Kapitel 5

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Langsam schob ich meine Hand unter das Kopfkissen, bis ich den Griff meines Dolches zu fassen bekam. Ein paar Sekunden zuvor war ich aufgewacht, weil jemand oder etwas mein Schlafzimmer betreten hatte. Ich hatte einen leichten Druck in den Ohren, der sich anfühlte als würde man in einem startenden Flugzeug sitzen.
"Egal wer oder was du bist, zeige dich! Oder du wirst es bitter bereuen!" Blitzschnell hatte ich meinen Dolch unter dem Kissen hervorgezogen, ihn wurfbereit in der Hand und mich neben mein Bett fallen lassen. 
"Oh Eve, was soll diese Dramatik? Und steck den Zahnstocher wieder dahin wo du ihn her hast."
Moment, diese Stimme kannte ich. "Gabriel? Echt jetzt?" verwundert schüttelte ich den Kopf und ließ meinen Arm sinken. So gut wie nichts konnte mir Schaden zufügen, mit dem Himmelsfeuer der Erzengel war das allerdings etwas anderes. Ab einer gewissen Intensität, war dies selbst für mich tödlich. Ebenso wie das Höllenfeuer Engel auslöschen konnte. Bisher war es zwar nur selten geschehen, besonders da es den Überlebenden einen Teil seiner Seele und seiner Lebensenergie kostete, aber traue niemals einem Engel!
"Was willst du hier mitten in der Nacht? Ich glaube unsere letzte Begegnung ist noch nicht lange genug her, dass ich dich wieder ertragen könnte!"
"Willst du ewig da unten hocken bleiben? Begrüßt man so etwa einen alten Freund?"
"Ich weiß ja nicht was du unter Freundschaft verstehst, aber ich anscheinend etwas anderes. Das letzte Mal wolltest du mich umbringen, wegen einer lächerlichen Seele! Nur weil du ein Engel bist, vertraue ich dir noch lange nicht."
"Ja, da war mal etwas in der Art. Aber das ist doch schon so lange her. Nun egal, ich bin nicht hier um dich zu verletzen, wenn ich das gewollt hätte, wärst du schon lange wieder bei deinem Vater in der Hölle. Nein Eve, ich muss mit dir reden."
Langsam kam ich mir in meiner Lauerstellung neben dem Bett wirklich dämlich vor und rappelte mich auf. Mit einem argwöhnischen Blick stand ich dem Engel gegenüber, legte meinen Dolch griffbereit auf den Nachttisch und musterte ihn von oben bis unten. PUH! Ein Erzengel in meinem Schlafzimmer, auch noch der Playboy unter den Engeln. Michael zum Beispiel, einer seiner "Kollegen" ein gestandener Familienvater mit vier Kindern und einer liebenswürdigen Ehefrau. Oder Uriel, der sich ganz offen vor einer Weile geoutet hatte und auf männliche Wesen flog. Aber nein, es musste Gabriel sein. Der der jedem Rock hinterher gaffte und..., nun gut lassen wir das!
"Was möchte denn der himmlische Bote von der teuflischen Eve?" spöttisch lächelnd ging ich ein Stück auf ihn zu um mich dann an die Wand neben ihm zu lehnen. "Eine Wiederholung der lange vergangenen Romanze - oder wie immer du das auch nennen willst - wird es nicht geben. Falls du deswegen den langen Weg auf dich genommen haben solltest." Auch an mir war sein Charme nicht verpufft, vor Ewigkeiten hatten wir eine Affäre. Aber wie man es sich schon denken konnte, hielt diese nicht lange vor.
"Dein Humor ist köstlich," schallend fing Gabriel an zu lachen und wischte sich eine imaginäre Träne aus dem Auge, "nein, meine Gründe sind um einiges ernster. Lass uns vernünftig miteinander reden." Ernst sah er mich an und fuhr mit einem harten Gesichtsausdruck fort:" Du darfst auf keinen Fall den neuen Auftrag von deinem Vater zu Ende bringen! Peter darf seine Seele nicht an die Hölle verlieren. Nein, nein, warte," warf er ein, als ich anfangen wollte zu protestieren, "ich bin nicht an seiner Seele interessiert! Mache ihn zu einem der Unsrigen! Lasse ihn stärker werden. Gib ihm etwas, das wir auch haben."
"Was?!" entgeistert starrte ich ihn an und fragte mich langsam ob Engel dem Irrsinn verfallen können. "Warum redest du in Rätseln? Sprich deutlich mit mir! Oder hat dich der himmlische Wahnsinn ereilt?"
Gabriel nahm mich an den Schultern und sah mir tief in die Augen. "Mehr kann und darf ich dir nicht verraten. Ein Schwur bindet mich an diese Bedingung. Ich darf mich nur bis zu einem gewissen Grad einmischen, denn auch der Himmel balanciert gerade am Abgrund. Was ich dir rate zu tun, war niemals im Sinne des Himmels, aber das Ziel das du vor Augen haben musst, kann nur so erreicht werden!"
Verdattert setzte ich mich auf mein Bett und ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen. Irgendetwas an seiner Art und Weise sagte mir, dass er es ernst meinte.
"Zu einem der unsrigen.... ihm etwas geben, was wir haben... stärker werden..." abrupt riss ich den Kopf nach oben. "Du willst, dass ich ihn unsterblich werden lasse? Hast du sie noch alle?"
Stumm starrte mich Gabriel nur an. Einen kurzen Moment lang dachte ich so etwas wie Bedauern in seinem Blick zu erkennen, allerdings war der Ausdruck so schnell wieder verschwunden, dass ich mir nicht sicher war ob er wirklich vorhanden war.
"Was sollte das für einen Sinn machen?" entnervt sprang ich auf und stellte mich direkt vor den Erzengel. "Mehr wirst du mir nicht verraten, oder?"
"Nur soviel: Peter wird der Schlüssel sein. Am Ende bringt er die Entscheidung!" Die Worte sickerten in meinen Kopf und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
"Es geht hier nicht -zumindest nicht nur- um Peter! Du bist hier weil,..." entsetzt schlug ich die Hände vor den Mund. Ich hatte den Lauschstein vergessen. Wütend funkelte ich Gabriel an, doch dieser grinste so breit wie ein Honigkuchenpferd.
"Sprich ruhig weiter Eve, wir befinden uns in einem Kraftfeld. Keiner hört was wir reden. Hältst du mich für so einen Anfänger?"
Das erklärte auch den Druck auf meinen Ohren. Ein Kraftfeld war wie eine unsichtbare Seifenblase, alle in diesem Feld sind vor äußeren Einflüssen geschützt. Ebenso störte die Energie jegliche fremde Magie die sich innerhalb des Bereiches befand, wie zum Beispiel die Magie eines Lauschsteines.
Erleichtert ließ ich die Hände sinken. "Du willst mir also weiß machen, dass Peter eine entscheidende Rolle spielen wird bei der Revolution in der Hölle? Das er es verhindern kann, dass mein Vater den Thron verliert? Übertreibst du da nicht ein bisschen?"
"Höllenrevolution? Herrje, deine Unwissenheit ist schlimmer als ich dachte. Eve, es geht nicht nur um den Thron deines Vaters! Hier schau, " rasch zog er einen Gegenstand aus der Hosentasche und hielt ihn mir unter die Nase, "dieser Lauschstein ist einer von vielen, die wir im Himmel gefunden haben. Es geht hier nicht um die Herrschaft in der Unterwelt. Klar, dein Vater ist ein Teufel mit dem man auskommen kann. Es wäre schade wenn er seinen Thron verlieren würde. Aber denkst du wirklich da würde sich der Himmel einmischen? Eve, es geht hier um die Vernichtung des Himmels und der Erde, den Engeln, den Menschen und jedem Wesen das sich nicht beugen wird."
Langsam drohte mir der Kopf zu platzen. Es ging um die Apokalypse? Ich kam mir vor wie in einem schlechten Horrorfilm. Welche Rolle hatte ich in diesem ganzen Mist? Und verdammt nochmal, warum gerade ich?!
"Schwöre mir Erzengel Gabriel, bei deinem Vater und seinem Sohne, dass du mich nicht anlügst! Oder ich verspreche dir hier und jetzt, dass ich das genaue Gegenteil tun werde von dem was du mir rätst. Woher soll ich wissen wem ich vertrauen kann? Vielleicht wollt ihr tollen Himmelsboten ja tatsächlich, dass mein Vater entthront wird und dies ist nur ein Schwindel. Na klar, wenn ich mich gegen den Willen meines Vaters richte und ihm Peters Seele nicht bringe, wird er sauer sein und als Konsequenz werde ich dann nicht weiter für ihn nachforschen."
Gabriel packte mich erneut an den Schultern und sah mir tief in die Augen. "Eve, ich schwöre bei allem was mir heilig ist, dies ist kein Trick!" Langsam griff er mit der rechten Hand in die Innentasche seiner Jacke und holte einen kurzen Dolch hervor. Er sah mir weiter in die Augen, als er ein Stück zurück trat, den Dolch an seinem linken Handgelenk ansetzte und sich selbst einen Schnitt zufügte. "Beim heiligen Blute meines Vaters und seines Sohnes, schwöre ich dir Eve, Tochter des Teufels, dies ist keine Falle oder Trick um dich zu hintergehen. Alle Informationen die ich dir gegeben habe und die ich dir noch geben werde, so weit ich kann, werden immer der Wahrheit entsprechen!" Mit ernstem Blick reichte er mir den Dolch. Stumm schnitt ich mir ebenfalls ins linke Handgelenk, danach hielten wir uns gegenseitig an den Unterarmen, damit die Wunden übereinander lagen und sich unser Blut vermischte.
"Ich nehme deinen Schwur an, Erzengel Gabriel, Gesandter des Herrn und Bote der Verkündigung. Solltest du deinen Schwur brechen, steht mir dein Leben und deine Seele zu!"
Einen Blutschwur, verdammte Scheiße, er hatte wirklich einen Blutschwur geleistet. Entgeistert ließ ich seinen Arm los. Die Wunden begannen sich bereits wieder zu schließen.
"Gabriel, verrate mir, wem kann ich trauen? Nicht jeder wird mir einen Blutschwur leisten, besonders die, die nicht ahnen an was ich wirklich arbeite."
"Drei Begleiter wirst du haben! Zwei die buhlen um deine Gunst, werden Stärke und Wissen sein. Der Letzte wird dir mit Geschick und Taktik zur Seite stehen, Gerissenheit und Hinterhalt werden ihr auch nicht fremd sein! Diesen Dreien kannst du trauen, sonst keinem!"
"Boah schon wieder ein Rätsel.. das nervt!" dramatisch warf ich meine Arme nach oben.
"Ich muß gehen Eve, es warten noch Aufgaben." "Stopp, wie kann ich dich erreichen? Und woher soll ich nun wissen, wer diese öminösen Begleiter sind?"
"Ich werde dich erreichen wenn es nötig ist. Alles Weitere wirst du erkennen wenn du es siehst, halte die Augen und Ohren offen."
Mit einem Blinzeln war er verschwunden und mit ihm das Kraftfeld, was sich durch ein leises Ploppen in meinen Ohren bemerkbar machte.
"Du kannst mich doch hier nicht so stehen lassen, du Arsch!" brüllte ich ihm hinterher. Aber wie ich es bereits erwartet hatte, kam er nicht wieder.

Na das waren ja nette Aussichten, drei Verbündete finden, Peter unsterblich machen, die Apokalypse verhindern... . Sonst noch was? Ich hätte da noch etwas Zeit in meinem Terminkalender. Erschöpft ließ ich mich wieder auf mein Bett sinken, schob meinen Dolch an seinen gewohnten Platz und blinzelte auf meinen Wecker. Super, noch zwei Stunden schlafen! Solange wird der Weltuntergang wohl noch warten können.

Die Tochter des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt