4. Kapitel

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Als wir H&M verließen trug jeder von uns eine große Tüte mit sich. Rebecca hatte mir 36€ geliehen. Dass ich gleich mein ganzes Geld hätte mitnehmen, und mir somit die penliche Subway-Kassen-Szene hätte ersparen können, wagte aber keiner von uns zu sagen.

Für sie hatten wir ein trägerloses weißes Kleid mit hellblauen Schmetterlingen unterschedlicher größe darauf ausgesucht, und für mich eine kurze Hose aus magetafarbenem Stoff und ein enges schwarzes Crop-Top. Ich hatte eigentlich nur so tun wollen als würde ich mir etwas aussuchen, aber als sie mir diese Kombination vor die Nase gehalten hatte, hatte ich nicht wiederstehen können. Das war Liebe auf den ersten Blick gewesen! Da der Spiegel in der Umkleide mir das nur noch bestätigt hatte, hatte ich mich von meinem Geldmangel auch nicht mehr hindern lassen.

"Ich bin froh das du dir doch noch was ausgesucht hast", fing Becky an, "unsere Outfits sind echt der Hammer"

"Ja die sind echt toll geworden, so kriegen wir jeden rum", scherzte ich.

"Nein...", antwortete sie mit einem Blick auf ihr Handgelenk, das von einer Swatch geschmückt wurde, während ich sie fragend ansah, "Nein, wir brauchen noch passende Schuhe! Es ist noch nicht spät, wir haben noch ungefähr eine Stunde"

Obwohl sie fest davon überzeugt zu seien schien, dass unsere Shopping-Tour noch nicht beendet war, versuchte ich sie davon zu überzeugen das wir nach Hause gehen sollten. Ich benutzte Argumente wie: "Ich hab doch eh kein Geld mehr" oder "wir haben schon genug Schuhe", doch sie hörte mir nicht zu. Sie dachte nur fieberhaft darüber nach wie sie mich dazu zwingen konnte eine Schuh-Spende von ihr anzunehmen.

"Wann hast du nochmal Geburtstag?", fragte sie halb nachdenklich, halb scherzhaft.

"In sieben Monaten."

"Dann sieh es als nachträgliches Geburtstagsgeschenk für deinen Siebzehnten.", antwortete sie entschlossen.

"Becky, du weißt dass das nicht geht!", versuchte ich zu protestieren, obwohl ich wusste das es nutzlos war.

"Lass uns doch wenigstens die Schuhe ansehen, wir müssen ja nichts kaufen", eine glatte Lüge, Aber ich ließ mich trotzdem in das Geschäft schleifen.

Meine neuen schwarzen Wedges waren zwar relativ billig gewesen, dennoch hatte ich am nächsten morgen ein schrecklich schlechtes Gewissen. Becky hatte mehr als genug Geld - sie arbeitete als Babysitterin - doch ich wollte keine Almosen annehmen müssen.

Als ich in die Küche ging um mir einen Joghurt zu holen, überraschte mein Vater mich. Ich war meinen Eltern gestern zwar erfolgreich aus dem Weg gegangen, aber ich war nicht so naiv dass ich dachte , eine Konfrontation mit diesem Brief auf ewig hinauszögern zu können.

"Da bis du ja", begrüßte er mich nicht gerade erfreut, "wir haben schon darauf gewartet dass du aus deinem Versteck kommst"

"Jaaa... es tut mir Leid", war das einzige was mir als Antwort einfiel, obwohl ich nicht genau wusste, was mir Leid tat.

Er bedeutete mir, dass ich mich setzten sollte, ich blieb aber stehen, was er mit einem missbiligenden Blick zuließ.

"Hör zu", begann er und nahm auf einem Stuhl am Esstisch platz, "Ich weiß, dass du versuchst dich in Englisch selbst zu retten weil du schlau bist und denkst, dass du das alleine und ohne Nachhilfe schaffst, aber das geht so nicht weiter. Ich bin deiner Lehrerin dankbar, dass sie mir den Brief geschrieben hat, denn die Sommerschule scheint mir die perfekte Lösung zu sein. Du-"

"Aber Dad!", schnitt ich ihn das Wort ab," Das kannst du nicht machen! Ich-"

"Unterbrich mich nicht!", fuhr er etwas lauter als vorher fort. Wer war es jetzt, der jemanden unterbrach?

Er sah den Tisch an: "Entweder du gehst in die Sommerschule, oder du darfst dir selbst einen Nachhilfelehrer bezahlen"

"WAS?! Aber ich hab doch gar kein Geld!"

"Dann such dir einen Job. Das ist doch was, die Hälfte deiner Sommerferien arbeitest du und die andere Hälfte hast du Nachhilfe"

"NEIN!", kreischte ich wütend, schnappte mir hecktisch mein Joghurt und wollte mich in mein Zimmer flüchten, doch als ich auf der Treppe war klingelte es an der Tür. Ich wollte mich davon eigentlich nicht stören lassen, aber dann sah ich dass es Rebecca war. Ich riss die Tür auf und stampfte in mein Zimmer. Weil ich mir sicher war das sie mir folgte, schaute ich micht nicht nach ihr um.

Ich schmiss mich auf mein Bett während sie die Tür schloss.

"Was ist passiert?", fragte sie besorgt, "Weinst du?"

"Nein, ich weine nicht, wie kommst du darauf?", nuschelte ich in mein Kissen, "Ich bin einfach nur wütend!"

Sie beobachtete mich, während ich versuchte mein Kissen mit Faustschlägen zu töten.

"Und was war jetzt?", fragte sie mich als ich mich wieder abgeregt hatte.

Das war etwas was ich an ihr liebte. Sie versuchte nie mich zu trösten oder mich zu beruhigen, weil sie genau wusste das ich das nicht mochte. Sie war einfach nur für mich da wenn ich bereit war zu reden. Und das war genau das was ich jetzt brauchte.

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