Ich schlurfte ziellos durch die Straßen einer Stadt. Ich wusste nicht mal was für eine Stadt es war. Meine Orientierung hatte ich schon vor langer Zeit verloren und alle Schilder waren seit Jahren entweder entfernt oder nur mit Graffiti zugeschmiert: Vorsicht Zombies!
Ich hatte Hunger, aber das war ja nichts ungewöhnliches. Das lag immerhin in der Natur eines Vampirs. Wir hatten immer Hunger. Doch während einer Zombieapokalypse war es zudem sehr viel schwieriger an Blut zu kommen. Natürlich waren diese hirnlosen Freaks leicht zu erledigen, aber deren Blut war leider ungeeignet. Das ist ja schon komplett geronnen und dieser nervige Virus schmeckt sehr bitter. Wenn ein Vampir infiziertes Blut trinkt passiert eigentlich nichts, außer dass er sich sofort übergeben muss, weil dieser Geschmack wirklich eine Pest ist und er es nicht verträgt. Aber wenn er tatsächlich von einem Zombie gebissen werden sollte stirbt er sehr bald. Warum das so ist verstehe ich allerdings nicht. (Vielleicht ist Zombiespeichel einfach aggressiver als deren Blut? Keine Ahnung.) Ich selber habe das nie miterlebt, aber ein paar reisende Vampire hatten mir das erzählt. Natürlich war es deswegen nicht sicher, ob das wirklich stimmte, aber darauf anlegen wollte ich es jetzt auch wieder nicht. Immerhin war ich ja eigentlich unsterblich, ein Vampir, dem die Sonne nichts anhaben kann. Ich schaute auf mein rechtes Handgelenk, wo sich das Tattoo befand, dem ich das zu verdanken hatte. Eine Hexe, deren Leben ich einmal vor ein paar Hexenjägern gerettet hatte, hatte es mir als Dankeschön gemacht und verzaubert. Es war eine Art Pentagramm mit einer Sonne und einem Mond in der Mitte. Leider werde ich in der Sonne trotzdem sehr geschwächt, aber das erleichtert einem sehr vieles im Leben wenn man sich nicht den ganzen Tag in der Dunkelheit verkriechen muss. Aber dann wäre da natürlich noch dieses Klischee mit dem hölzernen Pfahl, das dummerweise der Wahrheit entsprach. Glücklicherweise glauben die Menschen nach wie vor nicht an Vampire und kümmern sich nur um die Zombies.
Aber wenn ich nicht bald etwas Blut zu trinken bekam würde ich wohl trotzdem sterben. Naja. Nicht wirklich sterben... eher austrocknen und deswegen komplett bewegungsunfähig werden, bis ein paar Zombies meinen Körper finden und sich einen Festtagesschmaus gönnten, was mich letztendlich also doch töten würde. Ich hatte noch einen Tag vielleicht zwei wenns hoch kam, dann aber würde ich einfach ohnmächtig werden und an Ort und stelle austrocknen. Ich musste frisches Blut finden und zwar schnell. Habe ich schon erwähnt wie schwierig das während einer Zombieapokalypse ist? Ach egal... Ich erklärs einfach nochmal ausführlich:
Seit diese Matschbirnen das erste mal das Licht der Welt erblickt haben sind mittlerweile gute fünf Jahre vergangen und die meisten Menschen auf der Welt wurden komplett ausgerottet. Es gab natürlich noch ein paar... Menschen sind fast so wie Kakerlaken, sie überleben einfach alles... Natürlich mit einer stark reduzierten Anzahl, aber dennoch überleben sie es. Es wird mit der Zeit immer schwerer welche zu finden... Mein letzter Snack ist jetzt schon wieder über eine Woche her. Ich brauch wirklich dringend etwas zu trinken...
In solchen Momenten vermisste ich es tatsächlich ein Mensch zu sein. Früher, als es noch keine Zombies gab, fand ich die Sterblichen einfach nur erbärmlich. Sie sind so schwach und können so leicht getötet werden... Aber zu solchen Zeiten haben sie es trotz alle dem viel besser als Vampire. Ich hatte Hunger. Die Sonne schwächte mich zusätzlich und weit und breit nichts zu trinken. Menschen fanden immer irgendetwas, das sie essen konnten, um zu überleben. Als Vampir konnte man nur Blut trinken. Es gab natürlich Blutkonserven, aber sobald man sie öffnete gelang der Virus durch die Luft in das Blut und es wird ungenießbar. Also brauchte man frische Blutquellen.
Als ich so durch die Straßen schlenderte hörte ich plötzlich Schritte. Schnelle, kleine Schritte. Vermutlich auf Zehenspitzen. Das konnte kein Zombie sein. Ich folgte dem trippelndem Geräusch, was mich in eine dunkle Gasse führte. Es war eine Erleichterung mal wieder aus der Sonne zu sein. Am Ende der Gasse stand eine junge Frau. Sie blickte gerade um die Ecke und überprüfte die Gegend vermutlich gerade auf Zombies. Sie hatte lange dunkle Haare, die sie in einem Pferdeschwanz gebändigt hatte. Dazu trug sie eine Tarnhose und ein schwarzes Top. Die zur Hose passende Jacke hatte sie sich um die Hüfte gebunden. Ein riesiger Rucksack war auf ihrem Rücken, an welchem eine Schrotflinte befestigt war. Es war noch eine Halterung frei, welche wahrscheinlich für die Axt, welche sie nah an ihre Brust gepresst hatte, vorgesehen war. Sie schien die ganze Umgebung gründlich ins Auge zu nehmen... außer ihren Rücken. Böser Fehler. Aber ich gehörte nicht zu den Vampiren, die einen von hinten anfallen und töten. Ich unterhielt mich gerne vorher mit meinem Opfer. Also stellte ich mich lautlos neben sie und wartete kurz. Wie sollte ich wohl die Unterhaltung beginnen?
„Hi.", begrüßte ich sie dann schließlich. War zwar ziemlich einfach... aber warum nicht? Die Frau erschrak und schwang die Axt aus Reflex in meine Richtung. Ich hielt sie kurz vor meinem Kopf auf und grinste sie an. „Keine übliche Begrüßung, aber ich bin offen für neues."
Sie atmete schwer und legte eine Hand auf ihren Brustkorb. „T... tut mir leid, aber Sie haben mich zu Tode erschreckt... Respekt. Sie haben gute Reflexe." Sie steckte ihre Axt in die Halterung an ihrem Rucksack, sah mir in die Augen und lächelte mich an. Sie hatte helle blaue Augen, die bei ihrem Lächeln strahlten. Sie war wirklich hübsch...
„Hi. Es ist wirklich schön mal wieder eine lebende Seele zu treffen... Ich hab seit Monaten keinen Menschen mehr gesehen... Wie heißen Sie?"
Ich grinste immer breiter. Sie hat nach wie vor keine 'lebende Seele' oder einen Menschen gesehen.
„Spielt das eine Rolle?"
„Nein, Sie haben Recht."
„Wir können uns doch duzen. In einer solchen Zeit sind sämtliche Höflichkeiten doch wohl mehr als überflüssig."
„Und wieder hast du Recht." sie lächelte mich an. Sie gefiel mir... Tat mir fast schon leid sie töten zu müssen...
Sie musterte mich und runzelte dann verwirrt die Stirn.
„Hast du keinen Proviant dabei? Hast du hier in der Nähe etwa ein Lager? Oh bitte kann ich eine Nacht bei dir verschnaufen? Ich irre schon seit Monaten ziellos in der Gegend herum..."
Ich dachte kurz nach. Ich könnte auch mal wieder ein bisschen Ruhe vertragen und wenn ich sie jetzt komplett aussaugen würde, hätte ich in einer Woche wieder das Problem, dass ich neues Blut brauchen würde... Ich könnte sie manipulieren, dass sie eine Weile bei mir blieb und mir Blut gab. Manipulation war eine der vielen praktischen Fähigkeiten eines Vampirs. Man musste einem Menschen nur tief in die Augen sehen und sich konzentrieren, damit konnte man diesen willenlos machen und alles befehlen, was man nur wollte. Warum ich das noch nicht früher getan habe? Ich habe es getan. Am Anfang der Apokalypse, aber diese Menschen haben mich nach kurzer Zeit schon gelangweilt und so habe ich sie getötet. In den letzten 2 Jahren aber habe ich niemanden mehr gefunden, mit dem ich meine Zeit verbringen wollen würde. Das waren nur diese Machos, die zwar gut gegen Zombies ankommen, aber bei einem Vampir nicht die geringste Chance haben. Eigentlich war es verdammt dumm von mir, sie nur zu töten, weil sie mich nervten oder langweilten. Immerhin ging es hier um mein Überleben, aber darüber hab ich nie wirklich nachgedacht bis es zu spät war und ca. eine Woche danach bereute ich es immer wieder...
Ich befand die Idee, das Mädchen eine Weile zu behalten, für gut und blickte ihr tief in die Augen. „Hör zu. Ich hab kein Lager, aber ich kann auch mal wieder Ruhe brauchen. Was hältst du davon bei mir zu bleiben? Wie ist dein Name?", fragte ich höflich. Ich könnte auch einen auf Arschloch machen, aber wozu?
„Gott sei Dank... Danke! Keine Angst ich mach mich auch nützlich! Mein Name ist Lucy und deiner?"
Das war ungewöhnlich. Normalerweise wird nach einer Manipulation der Blick von den Menschen leer und sie Fragen auch nie etwas sondern führen einfach nur blind Befehle aus... War sie kein Mensch? Nein, sie roch definitiv nach Mensch. Sie war wohl immun gegen Manipulation. Aber warum? Sollte ich sie jetzt töten? Nein. Sie war zu faszinierend. Das war wohl auch der Grund warum ich sie behalten wollte... Ich darf doch so etwas nicht einfach töten. Vor allem nicht in solchen Zeiten... Ob solche Menschen wohl auch gegen den Virus immun... Nein. Das ergibt keinen Sinn. Manipulation erfolgt auf psychischer Ebene und ein Virus greift physisch an.
„Ähm... geht es dir gut?"
Ich blinzelte ein paar mal. Ich war wohl etwas in meine Gedanken versunken.
„Ähm. Ja 'tschuldigung. Ich finde es nur toll mal wieder jemand lebendes getroffen zu haben. Wie sagtest du ist dein Name?"
Sie lächelte mich wieder breit an. „Lucy und deiner?"
„Ich heiße Damian. Freut mich ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Lucy.", sagte ich und machte eine altmodische Verbeugung mit Handkuss. Kitschig? Vielleicht. Aber mir war nun mal danach.
„Die Freude ist ganz meinerseits, Mr. Damian.", antwortete sie mir und machte ebenfalls einen Knicks. Dabei kicherte sie wie ein Schulmädchen. Es war wohl dringend Zeit, dass sie mal wieder jemanden mit klarem Verstand traf.
„So lustig es ja jetzt gerade hier ist... Wir sollten langsam abhauen. Nicht, dass irgendwelche Zombies noch unsere Anwesenheit bemerken. Wo wollen wir denn unser Nachtlager aufschlagen?", fragte sie mich neugierig.
Sorgen um Zombies brauchte sie sich in meiner Nähe nicht zu machen. Ich würde es hören wenn ein solcher in unsere Richtung unterwegs wäre. Das Schlimme war nur, dass meine Sinne sehr getrübt wurden von der Nähe einer potenziellen Blutquelle und mein Hunger nahm mit jeder Sekunde zu. Ich hörte ihren Herzschlag, der ihr Blut durch die Venen pumpte, was mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Zum Glück hatte ich aus den alten Zeiten, in denen Vampire gejagt wurden, schon genug Training in Selbstkontrolle. Das größte Problem bei der ganzen Sache war aber, dass ich sie nicht manipulieren konnte und töten wollte ich sie nicht. Wie also konnte ich dafür sorgen, dass ich ihr Blut bekam ohne dass sie das Weite suchte?
„Ja? Sorry... War in Gedanken... Ich bin's nicht mehr gewöhnt Gesellschaft zu haben. Sonst reicht es, wenn ich einfach nur denke." das war nicht mal gelogen „Wartest du kurz hier? Ich schau nach einem geeignetem Platz für unser Nachtlager."
Sie zögerte kurz. Anscheinend wollte sie mitkommen, gab aber schließlich doch nach, weil sie mich wahrscheinlich nicht verlangsamen wollte. Alleine war man so oder so schneller unterwegs und das musste sie wissen. Sie war immerhin seit Monaten alleine unterwegs. „Na gut. Aber bitte komm schnell wieder!"
Sie strich kurz über meine Wange und ein Kribbeln breitete sich von der Stelle aus, an der sie mich berührte, was sich nach kurzer Zeit über dem ganzen Körper erstreckte. Das hatte ich noch nie, aber es tat verdammt gut. Sollte das etwa Liebe sein? Nein. Das war eher unwahrscheinlich. Das lag wohl eher an dem warmen Blut in ihren Venen, das ich durch ihre Fingerspitzen gespürt habe.
„Versprochen", murmelte ich und schlich anschließend schnell aus der Gasse.
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Apokalypse mit Biss
FantasyDer Vampir Damian ist alleine auf den Straßen einer verlassenen Stadt mitten in der Zombieapokalypse unterwegs. Er sucht nach einem Menschen, dessen Blut er trinken könnte und findet eine junge Frau, die aber gegen seine Manipulation immun ist.