• ÜBERWINDUNG •

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„Marco?!", quiekt plötzlich jemand hinter uns.

Erschrocken fahren wir auseinander. „Äh! Wir... Es ist nicht so wie es aussieht!", stottere ich verzweifelt. Hilfesuchend sehe ich zu Marco, aber er fährt sich nur gelassen durch die Haare und zuckt mit den Schultern.

Die Frau vor uns steht mit verschränkten Armen da und starrt uns nieder. Ihr Kleid ist sogar noch kürzer als meins...

„Wie kannst du es wagen dich an ihn ranzumachen?! Alle wissen doch, dass ich mit ihm hier bin! Wie alt bist du überhaupt?! 15?!" Wütend kommt sie auf mich zu gelaufen und hat binnen Sekunden die Küche durchquert. Hätte Marco sich nicht schützend vor mich gestellt, wäre ich wahrscheinlich weggelaufen.

Er packt sie an den Schultern und hält sie von sich. „Hör zu Amy, das ging alles von mir aus. Wenn du auf jemanden sauer sein möchtest, dann doch bitte auf mich! Außerdem hast du da was missverstanden... Nur weil ich dich mit her genommen habe, bedeutet das nicht, dass du einen Exklusivanspruch auf mich hast. Ich tue was ich will, mit wem ich will! Und jetzt lass uns gefälligst in Ruhe.", fährt er sie aufgebracht an und ich versteife mich aufgrund seines harschen Tons. Will ich wirklich etwas mit jemandem haben, der so mit anderen Menschen umgeht? Ich meine, schließlich ist er mit ihr her gekommen...

„Du bist ein verdammtes Arschloch!" Ich kann Amy ansehen, wie sehr seine sie Worte verletzt haben, auch wenn sie versucht, dies durch ihre Aussage zu verschleiern.

„Tja Schätzchen, du hast gewusst, worauf du dich einlässt!" Noch immer liegen seine Hände auf ihren Schultern und ich denke an die Situation vor ein paar Sekunden zurück... 'Du hast gewusst worauf du dich einlässt.' Aber weiß ich das auch?! Will ich das überhaupt?!

Langsam entferne ich mich von den beiden. Weder Marco noch Amy kriegen mit, dass ich klammheimlich aus der Küche verschwinde. Amy starrt Marco an und Marco Amy. Sie sind in ihrem Blickduell gefangen, wie in ihrer eigenen Welt!

Rückwärts trete ich aus der Küche ins Wohnzimmer. Ich traue mich nicht den Blick von ihnen abzuwenden, ehe ich so weit weg bin, dass ich von der Menge auf der provisorischen Tanzfläche verschluckt werde. Erleichtert entspanne ich mich ein wenig und schlängle mich dann durch die zuckenden Leiber. Die Musik ist wirklich gut!

Hilfesuchend sehe ich mich nach einem bekannten Gesicht um und erblicke Manni nahe des Esstisches vor einem unserer großen Panoramafenster, die den Blick auf den Garten ermöglichen. „Manni!", rufe ich so laut ich kann und laufe eiligst auf ihn zu.

Er strahlt mich an und scannt mich mit einem kurzen Blick ab. „Wie siehst du denn aus?", fragt er erstaunt.

Unsicher trete ich von einem Fuß auf den anderen und ziehe mein Kleid ein Stück weiter über meine Beine. „Ähm..."

„Ach vergiss es! Das ist sowieso mehr so eine Frage, die dir dein Bruder stellen sollte. Suchst du ihn?" Er lächelt mir freundlich aber noch immer perplex zu und hält mir dann galant seinen Arm hin.

„Uh! Ein Gentleman! Ich dachte schon die seien ausgestorben...", springe ich auf die Gelegenheit an, einen kurzen Plausch mit meinem Bruder zu halten.

Während er mich zu einer der gläsernen Schiebetüren geleitet, als würde ich nicht etwa hier wohnen, beginne ich mit ein wenig Smalltalk. „Hey! Wie geht es eigentlich deiner coolen Freundin? Ist sie heute auch hier?" Ich schaue mich nach ihr um. Jessica und Bianca waren auf Partys wie diesen hier wirklich immer meine einzigen beiden Lichtblicke. Die beiden arbeiten nicht nur miteinander, sie sind auch wie zwei Freundinnen. Mit ihnen ließ sich bis jetzt noch jede dieser oberflächlichen Partys überstehen, aber ich weiß von Erik, dass Bianca auf Geschäftsreise in England ist, um dort über Klopp und seinen neuen Verein zu berichten. Ja, in England... Für Erik schon immer ein heikles Thema! Nur habe ich nichts von Jessica gehört, was bedeuten könnte, dass sie hier ist!

Ein wenig traurig schüttelt er den Kopf. „Nein, leider nicht, sie musste diese Woche viel und lange arbeiten, deshalb ist sie lieber zuhause geblieben. Aber sie lässt dir ganz viele Grüße ausrichten und hat mir aufgetragen, dich vor jeglicher Art der Unterhaltung mit Marco und jedem anderen hier mit eigener Klamottenmarke zu schützen." Er zwinkert mir zu, während wir langsam über die Wiese schlendern.

„Tja. Dafür ist es leider schon zu spät...", gestehe ich kleinlaut.

Belustigt sieht er mich an, ehe er meine Bemerkung mit einem Kopfschütteln abtut und den Blick wieder nach vorne richtet.

„Jazz?!", ruft eine gewohnte Stimme meinen Namen. Ich kneife angestrengt die Augen zusammen und versuche in der Dunkelheit jemanden auszumachen. Überall auf der Wiese unseres Gartens stehen Fackeln, aber trotzdem kann ich nicht erkennen, wer mich da ruft. Ich sehe zu Manni. Er nickt mit dem Kopf nach rechts, ehe er selbst in die Richtung geht. Eilig folge ich ihm und je näher ich dem kleinen Grüppchen komme, desto sicherer bin ich mir, dass Auba derjenige war, der mich gerufen hat.

„Auba?", rufe ich aus, als ich eine goldene Lederjacke aufblitzen sehe. Pierre Emerick Aubameyang, genannt Auba. Auch wenn er Marcos bester Freund ist, die zwei unterscheiden sich doch deutlich. Klar, sie sind beide extrovertiert, aber während Marco in der breiten Öffentlichkeit aufzublühen scheint, ruht Auba in solchen Momenten meist mehr in sich, als man es von ihm erwarten würde. Mit seinem Auftreten bringt er mich immer wieder zum Lachen. Er trägt nur das Extravaganteste vom Extravaganten, man könnte meinen, er wäre ein vollkommener Idiot, aber tatsächlich kann man sich manchmal mit ihm wirklich gut unterhalten. Sobald er sich allerdings mit Marco in einem Raum befindet, ist jegliche Hoffnung auf ein ernsthaftes Gespräch mit ihm verloren...

Grinsend gehe ich auf ihn zu und er drückt mich zögerlich an sich. Sonst ist er in meiner Gegenwart doch nicht so schüchtern... Verwirrt sehe ich ihn an. Sein Blick wandert nach links und als ich ihm folge, sehe ich Erik, der uns argwöhnisch beobachtet. Belustigt sehe ich zwischen Auba und Erik hin und her. Ja klar... Auba ist ein Kumpel, aber mehr wird er nie sein! Außerdem hat er Frau und Kind!

„Hast du dich doch noch überwunden mitzufeiern?", fragt Erik und legt den Kopf schief.

Ideal rebel - Christian PulisicWo Geschichten leben. Entdecke jetzt