel vom Hemd hinunter.

»Kommen jetzt rein. Bestell mir ein Bier. Danke, Schatz <3! x«

»Geht klar, Schwuchtel. Jetzt beeil dich!« Ich packte mein Handy wieder weg, wir stellten uns in die Schlange und Lola guckte mich verwirrt an, als ich das ledernde Portemonnaie aus der Hosentasche zog.

WeightlessWhere stories live. Discover now