How to: Live with Youtube

Bye bye!

"Hey bist du jetzt endlich fertig?" fragt mich meine beste Freundin und ich trage noch schnell am zweiten Auge Mascara auf, dann verlassen wir das Haus und steigen in das Taxi. Ich freue mich schon mega auf die eine Million Party, die ich mit meinen Freunden im größten Club der Stadt feiere.

Als wir angekommen sind und aus dem Auto steigen empfängt uns warme Luft und laute Stimmen. Menschen stehen dicht gedrängt vor dem Eingang und warten darauf reinzukommen. Aber nicht nur darauf, sondern anscheinend auch auf mich.
"Kann ich ein Foto haben?"
"Ja, ich auch bitte."
"Du bist die beste! Ich liebe dich!"
Ich lächle und fange an mit den Leute zu quatschen. Nachdem ich um die zehn Fotos gemacht habe, fühle ich mich noch besser, als es vorher schon war. Krass zu hören, wie sehr man Leute schon glücklich gemacht hat und wie sehr eine Community hinter einem steht. Seit gestern muss ich immer wieder an mein erstes Video denken: "Leute happy machen". Ich war damals so stolz drauf.
Fucking unbeliveable.

Da ich mit einem der Türsteher befreundet bin, gehe ich an der Schlange vorbei und flüstere Eric ein paar Worte ins Ohr. Er grinst und lässt mich rein. Drinnen treffe ich auf meine ganzen Freunde. Die Bässe sind laut und der DJ geht ziemlich ab. Spots blinken und Leute tanzen schon halb betrunken auf der Tanzfläche. Wir gehen zur Bar und stoßen mit einem Wodka auf den Abend an. Ein paar verschwinden auf die Tanzfläche ich bleibe noch stehen und gönne mir gleich einen zweiten Shot, der brennt wie Hölle, aber ich genieße es. Im ziemlich schlechten Licht kann ich erkennen, dass nun mittlerweile alles tanzt. Die Musik ist noch lauter und die Spots noch verrückter, der DJ bringt den Laden hier zum kochen.

Ich gehe auf die Tanzfläche und fange an zu tanzen. Meine Freunde bilden eine Kreis um mich und wir dancen Mal so richtig ab.

"Eeee jooo. Snapchat, was geht?" schreie ich und hoffe das man das irgendwie verstehen kann. dann filme ich mich wie ich zur Musik tanze, mitsinge und Spaß habe. Und dann... packe ich mein Handy weg. Vielleicht ist das einer der Nachteile wenn man Youtuber ist. Ständig am Handy, deshalb genieße ich den Moment nur für mich und trinke den nächsten Shot. Der Absturz beginnt...Wir hüpfen zur Musik auf und ab, halten unsere Hände in die Höhe und ich genieße diese Gefühl, das ich seit gestern habe. Ein bisschen wie high, frei und wild. Ich werde von eine Typen angetanzt und ich drehe mich zu ihm um. Bei diesem Lied hopst niemand, jeder tanzt für sich. Er legt seine  warmen Hände in meinen Nacken und zieht meinen Kopf zu sich.

"Du bist hübsch!" schreit er mit einer tiefen Stimme  in mein Ohr. Ich lächle den Mann mit ziemlich freshen Bart und Haaren an. Er legt seine Hände um meine Hüfte und ich verschließe meine Hände in seinem Nacken. Leute, normalerweise bin ich echt nicht so, aber heute; scheiß einfach drauf. Heute wird abgefeiert, man bekommt schließlich nur einmal im Leben eine Million Abonnenten auf Youtube.

Ich fahre mit meinen Händen seinen starken Rücken entlang. Mit meinem Zähnen beginne ich an seinem Ohr zu knabbern und er lässt sein Hände tiefer wandern. Ich schmiege meinen Körper an seinen austrainierten Oberkörper und fahre durch seine rotblonden Haare. Er beugt sich zu mir runter und küsst mich auf die Lippen. Nicht sanft sondern ziemlich wild, auch gleich mit Zunge. Für meinen Geschmack etwas zu wild, ich drücke ihn ein bisschen weg von  mir. Verwirrt sieht er mich an, ich drehe mich um und laufe zur Bar. Ein Shot. Und genau einer dieser Gründe, warum ich keinen ranlasse. Noch ein Shot. Und schon ist es mir wieder scheiß egal.

Ich lade ein Bild auf Instagram hoch und lese nochmal die Privatnachricht von Jan Meyer durch. Alter, er hat das geschrieben. Ich will die App schon wieder verlassen, weil meine Freunde schon winken, doch dann klicke ich unbeabsichtigerweise auf  "Following" und sehe was die Leute so gelikt haben. Und ich sehe das Bild eines Doms. Einer Stadt.

Und als ich dieses Bild sehe, fängt mein Kopf an, eine Idee zusammenzuspinnen.

Nach gefühlten hundert Shots und drei andere Typen, nach denen ich ein Trauma hatte, steigen wir um ca. 5 Uhr ins Taxi ein. Ich schlafe den ganzen Tag und esse erst am Abend mein Frühstück.
Ich erinnere mich an gestern Abend. So ziemlich alles habe ich vergessen, bis auf diese eine Idee.
Der Dom. Diese Stadt. Diese Menschen die dort wohnen.
Das alles ist wahrscheinlich der Grund, warum ich diese Idee habe.
Ich schnappe mir meinen Laptop und google nach einer Wohnung.
Passt sogar in mein Budget.

Ich schlafe noch eine Nacht drüber, am nächsten Tag rede ich mit meiner Mum darüber.
"Wird ja auch langsam Zeit, dass du ausziehst." grinsts sie und stellt den Honig auf den Tisch.

Da meine Eltern anscheinend am liebsten ihre Ruhe vor mir hätten und froh sind, das ich eingenständig bin, beschließe ich es durchzuziehen. Was hält mich hier noch?

**4 Tage später**

Die Sache mit der Wohnung ist geregelt und Dinge wie mein Bett und mein Schreibtisch sind schon dort. Ich nehme meinen Koffer und eine Taschen und gehe zum Taxi. Ich werde mit dem Zug in die Stadt fahren.
Von meinen Freunden habe ich mich schon am Vortag verabschiedet, aber seid ich auf der Straße erkannt werde, sind wir nicht mehr so eng.
Während der Fahrt schweifen meine Gedanken immer wieder zu den letzten zwei Wochen. Mein Leben fängt anscheinend zu rollen an. 1 Million. Party. Umzug.
Ziemlich viel für eine 19 Jährige...
"12,50 bitte" schnarrt der Fahrer nach hinten. Ich gebe ihm das Geld und steige aus. Dann gehe ich zum passenden Bahngleis und steige in den schon wartenden Zug.
Der Sitz ist echt bequem, ich hole mein Handy raus und drücke auf Zufallswidergabe bei meiner Musik.
Thirft Shop.
Ich starre aus dem Fenster und sehe wie schnell die Landschaft vorbeirauscht.
Das alles wird wahrscheinlich das größte Abnedteuer meines gesamten Lebens. Einfach mal so in ne' andere Stadt ziehen. Ohne große Überlegungen.

Nach ca. 3 Stunden Fahrzeit steige ich mit meinem ganzen Zeug aus. Ich atme die Luft tief ein.
'Vergesst wer ich war, vergesst meinen Namen'
That's my new fucking life baby!