1. Burnout ist ein Phänomen unserer Zeit
Ein weltbekannter Architekt sieht plötzlich keinen Sinn mehr in seiner künstlerischen Arbeit und den Freuden seines Lebens. Er beschließt, seine Karriere an den Nagel zu hängen und Europa den Rücken zu kehren, um in einem Leprakrankenhaus in Afrika zu arbeiten. Dort blüht er regelrecht auf. Davon handelt, kurz gesagt, der Roman "A Burnt-Out Case" des britischen Schriftstellers Graham Greene (1904 – 1991). Das Buch stammt aus dem Jahr 1960.
Burnout wird heute als Epidemie wahrgenommen, doch das Phänomen ist längst nicht so jung, wie man glauben mag. Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts begannen Wissenschaftler sich mit diesem Phänomen zu beschäftigen. Als Pioniere der Forschung in diesem Feld gelten der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker Herbert Freudenberger (1926 – 1999) sowie die US-amerikanische Sozialpsychologin Christina Maslach, die 1974 beziehungsweise 1976 erste wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Syndrom veröffentlichten. Aus dieser Zeit stammt auch die ursprüngliche Bezeichnung "Staff Burnout". Freudenberger fasste darunter die Beschwerden zusammen, die er bei überforderten und überlasteten Angestellten in Sozial- und Pflegeberufen beobachtete.
2. Burnout ist eine eigenständige Diagnose
Die am weitesten verbreitete Definition des Burnout-Syndroms stammt von Wissenschaftlern um Christina Maslach. Sie formulierten 1996 drei Kernsymptome: emotionale Erschöpfung, eine subjektiv empfundene verminderte Leistungsfähigkeit oder Wirkungslosigkeit sowie Depersonalisierung, also einen Zustand, in dem sich Betroffene als leblos oder unwirklich empfinden, so dass Körper und Geist wie voneinander losgelöst erscheinen. Dieses Gefühl kann sich auch gegen Mitmenschen oder die Arbeit richten: Man distanziert sich zunehmend von Job und Kollegen oder beginnt diese durch eine zynische Haltung abzuwerten.
Diese Symptome bilden das typische Burnout-Syndrom, aber eine gesicherte Diagnose auf Grund eines anerkannten Klassifikationssystems existiert nicht. Weder das auch in Deutschland geltende Diagnosesystem ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) der Weltgesundheitsorganisation WHO noch das von der American Psychiatric Association publizierte Pendant DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) kennen eine eigenständige Burnout-Diagnose.
Während manche Ärzte fest davon überzeugt sind, dass Burnout eine eigenständige Krankheit darstellt, betrachten es andere als Vorstufe einer Depression. Mitunter wird Burnout gar als Modebegriff gesehen, der lediglich besser klänge als Depression, die in Wahrheit dahinterstecke. Forschungsergebnisse sprechen zwar dafür, dass das Leiden mit Depression verknüpft ist, aber auch hier fehlen einheitliche Befunde.
Dennoch wäre es gefährlich, Burnout leichtfertig als reine Erschöpfung oder einen vorübergehenden instabilen Gemütszustand abzutun. Die Krankheit sollte daher immer sorgfältig abgeklärt und möglichst frühzeitig behandelt werden, um eine schwerwiegendere Erkrankung zu verhindern.
3. Frauen brennen eher aus
Ob Frauen wirklich häufiger betroffen sind als Männer, lässt sich schwer beurteilen. Wilmar Schaufeli, Arbeits- und Organisationspsychologe an der niederländischen Universität Utrecht, und sein deutscher Kollege Dirk Enzmann, der heute an der Universität Hamburg forscht, gingen dieser Frage 1998 in ihrem Buch "The Burnout Companion to Study and Practice" auf den Grund. Ihre Analyse der wissenschaftlichen Studien lässt tatsächlich einen gewissen Geschlechterunterschied erkennen – und zwar im Umgang mit Stress und Verausgabung sowie den Folgen: Während Frauen eher zu emotionaler Erschöpfung neigen, tendieren Männer vor allem zu Zynismus. Grund dafür könnten Geschlechterstereotype sein: Männer versuchen ihre Probleme mit dem Kopf zu lösen, Frauen reagieren dagegen mehr aus dem Bauch heraus, argumentieren die beiden Psychologen. Ein Mann schiebt die Schuld an seinem Stress am Arbeitsplatz der Umgebung oder dem Vorgesetzten in die Schuhe. Eine Frau dagegen leidet emotional stärker unter der sozialen Anspannung.