Kapitel 6

265 18 1
                                    

Völlig übermüdet warf ich meinen Wecker an die Wand, nächtliche Besuche sollten wohl besser nicht zur Gewohnheit werden. Mürrisch wanderte ich in Richtung Bad und warf Romeo, der anscheinend bereits eine Weile wach war, nur einen kurzen Blick zu und brummte unverständlich.

"Ich setze Kaffee auf Evelein, der verhilft dir vielleicht zu besserer Laune", rief er mir hinterher, bevor ich die Tür hinter mir schließen konnte. Nach einer kurzen Morgenrotuine inklusive mehreren Händen voll kaltem Wasser in meinem Gesicht, lockte mich der Duft nach frisch gebrühtem Kaffe ins Wohnzimmer. Romeo hatte bereits sein Schlaflager ordentlich aufgeräumt und strahlte mir mit einem lässigen Grinsen im Gesicht entgegen.
"Kaffee?" fragte er freundlich und hob mir eine große Tasse unter die Nase. Lächelnd nahm ich die Tasse entgegen und genoß den ersten Schluck.
"Danke! Das habe ich gebraucht." Bereits im Bad waren meine Gedanken Karusell gefahren. Konnte ich Romeo einweihen? War er vertrauenswürdig? War er sogar einer der sogenannten "Begleiter"? Zu einem wirklichen Ergebniss war ich bisher nicht gekommen. Ich wusste nur, es war Zeit endlich etwas zu unternehmen. Mit einem tiefen Seufzer setzte ich mich auf einen der Barhocker und deutete Romeo an, sich ebenfalls zu setzen.

"Romeo, vertraust du mir?"
"Was ist das für eine Frage? Blöd wäre ich, wenn ich der Tochter des Teufels komplett vertrauen würde. Diese Naivität hat mich vor einigen Jahren meine Seele gekostet. Aber zumindest bist du eine der Personen, denen ich in der Hölle am meisten traue. Du bist zwar launisch, arrogant, zickig und noch so manches mehr. Allerdings habe ich noch niemals erlebt, dass du ein Versprechen gebrochen hast oder ungerecht gehandelt hättest. Also, naja bis zu einem gewissen Punkt vertraue ich dir."
"Dann bitte ich dich, mir jetzt auch zu vertrauen! Auch wenn ich dir total bescheuert vorkommen sollte, tu es einfach!" bevor ich weitersprach, legte ich den Lauschstein lahm. "Ich habe es mir anders überlegt, bevor wir mit Astaroth reden, haben wir noch ein paar andere Dinge zu erledigen. Als erstes werde ich einen guten Freund von mir besuchen."
"Also schlimm finde ich es nicht, wenn wir Astaroth heute nicht sehen müßen. Aber warum dieser Sinneswandel? Gestern wärst du mir beinahe an die Kehle gesprungen deswegen. Und welcher Freund eigentlich?"
"Hör auf zu fragen! Mehr Antworten werde ich dir nicht geben und wen wir besuchen wirst du noch früh genug sehen. Aber als erstes sollten wir dir wohl ein paar Kleider besorgen, ewig kannst du nicht in den gleichen Klamotten rumrennen."
"Nicht nötig. Als du vorhin im Bad warst, kam ein Bote von deinem Vater vorbei und hat mir meine Sachen gebracht." Grinsend zeigte er auf zwei voll bepackte Reisetaschen neben der Eingangstür.
"Sehr schön, dann geh dich fertig machen, ich will so schnell wie möglich los." Angespannt sah ich nochmals auf die Taschen, wie konnten mir diese nur vorher nicht aufgefallen sein?
"Bekomme ich auch Handtücher oder soll ich mich an der Luft trocknen lassen?" riss mich Romeo mit einem süffisanten Grinsen aus meinen Gedanken.
Mit einem vernichtenden Blick ging ich in mein Schlafzimmer um Handtücher zu holen. Noch während ich die Schranktür schloß, fiel mein Blick auf mein Katana an der Wand. Rasch zog ich es aus seiner Halterung und aktivierte erneut den grünen Edelstein im Griff des Schwertes. Der Stein war ein Brasilianit, sobald er durch magische Kräfte aktiviert wurde, konnte er jegliche Art von Magie aufspüren. Je stärker die Magie, desto kräftiger wurde sein Glühen. Daher hatte ich ihn auch am Tag zuvor zum Aufspüren der Lauschsteine benutzt.
"Was ist alles in den Taschen?" fragte ich, als ich wieder das Wohnzimmer betrat.

"Meine Klamotten, Waffen, Hygieneartikel, eben alles was ein Mann so braucht. Soll ich dir den Inhalt zeigen, vielleicht ist ja etwas dabei das dir gefällt?" mit diesen Worten ging Romeo auf die Taschen zu.
"Nein, ich möchte mich selbst davon überzeugen, was denn ein Mann so alles braucht."
Mit ein paar schnellen Schritten stand ich vor Romeo und drückte ihm die Handtücher in den Arm, der grüne Stein glühte bereits stärker. "Öffne beide Taschen und geh etwas beiseite", blaffte ich ihn an.
"Madame haben wohl ihre Tage? Aber wenn du meinst!" schulterzuckend zog er die beiden Reißverschlüsse auf und trat zur Seite.

Stumm zog ich mit der linken Hand ein Teil nach dem anderen aus der ersten Tasche, während ich mit der rechten Hand weiterhin mein Katana festhielt. Nachdem die Tasche leer war, warf ich sie achtlos hinter mich. Romeo grummelte zwischenzeitlich, weil ich so ein Durcheinander in seine Sachen brachte und legte ordentlich gefaltet, die von mir durch die Gegend geworfenen Klamotten, auf das Sofa.
Noch bevor ich das erste Teil aus der zweiten Reisetasche fischen konnte, glüht der Brasilianit so hell auf, dass es im ersten Moment in den Augen weh tat. Angewiedert holte ich einen kleinen, runden, pechschwarzen Anhänger hervor, der zwischen zwei T-Shirts versteckt war. Eindeutig ein Verschleierungszauber! Ein Zauber, der Dinge unsichtbar werden lässt, bis man direkt auf sie hingewiesen wird. In diesem Falle ein sehr starker Zauber, hatte er doch auf beide Taschen gewirkt. Das war auch der Grund, warum ich das Gepäck anfangs nicht bemerkt hatte, erst als Romeo darauf gedeutet hatte, wurde es für mich sichtbar. Wütend legte ich den Anhänger neben die Tasche. Vorsichtig nahm ich Stück für Stück weiter die Sachen von Romeo heraus. Als ich nach der letzten Hose auf dem Boden der Tasche griff, stach mir etwas in den Finger, ein kleiner Blutstropfen fiel auf die Beschwörungsrune, die auf den Boden der Tasche gemalt wurde. Unwillkürlich schleuderte ich die Hose von mir weg und trat zwei Schritte zurück. Trotz aller Vorsicht war ich in eine Falle getappt und hatte die Rune mit meinem Blut aktiviert.

Leichter Rauch stieg aus der Tasche empor, bevor sich wie aus dem Nichts ein Dämon vor uns materialisierte. Nicht jeder Dämon sieht auf den ersten Blick aus wie ein Geschöpf aus der Hölle oder aus der Zwischenwelt. Dieser nette Geselle hatte sich als Erscheinungsform eine exakte Kopie von Arnold Schwarzenegger zu seinen besten Zeiten ausgesucht, inklusive der gruseligen 80er Jahre Frisur.
"Eve, endlich lernen wir uns kennen!" dröhnte er mit österreichischem Akzent. "Wie lange habe ich auf diesen Tag gewartet."
"Findest du nicht, dass du im Vorteil bist? Immerhin weißt du wer ich bin, aber welche Witzfigur du bist, hat mir noch keiner gesagt", erwiderte ich ruhig. Ich war selbst erstaunt, daß meine Stimme so fest klang, obwohl sich mein Magen vor Angst bereits verkrampft hatte. Wer auch immer mir diesen Dämon auf den Hals gehetzt hatte, wusste was er tat und hatte mit Sicherheit keinen der niedrigeren Dämonen ausgesucht.

"Oh kleine Teufelstochter, dir werden deine Sprüche noch vergehen. Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dir wünschen, ich könnte dich töten. Da dies aber außerhalb meines Könnens liegt, dank deiner Herkunft, werde ich mich wohl auf das Quälen und Foltern beschränken müssen. Aber dies kann auch ganz nett sein, besonders wenn man eine Ewigkeit dazu Zeit hat. Aber da ich nicht unfair sein möchte," bei diesen Worten beugte sich der Dämon leicht nach vorne und sah mir direkt in die Augen, "stelle ich mich gerne vor. Mein Name ist Danglathas."

Erstaunt zog ich eine Augenbraue nach oben, Danglathas war mir ein Begriff, allerdings war er einer der schwächeren Dämonen und gehörte nur zum zweiten Höllenkreis. "Ich bin nur einen Dämon der zweiten Ebene wert? Echt jetzt? Also ich hatte ja zumindest einen der dritten Ebene erwartet." Als Antwort schleuderte die Arnoldkopie einen Energieball auf mich zu. Ohne Nachdenken sprang ich hinter das Sofa in Sicherheit und entdeckte Romeo, der sich ebenfalls dahinter versteckte.

"Du bekommst aber auch gar nichts mehr mit, was in der Hölle so los ist, oder?" fragte er mich sauer, während der leuchtend blaue Energieball in den Küchentresen krachte. "Danglathas und ein paar andere niedere Dämonen haben sich ihre Plätze in den höheren Kreisen erkämpft und somit auch die eine oder andere neue Fähigkeit dazubekommen. Wie zum Beispiel Energiebälle zu formen und zu kontrollieren."
"Verdammte Scheiße, ich sollte lernen meinen Mund zu halten! Schleich dich ins Schlafzimmer, auf meinem Nachttisch liegt eine mit Kupfer-Iridium geladene Pistole. Ich lenke ihn solang ab. Und beeil dich, ich habe keine Ahnung wie lange ich ihm standhalten kann. Welchem Kreis gehört er denn...? Nein, vergiss es ich will es gar nicht wissen."

Die Tochter des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt