Gefängnis ohne Gitter

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„Das ist dein Zimmer,Liebes. Pack deine Sachen erst einmal aus,dann kannst du zum Mittagessen kommen."
Die Frau, die sich eben als Magda vorgestellt hatte, klopfte mir sanft auf die Schulter und verließ das Zimmer.
Mein Zimmer. Meine Zelle.
Kinderheim.
Meine Mutter war vor einigen Tagen gestorben und nun hatte das Jugendamt mich hier untergebracht.
Von meinen Verwandten fühlte sich niemand verantwortlich und die Eltern meiner Freunde guckten nur mitleidig. Eine so "schwierige" Jugendliche wie mich wollte niemand aufnehmen.
Natürlich konnte ich es von niemandem verlangen,mich aufzunehmen.
Aber ich hätte es mir gewünscht.
Jeden zweiten Tag war ich bei Lelou gewesen,alle hatten gemeint ich gehörte ja fast schon zur Familie.
Ich legte meinen Koffer(ein zerfleddertes Ding von meiner verstorbenen Großmutter,aber ich mochte diesen Lederkoffer)auf mein Bett und packte meine Sachen mürrisch in den Schrank. Dachte wehmütig an meine Kleiderstange zuhause. Mein wundervolles Zimmer,dass ich und meine "Schwester" Lelou zusammen gestrichen hatten.
Es gab nicht viele Dinge,die ich mitgenommen hatte.
Einfach aus dem Grund dass sie mich an früher erinnerten.

Nachdem ich alles ausgepackt hatte,schaute ich aus dem Fenster. Man hatte einen wundervollen Blick auf den Innenhof. Aber in der Stimmung dass zu genießen war ich nicht. Würde ich auch nie sein.Unten spielten kleine Kinder,Jugendliche in meinem Alter hörten Musik.
Egal wie schön alles wirkte und wie lieb alle waren. Ich hasste es hier. Ich wollte nicht mehr sehen.
Ich setze mich auf die breite Fensterbank und lehnte meinen Kopf an das angenehm kühle Fenster.
Meine Gedanken fanden für einen Moment Ruhe.
Ich schloss die Augen und atmete tief durch.

Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche.
Lelou hatte mir geschrieben.
>gut angekommen?vermisse dich,xxx L.♡<
Ja, ich war super angekommen in meinem Leben in einem anderen Bundesland,weit weg von meiner Heimatstadt. Weit weg von "Familie und Freunden".die sich letztendlich nur als Verräter rausgestellt hatten.
An einem Ort,an dem sich Menschen nur um mich kümmerten weil sie Geld dafür bekamen.
Morgen würde ich in meine neue Schule gehen (wo die Lehrer fürs Unterrichten bezahlt wurden.)Ich konnte jetzt schon kotzen. Auf neue "Freunde" konnte ich verzichten und das Bildungssystem war meiner Meinung nach sowieso für die Tonne. Seit der 6.Klasse hatte ich meine Sachen nach Schulschluss nicht mehr angerührt und mich irgendwie so durchgeschlagen.

Nur noch anderthalb Jahre.
Dann war ich 16.
Und konnte ausziehen.
"Zeig es ihnen und höre auf rumzuheulen " hätte meine Mum jetzt gesagt und die Augenbrauen zusammen gezogen.
Ich hätte die Augenbrauen weiter zusammengezogen und erwidert dass das nicht so leicht sei.
Ich merkte wie mir die Tränen die Wangen hinunterliefen.
"Hör auf,Valerie. Selbstmitleid bringt dich nun auch nicht weiter." sagte ich zu mir selbst. Schwäche. Verhasste Schwäche.

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