"Guten Abend, Mei."
Erschrocken drehte ich mich um. Ach, scheiße!
Hinter mir stand niemand anderes als Michael. Er war in Begleitung eines fremden Mannes, doch ich beachtete ihn kaum. Mich wunderte es, dass ich seine Präsenz nicht bereits erahnt hatte. War ich tatsächlich so von meinen Gedanken abgelenkt gewesen? Ihn schien nun in der Nacht ein merkwürdig heller Schein zu umgeben und das Gleiche galt auch für seinen kleinen Freund. Michael schien sich zu zwingen einen möglichst ruhigen Anschein zu machen, doch der andere Engel hingegen sah mich mit einem so Herzzerreißenden Blick an, dass ich mir vorkam, als hätte er soeben einen Geist gesehen. Sah ich etwa so schlecht aus?
"Michael", presste ich hervor und ballte instinktiv meine Hände zu Fäusten, "dachte du würdest nicht mehr zurückkommen."
"Als hätte ich das wirklich gekonnt", er lachte leise, "darf ich dir Uriel vorstellen?"
Er deutete auf seinen Kameraden und ich nickte diesem nur zu.
"Mei Griffiths, verzeihen Sie mir, aber...", Uriel stotterte, als er sich mir näherte. Ich wollte ihm ausweichen, doch ehe ich konnte stand er nur wenige Zentimeter von mir entfernt.
"Ähm?!", ich setzte zu einem Schlag an, doch ohne seinen Blick von meinen Augen zu wenden hielt er meinen Arm in der Luft auf. Verdammt! Mir lief ein unangenehmer Schauer über den Rücken. Es war, als hätte Uriel mir so eben jede meiner Erinnerungen geraubt und als wüsste er jedes noch so intime Detail meines Lebens.
"Was hat er getan..?", hauchte er und seine so klaren Augen füllten sich mit Trauer.
"W-Was?", ich zitterte. Hatte er nun endlich gesehen, was mir Mike damals angetan hat?
"Stimmt es, was Gabriel gesagt hat?", Michael stand noch immer an der selben Stelle wie zuvor.
"Es ist wahr", Uriel trat einen Schritt zurück, "er hat sie verunreinigt."
"Verunreinigt?", war ich etwa ein Stück Kleidung oder was?
Auch Michael schien noch blasser zu werden, als er ohnehin schon war. "Wie konnte er nur?"
"Können wir sie wieder zusammen fügen?", Uriel wandte sich seinem Bruder zu, während ich sie beide einfach nur anstarrte. Was wollten sie von mir? Eigentlich sollte ich mittlerweile über alle Berge sein!
"Unmöglich. Eine Seele in dem Zustand? Er hat sie zerstört! In Tausend Stücke zerteilt! Einfach auseinander gerissen! Dieser Bastard!", irgendetwas in Michaels Augen ließ mich erschaudern. Seine Stimme hatte einen überirdischen Ton angenommen, der die Erde zum Beben brachte. Ich hatte das Verlangen einfach wegzurennen, doch ich konnte nicht. Es war falsch erneut zu gehen. Ich wollte endlich Antworten auf das alles.
"Wir könnten auch-", begann Uriel.
"-Ihre Existenz löschen?", fuhr Michael fort.
"Es wäre besser als für alle Ewigkeit zu leiden, findest du nicht?"
"Ich stimme dir ganz zu. Also, Mei Griffiths, was sagst du?"
"Wovon redet ihr?", ich versuchte diese Worte so harsch wie möglich klingen zu lassen, doch wahrscheinlich konnte man genau hören, dass ich eigentlich nur panische Angst vor allem hatte.
"Wovon wir reden?", Michael begann laut zu lachen, "sie will wissen wovon wir reden!"
"Michael", Uriel hielt ihn fest, "beruhige dich. Es war doch zu erwarten, dass sie es nicht versteht."
Michael atmete tief ein. "Richtig, richtig."
"Lucifer scheint dich zu Dingen getrieben zu haben, die dich - oder eher deine Seele - zerrissen haben", erklärte mir Uriel knapp.
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What's up, Lucifer?
ParanormalWas eigentlich der Anruf eines Schutzengels werden sollte, stellte sich als ein Irrtum heraus. Und nun sitzt Mei wortwörtlich der Teufel im Nacken. Cover by Ryneia #2 in Übernatürliches am 25.05.16