Ich wusste nicht, was ich nun tun sollte. Nach einem Augenblick der Resignation beschloss ich, die Gegend zu erkunden. Ich ging die Treppe hinunter. Mein Vater war nirgends zu sehen. Er hatte von einem Anbau gesprochen. Ich wollte ihn suchen. Entschlossen griff ich nach der Haustürklinke. Ich versuchte sie herunterzudrücken, um das Haus zu verlassen. Umgehend stieß ich auf Widerstand. Nicht einen Zentimeter ließ sich die Klinke bewegen. Und schon wieder fragte ich mich, was das hier für ein Scheiß ist. Ich drückte mit aller Kraft auf die Klinke, sprang hoch und nutze mein ganzes Körpergewicht, um die Klinke zur Aufgabe zu bewegen. Sie rührte sich keinen Zentimeter. Wütend stand ich vor der Tür und sprach einen Fluch aus. »Verdammtes Stück!«, schrie ich die Tür an. Plötzlich streifte mich ein eiskalter Wind. Es war, als wäre die Tür aufgegangen und die Winterluft eilig hereingestürmt, um sich zu wärmen. Aber erstens war die Tür noch immer verschlossen und zweitens herrschten draußen sommerliche Temperaturen. Woher kam der eisige Luftzug?
Ich hatte keine Gelegenheit, darüber nachzudenken. Die Tür öffnete sich und meine Mutter trat ins Haus. Ich musste zur Seite springen, damit ich die Tür nicht ins Gesicht bekam. Erst schien sie mich zu übersehen. Knallte die Tür zu und wollte an mir vorbei ins Haus stürmen. Sie hielt jedoch inne. »Hallo Schätzchen«, quietschte sie. Ich hasse es, wenn sie mich Schätzchen nennt. »Es ist so wunderschön hier.« Ich fiel ihr ins Wort, bevor sie über die vielen Spinnen, Blumen und Bäume ins Schwärmen kommen konnte. »Ihr müsst die Tür reparieren lassen, die Klinke lässt sich nicht bewegen.« Ich zeigte die glänzende Klinke, von der ich den Eindruck hatte, sie würde unschuldig drein blicken. Meine Mutter guckte irritiert und legte ihre Hand auf das schmale Metall. Zaghaft drückte sie diese herunter und die Tür sprang schwungvoll auf. Herein strömte die warme Sommerluft. Meine Mutter schaute triumphierend und schwebte auf ihre abgehobene Weise davon. Offensichtlich war die Tür zuvor verklemmt gewesen. Ich ärgerte mich über die Genugtuung, die meine Mutter soeben erlebte. Ich trat vor das Haus und stand oben auf dem Treppenabsatz. Ich sah mich um. Mir entglitt ein Seufzer. Zugleich knallte mit einem ohrenbetäubenden Rumms die Tür ins Schloss. Ich erschrak und zuckte so heftig zusammen, dass ich die Stufen herunterstolperte. Mein rechter Fuss knickte um. Ein stechender Schmerz durchfuhr mich und zog bis ins Knie hoch. Ich setzte mich auf die unterste Stufe und hielt mir den geschundenen Fuß. Mit einem verhassten Blick, schaute ich über meine Schulter auf die Tür. Warum hatte ich das Gefühl, die Tür würde mich angrinsen? Ich disziplinierte mich. Forderte mich auf, meinen Verstand einzuschalten und dem Knöchel die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Ich konnte es zwar nicht sehen, spürte jedoch, wie sich die Schwellung im Schuh einen Weg suchte. Ich erhob mich. Der Versuch aufzutreten misslang. Die Suche nach dem Anbau würde ich verschieben müssen. Ich versuchte die Stufen empor zu humpeln. Mangels eines Geländers fand ich keinen Halt. Ich ließ mich auf die zweite Stufe fallen und hievte mich auf dem Po sitzend von Stufe zu Stufe. Erneut hoffte ich, dass die Augen hinter den Nachbargardienen Besseres zu tun hätten, als hierher zu schauen. Auf der obersten Stufe angekommen wollte ich an die Tür klopften. Hoffnung darauf, dass meine Mutter dies hören würde, hatte ich nicht. Zu einem Anklopfen kam es allerdings gar nicht. Wie von Geisterhand öffnete sich die Tür, bevor meine Fingerknöchel sie überhaupt berührt hatten. Sie war vor wenigen Minuten lautstark ins Schloss geknallt. Warum sprang sie berührungslos auf? Mich ergriff erneut ein eiskalter Schauer. Ich spinne. Alles völlig verdreht hier. Selbstverständlich lässt sich alles erklären. Und wenn einer Erklärungen finden kann, dann jawohl ich. Lediglich eine völlig defekte Schlossanlage konnte diese Umstände verursacht haben. Wie ich schon sagte, ein Kapuchel. Ich griff nach dem Türknauf und zog mich daran hoch. An der Flurwand verlief eine abgesetzte Holzvertäfelung. Daran konnte ich mich abstützen und ins Haus humpeln. Aus dem hellen Sonnenlicht kommend, konnte ich das Innere des Hauses nicht erkennen. Ich blickte in ein tiefes Schwarz. Langsam voran tastend suchte ich die Tür zum Wohnzimmer. Ich wollte mich bequem hinsetzten um vorsichtig den Schuh ausziehen. Ich humpelte voran und voran. Wo blieb die Tür? So groß war dieses Haus gar nicht. Anscheinend hatte ich aufgrund der Schmerzen das Gefühl, viel mehr Strecke zurücklegen zu müssen, als bei der Hausbegehung mit Paps.
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Geistreiche 13
Teen FictionJoe ist 13, meistens schlecht gelaunt und ihr Leben ist einfach nur schrecklich. Als sie dachte es könnte nicht mehr schlimmer werden, offenbaren ihr ihre Eltern, dass sie von der Großstadt in ein abgelegenes Dorf im Sauerland ziehen. Das neuerworbe...