Ich war noch nie so aufgeregt wie in dem Moment, als ich das Klassenzimmer betrat. Tausend Gefühle schwirrten in meinem Kopf herum, so viele wie noch nie. Angst triumphierte jedoch über die restlichen Gefühle. Das nächste Gefühl war Glück, endlich das Gefühl zu haben, ein wenig mehr ich zu sein. Dann kamen noch Verwirrung, Selbstzweifel und undefinierbare Gefühle hinzu. Ich atmete einmal tief ein und aus, bevor ich den Klassenraum betrat.
Ich nahm alles um mich herum nicht war. Später sagte man mir, dass ich verwundert angestarrt wurde. Doch mein Blick galt nur meiner besten Freundin Emily, die gerade an einer Zeichnung saß und mich gar nicht wahrnahm. Erst als ich vor ihrem Tisch stand, blickte sie auf und schaute mich verwundert an. Ich grinste verlegen und spürte die Schamesröte in mein Gesicht steigen, doch ich blickte weiterhin in ihre Augen. »Wie gefällt dir mein neuer Look, Emily?« fragte ich mit fester Stimme, um mir meine Angst nicht anmerken zu lassen. Erst jetzt sah ich die Erkenntnis von Emily in ihrem Gesicht. Sie fing an zu lächeln. Erst ganz wenig, dann immer mehr, bis ihr ganzes Gesicht strahlte. »Du siehst toll aus.« sagte sie zu mir. Ich spürte, dass es aus ihrem tiefsten Herzen kam und sie nicht log. Nun spürte ich auch die Röte aus meinem Gesicht verschwinden, genauso wie die Angst in meinem Inneren. Stattdessen durchflutete mich Erleichterung. Ich fühlte mich auf einmal so leicht wie eine Feder und schwebte geradezu zu meinem Platz. Diesmal nahm ich auch nichts anderes wahr, aber diesmal nicht wegen Unsicherheit sondern durch Freude.
Doch diese Freude wurde unterbrochen, als Cornelius, ein echter Idiot, auf mich zukam. Ich hatte meine Ordner gerade ausgepackt, als sie von ihm wieder herunter geschmissen wurden. »Wie siehst du'n aus, Jenny?« fragte er mich angriffslustig und seine Augen blitzen böse auf mich herab. Ich sog die Luft ein und hielt seinem Blick stand. »Was soll mit mir sein?« fragte ich so cool wie möglich. Zu meiner Befriedigung hörte sich meine Stimme sicher an. Andernfalls hätte ich verloren. »Du siehst aus wie ein Kerl.« antwortete der höhnisch und lachte dreckig. »Und?« fauchte ich ihn an. Ich hatte momentan so gar keine Lust auf Cornelius. Er war der einzige, der mich immer schikanierte, wo er konnte. Er tat einen auf Boss der Klasse, doch eigentlich war er so zart besaitet wie ein Lamm. Er versuchte nur, alles hinter einer harten Fassade zu verstecken. Nicht selten sah man ihn nach einer Prügelei hastig ein paar Tränen aus seinem Gesicht wischen und sich auf einer Toilette verstecken, um dort seinen Frust heraus zu weinen. Das war mein Vorteil, da ich wusste, dass er sich nie freiwillig auf eine Prügelei einließ-besonders nicht gegen ein körperlich überlegendes Mädchen. »Kannst du jetzt bitte verschwinden? Du nervst.« setzte ich noch dazu. »Wie kannst du es wagen, du...«
Doch bevor er anfangen konnte, eine Tirade von Beschimpfungen auf mich los zu lassen, hörte ich Clara's Stimme hinter ihm. »Verschwinde, Cornelius.« sagte sie laut. Ich bemerkte, wie sich einige Köpfe zu uns drehten. Cornelius drehte sich lässig um und musterte Clara von oben bis unten. »Was mischst du dich ein?« fragte er angewidert, doch ich sah feste Entschlossenheit in Clara's Blick und ich wusste, dass sie sich nicht unterkriegen lässt. »Lass sie jetzt in Ruhe, oder ich erzähle allen dein...kleines Geheimnis.« Sie zog triumphierend eine Augenbraue hoch und lächelte siegessicher. Ich merkte, wie Cornelius kurz seine Fassade fallen ließ, doch keine Sekunde später fing er sich wieder. »Nerv nicht!« fauchte er Clara an und verschwand zu seinem Tisch. Dieser Trick mit dem Geheimnis funktionierte immer. Niemand wusste, was Cornelius „kleines Geheimnis" ist, doch damit hatte sie ein unglaublich großes Druckmittel. Selbst wir wussten nicht, was das für ein Geheimnis ist. Sie hat es noch nie jemanden verraten. Ob aus Loyalität gegenüber Cornelius oder wegen dem geeigneten Druckmittel wussten wir genauso wenig.
Lächelnd kam Clara auf mich zu und hob die Hefter am Boden auf. »Gut siehst du aus!« sagte sie zu mir und legte die Ordner fein säuberlich auf meinen Tisch. »Bin ich so leicht zu erkennen?« fragte ich sie belustigt. Sie schüttelte lachend den Kopf. »Sie hat es mir erzählt. Natürlich vertraulich!« sie deutete mit dem Kopf zu Emily, die immer noch in ihrer Zeichnung vertieft war, und zwinkerte mir zu. Seufzend ließ sie sich auf dem freien Platz neben mir plumpsen und packte ihre Sachen aus. Haarklein schob sie ihre Sachen auf dem Platz so lange herum, bis sie dachte, dass sie so am meisten Platz habe und lehnte sich danach zu mir. »Wann bist du zum Friseur gegangen?« fragte sie mich und stütze ihr Kinn auf die Hand. Forschend betrachtete sie mich. »Freitag.« antwortete ich knapp. »Wissen deine Eltern...?« Sie brauchte nicht zu Ende sprechen, da wusste ich schon, was sie meinte. »Nein, sie wissen nichts...« antwortete ich tonlos und starrte konzentriert aus dem Fenster. »Sie sind wieder auf einem Treffen...« flüsterte ich nun mit zittriger Stimme. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und musste mich zusammenreißen um mich zu beherrschen. Meine Eltern waren nicht oft zu Hause. Entweder, sie waren auf Dienstreise oder auf Treffen von ihrer Sekte. Nicht viele wussten, dass sie einer Sekte namens Die Erleuchteten angehören. Sie haben eine eigene Religion, die in der Sekte gepredigt wird. Näheres weiß ich eigentlich auch nicht, nur dass sie unglaublich streng ist. Wenn es nach ihnen gehen würde, würde ich jede freie Minute beten müssen. Doch bald werde ich 16, und dann soll ich ihnen Beitreten. Wenn sie erfahren würden, dass ich lieber ein Junge sein würde, würden sie mich umbringen. Deshalb habe ich Angst vor dem Moment, wenn sie nach Hause kommen...
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Happy End
Novela Juvenil5 Jugendliche mit 5 ungewöhnlichen Schicksalen, die ihr Leben veränderten. Langsam aber sicher verändert sich ihre Persönlichkeit, bis sie nicht mehr so sind, wie sie einmal waren.