Amilia wachte mit den ersten Sonnenstrahlen des Tages auf. Sie hatte einen merkwürdigen Traum gehabt: Sie hatte stundenlang bei einem alten Mann gesessen und er hatte ihr von Ländern außerhalb des Tales erzählt.
Sie stand auf. Da sah sie plötzlich ein Armulett auf dem Tisch liegen. Es war kein Traum gewesen. Diese Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. "Amilia!", hörte sie plötzlich einen schrillen Schrei aus der Küche. Schnell lief sie runter. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, brachen hunderte von Anschuldigungen über sie hinein. Doch Amilia hörte gar nicht richtig zu. Irgendwann schien Cynthia fertig zu sein und bestrafte sie mit Hausarrest. Einen ganzen Monat. Das würde sie wohl gerne so haben! Ich werde keine 2 Tage hier im Haus bleiben.
Doch so einfach wieder zu entwischen, wie Amilia sich das vorgestellt hatte, war es leider nicht. Und so nutzte sie die Zeit anders. Aus dem Regal ihres Vaters Dan besorgte sie sich heimlich Bücher, um herauszufinden, ob die Geschichten des Mannes stimmten. Doch in keinem der Bücher wurde etwas von Ländern außerhalb Orkengens berichtet. Also muss der Mann sich einfach etwas ausgedacht haben. Amilia wollte es nicht gerne zugeben, doch sie war enttäuscht. Eigentlich hatte sie gewusst, dass es nicht stimmen konnte. Schließlich hätte sie ja sonst schon mal vorher davon hören müssen. Aber andererseits ist es schon komisch. Es muss doch irgendwas außerhalb der Berge geben...
Gerne würde sie erneut zu dem Mann gehen. Er würde bestimmt mehr darüber wissen. Doch sie hatte nach wie vor Hausarrest. Also beschloss sie einen Plan zu schmieden: Sie würde nachts aus ihrem Zimmer verschwinden und bis zum nächsten Morgen zurück sein. So hätte sie Zeit etwas herauszufinden, ohne dass jemand etwas davon mitbekommen würde.
Abends packte sie sich eine Tasche mit Pergament, Feder, dem Amulett und etwas zu Essen und als alle schliefen, kletterte sie erneut leise aus ihrem Fenster. Vorsichtig öffnete sie die Tür zu Stall. Wie immer begrüßte Nastragal sie mit einem Wiehren. Erschrocken zuckte Amilia zusammen und sah zum Haus herüber. Kurz darauf ging ein Licht an und die eine Tür öffnete sich dort. Schnell schloss Amilia die Tür des Schuppens und versteckte sich im Heu neben Nastagal. Sie wollte gerade wieder herauskommen, als sich die Tür öffnete und sie Cynthia im Licht des Mondes dort stehen sah. Amilia erstarrte. Einige Sekunden stand Cynthia einfach nur dort. Dann schaute sie sich noch einmal um und ging schließlich zögernd zurück ins Haus. Erleichtert stieß Amilia ihren Atem aus. Noch einige Zeit blieb sie dort hocken, als sie etwas an der Schulter anstieß. Erschrocken drehte sie sich um, doch dann sah sie, dass es nur Nastragal war, der sie erwartungsvoll anblickte. Sie musste lächeln.
Wenig später ritt sie los. Das erste Stück des Weges bis zur Lichtung war kein Problem. Doch dann fing es an, schwierig zu werden. Den Weg war sie erst ein einziges Mal geritten und das war nicht im Dunklen gewesen. Zögernd ritt sie tiefer in den Wald.
Nastragal schritt nur zögernd voran. Er hatte Angst - genau wie sie. Doch ihre Entschlossenheit war noch größer und so ließ sie ihr Pferd noch tiefer in den Wald gehen, auch wenn er sich weigerte. Irgendwann war es so dunkel, dass sie kaum mehr die eigene Hand vor Augen sah. Sie stieg ab und tastete im Dunklen nach etwas zum Feueranzünden in ihrer Tasche.
Mit einer kleinen Fackel in der einen und den Zügel in der anderen Hand ging sie zu Fuß weiter. Erst jetzt mit dem Licht erkannte sie wie riesig die Bäume um sie herum waren. Es schien fast, als würden die dunklen Baumgestalten immer näher kommen. Hastig zog Amilia Nastagal hinter sich her. Sie wurde immer schneller, stolperte über Wurzeln, verfing sie in Ästen und Spinnenweben und riss sich ihre Kleidung auf. Raus! Ich muss hier raus! Sofort! Plötzlich fiel etwas aus den Bäumen auf sie herab. Die Fakel erlösch - alles um sie herum war schwarz. Sie hörte Nastragal erschrocken wiehern, dann riss er sich los. Alles, was sie noch wahrnahm, war das Geräusch seiner Hufen, die sich im schnellen Galopp entfernten. Amilia fiel zu Boden. Das Geräusch verschwamm zwischen den Bäumen, bis sie es irgendwann nicht mehr hören konnte.
Ihr Körper lag dort - unfähig sich zu bewegen.
Ihr Mund öffnete sich - unfähig nach Nastagal zu rufen.
Ihre Augen schauten sich suchend nach ihm um - unfähig etwas zu sehen.
Hätte ich doch nur auf ihn gehört.
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Arkengen
FantasyAls Amilia das erste Mal davon hört, dass es eine Welt außerhalb des Tales gibt, will sie nichts anderes als diese zu sehen. Das Volk der Nahren lebt seit Jahrhunderten im Tal Orkengen, durch die riesigen Orken vom Rest des Landes abgeschirmt und s...