Mein Wecker klingelte gegen sechs Uhr Morgens. Wie immer schaltete ich ihn genervt aus und kroch noch einmal unter die Decke. Ich wollte nicht aufstehen. Am liebsten würde ich immer im Bett bleiben und mein ganzes Leben verschlafen. Ich hasste es, Frühs aufzustehen. Wofür denn? Dass ich in die Schule gehen und mir anhören sollte, dass ich nicht gut genug war?
Seufzend schlug ich die Decke nun beiseite und stand doch auf. Was sollte ich sonst tun? Ich schnappte mir ein paar Sachen und ging dann ins Bad, mich duschen und umziehen. Meine Eltern waren wie immer schon wach und frühstückten bereits.
Meine Mutter besaß einen eigenen Buchladen, in dem ich ab und zu neben der Schule noch aushalf. Die Schule fiel mir nicht allzu schwer, aber ich verstand nicht, warum man auf dem Zeugnis unbedingt 15 Punkte haben musste und nicht nur 13 oder 12 Punkte. Bei uns gab es keine Noten, wir bekamen Punkte. Das System an sich fand ich gar nicht so übel.
Mein Vater arbeitete als Lehrer an einer Oberschule. Sie hatten also beide doch einen gewissen Stand in der Gesellschaft. Wahrscheinlich verlangten sie es deshalb auch von mir.
Ich kam in die Küche und begrüßte meine Eltern erst einmal mit einem fröhlichen "Guten Morgen". Wenn ich nicht fröhlich klang, würden sie mich fragen, was los sei. Was sollte ich antworten? Ich hatte keine Lust auf Schule und will lieber zu Hause bleiben? Das ging nicht, dafür musste ich zum Arzt gehen und Ärzte mochte ich nicht besonders.
"Morgen, Prinzessin", antwortete mein Vater. Während meine Mutter noch immer mit dem Tod meiner älteren Schwester von vor vier Jahren zu kämpfen hatte, schien er irgendwie darüber hinweg zu sein. Er nannte mich irgendwie immer Prinzessin, weshalb auch immer.
"Morgen", grummelte meine Mutter und biss gelangweilt in ihre Scheibe Brot. Seit vier Jahren war sie in ständiger Behandlung, aber es wurde nicht besser. Sie war eben eine liebende Mutter, deshalb verübelte ich es ihr auch nicht.
Das Frühstück verlief wieder ohne Worte. Ich mochte das eigentlich nicht. Reden gefiel mir sehr viel besser und würde mir wahrscheinlich wieder ein Gefühl von Normalität in der Familie geben. Stattdessen gab es mir das Gefühl, dass wir keine Familie mehr waren, sondern nur noch drei fremde Personen, die einfach nur zusammen frühstückten.
"Ich nehme dich nachher mit zur Schule", meine mein Vater, als wir mit dem Frühstück fertig waren und ich meinen Rucksack auf den Flur stellte.
Ich sah zu ihm hoch und nickte. "Danke. Wie lange arbeitet ihr heute?" Ich wollte ja wissen, ob ich auf dem Nachhauseweg noch etwas holen sollte. Wenn sie lange arbeiteten, dann konnte ich ihnen ja das Abendessen zubereiten. Das hatte ich schon recht lange nicht mehr getan. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie mir das einfach nicht zutrauten. Thalia hatten sie es zugetraut.
"Wir haben heute Lehrerkonferenz. Bei mir wird es heute spät." Mein Vater sah zu seiner Frau, die ihren Kopf erschrocken hob. "Ja, ich arbeite heute bis nach um sieben."
Ich nickte ihnen zu. "Dann mache ich heute das Abendbrot und gehe auf dem Nachhauseweg einkaufen. Brauchen wir etwas Bestimmtes?"
In der Schule angekommen ging ich zugleich in mein Klassenzimmer. Dort war es schon recht voll. Ich setzte mich einfach auf meinen Platz und packte mein Schulzeug aus. Ich ging noch einmal den Schulstoff der letzten Stunde durch, falls sie doch eine unangekündigte Arbeit schreiben würden.
In der ersten Stunde hatten wir Deutsch. Ich mochte Deutsch nicht wirklich. Ich liebte es, Fremdsprachen zu lernen und Bücher zu schreiben, ebenfalls auch in verschiedenen Sprachen. Deutsch war trotzdem nicht so mein Ding, obwohl das wohl an der Lehrerin lag, denn diese konnte ich einfach nicht leiden. Sie konnte mich aber auch nicht leiden.
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Ihr 101. Wunsch
Teen Fiction(Cover wird überarbeitet) Thalias Eltern sind am Boden zerstört, ihre 18-jährige Tochter wird nach einem schweren Herzinfarkt ins Krankenhaus gebracht. Sie kann nur noch durch ein Spenderherz überleben. Ihre Blutgruppe ist so selten, dass sie es nic...