Vergänglichkeit

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Der Frühling neigte sich dem Ende zu und so sank sein Glücklichsein immer mehr

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Der Frühling neigte sich dem Ende zu und so sank sein Glücklichsein immer mehr. Denn Sakura würde bei Fall der Kirschblüten nicht wieder zwischen den Bäumen zu finden sein. Sie beide würden also für lange Zeit nicht wieder gemeinsam unter den Bäumen lachen können. Erst, wenn die Knospen wieder sprießten.

Am Tag, an dem die letzte Kirschblüte fiel, fragte sie ihn vermehrt, was mit ihm los sei. Doch er hatte Angst, ihr zu sagen, dass er den Abschied fürchtete. Deshalb antwortete er lediglich, dass sein Tag besonders anstrengend gewesen sei. Sie schaute zwar skeptisch und er wusste, dass sie es ihm nicht glaubte, doch sie beließ es dabei, worüber er sich freute.

,,Raph?" Sie legte das schmale Lesezeichen in ihr Buch und legte es auf ihre ausgestreckten Beine. Sie lehnte mit dem Rücken an der großen Kirsche und sah nun von ihrem Buch auf. Raphael legte seinen kleinen Bleistift zu seinem Block, der auf der Decke, neben Sakura's Beinen lag. Er selber lag mit dem Bauch auf der Decke, stützte sich mit seinen Ellenbogen ab und blickte zu ihr hoch. In ihre wunderschönen grauen Augen. ,,Ich will nicht gehen." Ihre melancholische Stimme brach ihm das Herz. Er wollte ebenfalls nicht, dass sie ging. Wie gerne er den Rest seines Lebens mit ihr unter den Bäumen verbringen würde. Im Sommer, wenn sie die Kirschen pflückten, im Herbst, wenn die grünen Blätter sich braun färbten, im Winter, wenn die kahlen Baumkronen vom dichten Schnee bedeckt waren.

,,Deine Großeltern brauchen dich, das hast du mir gestern noch erzählt. In genau einem Jahr bist du wieder hier", bei diesen Worten ließ er ein falsches Lächeln sein Gesicht verzieren. Er wollte zwar nicht, dass sie ging, aber es war nicht sein Recht, zu versuchen, sie bei sich zu behalten, wenn es jemanden anderes gab, der sie brauchte. So weh es ihm auch tat, es war das Richtige.

Sie blickten sich eine Weile in die Augen, bis sie ihr Buch neben seinen Notizblock legte und sich neben ihn auf den Rücken legte. Ihre Oberschenkel berührten sich sanft, weshalb eine Gänsehaut ihn durchfuhr.
Sie blickte zu ihm auf, mit ihren strahlenden Augen. Ihre Gesichter waren nicht weit voneinander entfernt. Ihre Augen glitzerten und ihre sonst blassen Wangen waren leicht rosa. Ihre goldenen Locken lagen wild um ihren Kopf. Bei diesem Anblick überschlug sich sein Herz. Sie war so wunderschön. ,,Ich will lieber bei dir bleiben", wisperte sie. Er spürte den warmen Hauch an seinen Lippen. Sein Herz blieb diesmal für den Bruchteil einer Sekunde stehen.

Ihre Augen funkelten stärker, als sein ganzer Mut sich sammelte und er ihr federleicht mit seinen Fingerspitzen über ihre rosafarbenen Wangen fuhr. Seine Fingerkuppen brannten bei der Berührung ihrer Haut. Sie glich einem Engel, für ihn war sie vollkommen. Er wusste, er würde alles für sie tun und er wusste, er würde immer auf sie warten, egal wie sehr sein Herz leiden müsste.

Er hatte seinen Kopf in seine Hand gestützt, während er sanft seine andere Hand auf ihre Wang legte. Mit seinem Daumen berührte er zaghaft ihre volle Unterlippe. Sie schloss bei der Berührung ihre schönen Augen und ihr Kinn hob sie etwas an. Ihre lange Wimpern schlugen Schatten über ihre Wangen, als die Sonne langsam hinter den Bergen kleiner wurde.

Er hob seinen Kopf von seiner Hand, um sich zu ihrem Gesicht zu bücken. Er wollte es tun. Er wollte seinem Herzen den Wunsch erfüllen. Er wollte sich den Wunsch erfüllen. Ihre Nasenspitzen berührten sich fast, wodurch er ihren zittrigen Atem spürte. ,,Bleib diese Nacht hier. Bei mir", hauchte er diesmal gegen ihre Lippen. Sein Herz spielte verrückt und sein ganzer Körper zitterte. Er spürte das Adrenalin in seinem Blut rauschen.
Sie öffnete langsam ihre Augen, wodurch ihre Wimpern seine Wangen kitzelten. Beide Augenpaare funkelten, schienen sich aufsaugen zu wollen.

Sie antwortete ihm nicht, ihre Lippen öffneten sich leicht, als sie ihren Kopf ein kleines Stück weiter anhob, sodass ihre Lippen sich fast berührten. Der Atem beider war unregelmäßig und zitternd. Beide Brustkörbe hoben und senkten sich schnell und beide Herzen schlugen im Takt. ,,Ich bleibe bei dir." Es war lediglich ein feiner Windzug, der ihre Lippen verließ.

Sein Ausdruck wurde glücklich, zufrieden, erleichtert. Sein Blick klärte sich. Er legte seinen Block weg, um sich aufzurichten. Es war dunkel und ein frischer Wind wehte, er musste wieder ins Haus.

Das war der letzte Frühlingstag. Bei diesem Gedanken spürte er die aufkommenden Tränen. Er hätte diese letzte Chance nutzen können. Er hätte sie nutzen sollen. Doch er tat es nicht. Erneut hatte er die Gelegenheit nicht genutzt. Er sah bloß der Silhouette des Mädchens hinterher, das ihn Tag für Tag verzaubert hatte. Das Mädchen, das er unzählige Male aufgezeichnet hatte. Das Mädchen, das diese goldenen Locken besaß. Das Mädchen, das er nie aufgehört hatte zu beobachten. Das Mädchen, das ihm den Frühling einleitete. Das Mädchen, das auf seiner Zeichnung, in seinem Notizblock kein Gesicht besaß. Sie ging hinfort, ohne sich zu ihm zu drehen, ihn anzusehen, ihn anzulächeln.

Die erste Träne rollte über seine Wange. Wieso sollte sie ihn anlächeln, wenn sie ihn nicht kannte. Sie hatte ihn nie gesehen. Sie hatten nie miteinander reden, lachen können. Sie hatten sich nie anlächeln können. Sie hatten sich nie verlieben können. Und das war seine Schuld. Er hatte nie den Mut dazu gehabt, zu ihr hinunter zu gehen. Er hatte Angst, und das war der Grund, warum er nie ihren Namen erfahren würde.
Er hatte sich diese Steine selber in den Weg gelegt. Und nun sah er zu, wie das Mädchen, das ihn glücklich machen könnte, welches er glücklich machen könnte, ging und nie wieder auftauchte. Sie blieb bloß eine Erinnerung aus seinem Hirngespinst.

Cherry BlossomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt