Das konnte doch nicht wahr sein. Ich verengte die Augen und beugte mich näher an das Fenster. Außer einer schwach flackernden Laterne, einem vorbeifahrenden Auto und zwei streitenden Nachbarn war niemand mehr zu sehen. Dabei hätte ich schwören können, dass dieser seltsame Typ gerade noch vor der Einfahrt gestanden hatte. Zweifelnd kniff ich die Augen zusammen und versuchte mich an die Person zu erinnern. War es überhaupt ein 'Er' gewesen? Ich war mir nicht mehr so sicher. Mist. Je länger ich versuchte mich an die fremde Gestalt zu erinnern, desto bescheuerter kam ich mir vor. Selbst wenn dort jemand gestanden hatte, war das lange kein Grund sich deswegen so verrückt zu machen. Schließlich hatte ich schon vieles geglaubt, was sich nachher als falsch erwiesen hatte. Somit schob ich diesen Zwischenfall auf meine überstrapazierten Nerven und gönnte mir vorerst einen heißen Kakao mit Sahne und einer ordentlichen Portion Marshmallows. Wenn schon, dann richtig.
Ich war gerade mit der Tasse fertig geworden, als auch schon das typische Türknarzen ertönte und meine Mutter mit zwei mal wieder total übertriebenen Einkäufen, das Haus betrat.
„Hailyn?", hörte ich sie aus der Küche rufen und wusste, dass das darauffolgende Poltern mehrerer Einkaufstüten gehörte, die meine Mutter auf dem Tisch abstellte. Hailyn. Streng genommen war das mein richtiger Name, aber ich war da noch nie sehr begeistert drüber gewesen. Warum hieß ich nicht etwa Alona oder Claire? Wieso hatte meine Mutter mich ausgerechnet Hailyn nennen müssen? Meine Freunde fanden meinen Protest dagegen übertrieben, was er ja auch war, aber ich konnte mich mit diesen sechs Buchstaben einfach nicht anfreunden. Alleine schon die Tatsache, dass meine Oma Hailina geheißen hatte, war mehr als genug Grund, dass mich der Name Hailyn abschreckte. Und die Tatsache, dass sie an Lungenkrebs gestorben war, machte das Ganze auch nicht besser. Also nannten mich alle einfach nur Haily. Haily war okay.
Halbherzig schwang ich mich aus meinem Bett und schlurfte in die noch ausbaufähige Küche, in der meine Mutter bereits beschwingt ihre Einkäufe unterbrachte. Ich hatte immer noch nicht herausgefunden, warum sie jedes Mal für eine ganze Fußballmannschaft einkaufen musste, aber ich konnte mich nicht beschweren. Andere Eltern hätten wenigstens mit einem Auge auf die Figur der eigenen Tochter geachtet, aber Ellen, meine Mutter war bekannt dafür gegen den Strom zu schwimmen. Ich konnte nur meinen Genen danken, dass ich generell nicht dazu tendierte, viel zuzunehmen.
Im Großen und Ganzen war ich mir meiner Mutter nicht sehr ähnlich. Wir hatten zwar beide die kastanienbraunen Haare und diese unheimlich nervigen Sommersprossen, die nicht wirklich in mein Gesicht passten, dennoch war sie um einiges graziler und hatte diese klaren, blauen Augen um die ich sie immer beneidet hatte. Meine hellbrauen Augen hatte ich von meinem Vater und wahrscheinlich auch die Geduld, was man von Ellen nicht behaupten konnte. Die Selbstsicherheit stand immer im starkem Kontrast zu ihrem fast gazellenhaftem Körper. Auch ich hatte mich was meine Figur anging nie beschweren müssen, hatte jedoch lange nicht so eine aufrechte und stolze Haltung wie meine Mutter. Glücklicher Weise waren wir bisher immer ganz gut mit einander ausgekommen und befanden uns nicht in diesen miesen Auseinandersetzungen, wie es viele andere meines Alters es mit ihren Eltern taten. Ellen hatte die Angewohnheit immer ganz direkt auszusprechen, was sie störte, was manchmal echt nervig werden konnte.
„Könntest du mir kurz helfen, die Tüten auszupacken?" Sie hatte sich nicht einmal umdrehen müssen, um zu merken, dass ich gerade den Raum betreten hatte. "Klar, kein Problem", meinte ich lächelnd um mir nicht die typischen Montags-Beschwerden anhören zu müssen.
„Danke, Schatz. Wie war dein Montag?", fragte sie mich dann während sie die letzten Gewürze im Regal verstaute.
Wo sollte ich da nur anfangen? Erschöpft ließ ich mich auf einen der Stühle fallen und erinnerte mich zurück an die letzten Unterrichtsstunden.
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Diavlo - Die Hüter
Teen Fiction》Man weiß nie wer seine Hände noch im Spiel hatte.《 Seit Hailey Woods Neuzugang an der Schule hat, gerät ihr Leben vollkommen aus der Bahn. Das liegt vor allem an Damian Owen, denn mit ihm folgen unerklärliche Zufälle, auf die sich Hailey keinen Rei...