Prolog

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16.04.2016

Ich starre auf den glühenden Ofen, als die Kekse da drinnen so langsam ihre Farbe annehmen. Meine Enkelin hatte mich vor einer Stunde angerufen und meinte sie wolle mit mir reden. Sie klang ziemlich verzweifelt und aufgewühlt, darum habe ich mich sofort in die Küche gestellt und ihre Lieblingskekse gebacken. Ich hatte sie schon lange nicht mehr gesehen und so langsam dachte ich, sie hätte mich komplett vergessen aber vielleicht reagierte ich auch nur über. Sie ist immerhin ein Teenager, und verbringt nicht gerne Zeit mit ihrer Familie, so sind Teenager nun mal... Naja zumindest war es bei mir so. Wenn ich jetzt darüber nach denke, ist meine Angst vor dem frühen Tod der Grund warum ich mehr Zeit mit meiner wunderschönen Enkelin verbringen will. Ich meine was wenn ich sterbe und sie nie richtig kennengelernt habe?
Meine Starre löste sich nicht und wenn mich nicht alles täuscht, dann stand ich schon seit zehn Minuten auf derselben Stelle und starrte den Ofen an. Das Klingeln an der Tür weckt mich von meiner Starre und ich zucke kurz zusammen. Ich muss kurz über die Situation kichern. Mit schnellen Schritten durchquere ich den großen Flur und begebe mich in Richtung der Tür. Ich öffne sie und finde die schöne Brünette mit gesenktem Kopf vor der Tür stehen. Sie hat mich wohl nicht bemerkt, denn als ich mich erst räuspere hebt sie ihren Kopf an.

„oh, Hi Oma" sie lächelt mich gequält an. Sie trägt eine schwarze Jeans und ein einfaches weißes Shirt, was heutzutage jeder trägt. Ihre Haare waren offen, seit der letzten Begegnung sind sie ziemlich gewachsen. Damals waren sie schulterlang und jetzt gehen sie über die Brust.

„Liebling, komm doch rein" ich mache einen Schritt zur Seite und schiebe die Tür ein weiteres Stück auf, sodass sie eintreten kann.

Sie kommt rein und sieht mich immer noch gequält an, deshalb schließe ich die Tür schnell und nehme sie in den Arm.

„Ich habe dich total vermisst Oma" nuschelt sie in mein Haar.

„Spätzchen, ich hab dich vermisst! Ich hatte schon angst, dass du mich vergessen hast" spreche ich meine vorherigen Gedanken laut aus und spüre, wie mein Herz zerbricht.

„Oh Oma! Wie könnte ich dich vergessen?" sie kichert, was mich ein klein wenig beruhigt. Ich löse unsere Umarmung und sehe ihr tief in die Augen. Sie sind voller Schmerz und ich kann sehen, dass sie jede Sekunde in Tränen ausbrechen könnte, deshalb versuche ich die Stimmung etwas zu lockern. „Ich habe dir deine Lieblingskekse gebacken" ich sehe sie voller Stolz an, wodurch ihr Lächeln zu ein breites Grinsen wird.

„Das hättest du echt nicht tun müssen, Oma" lügt sie und strahlt immer noch über beide Ohren.

„Ach Quatsch." Ich betrachte sie „Deine Mutter gibt dir nicht genug Süßes"

Sie lacht und drückt mich ein weiteres Mal. „Du bist wirklich die Beste"

„Ich weiß" wir lachen beide auf, über meine Arroganz „lass uns lieber in die Küche gehen, bevor die Kekse verbrennen" ich gehe vor, während sie mir folgt. „Dann kannst du mir auch erzählen, warum du mit mir reden wolltest." ich höre sie laut schlucken, aber sie sagt nichts.

Als wir die Küche erreichen, werfe ich sofort einen Blick in den Ofen, um zu checken ob es den Keksen gut geht.

Wie in Zeitlupe drehte ich mich zu Addylin, die es sich schon auf einen Stuhl gemütlich gemacht hat. Ich hatte die ganze Zeit über ein mulmiges Gefühl im Magen und wollte das Gespräch irgendwie nicht führen. Was sie mir gleich erzählen würde, machte sie so unglücklich, dass ich angst hatte, ich würde mit ihr leiden und ihr nicht helfen können. Jetzt war sie aber hier und ich konnte keinen Rückzieher machen. Also riss ich mich zusammen und machte kleine Schritte in ihre Richtung. Als ich nach gefühlten Stunden endlich am Esstisch angekommen bin, schließe ich die Augen und atme einmal tief ein und dann wieder aus. Ich setze mich ans Kopfende, so dass ich sie schräg ansehen kann, denn sie sitzt an der linken Seite des Tisches.

Da ich sie nicht überfordern will, bleibe ich so lange still, bis sie bereit ist zum Reden. Nach zwei elend langen Minuten öffnete sie den Mund.

„Ich wollte nicht mit Mum darüber reden, weil ich glaube, du kannst mich besser verstehen, weißt du?"

„Süße, worum geht es denn?"

„Ich meine, Mum würde mich nur Vorwürfe machen und mir sagen, wie schlecht sie mich erzogen hätte und so" Jammert sie. Ich habe immer noch keine Ahnung worum es geht.

Ich blicke sie verwirrt und gleichzeitig besorgt an, denn ich hatte bis jetzt nichts verstanden. Sie bemerkt dies, deshalb lehnt sie sich zurück und atmet einmal laut aus.

„Du kennst doch meine beste Freundin Quinn ..." sie hält kurz inne und richtet sich wieder in ihrer vorherigen Position  „Wir haben uns heute total gezofft.. Erst waren es Kleinigkeiten über die wir stritten, aber dann fingen wir an uns zu beleidigen und uns gegenseitig runter zuziehen... Es war schon fast wie ein Wettkampf, wer den anderen zuerst zerstört" sie hat mich nicht einmal angesehen während sie sprach.

„Was hast du zu ihr gesagt?" Es muss etwas Schlimmes sein, sonst hätte sie nicht jeglichen Blickkontakt vermieden.

Keine Antwort.

„Hast du ihre Gefühle sehr verletzt? Oder bist du sogar noch weiter gegangen und hast ihre Würde verletzt?" ich sehe sie neugierig an.

„Addylin" ich lege meine Hand auf ihre, um ihr zu signalisieren, dass ich für sie da bin.

Sie antwortet immer noch nicht, deshalb lasse ich ihr etwas Zeit, um ihre Gedanken zu sammeln.

Paar Minuten später stellt sie mir eine Frage, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hab.

„Oma, du hattest doch auch mal einen besten Freund... Kannst du mir etwas über ihn erzählen?" Mein Herz bleibt stehen und ich habe das Gefühl, die Welt dreht sich nicht mehr. Seit Jahren hat mich keiner mehr nach meinem besten Freund gefragt. Nur ich hatte ab und zu über ihn geredet... Jedoch konnte ich ihn nach all den Jahren nie aus dem Kopf kriegen. Wie auch? Wie könnte man eine Person vergessen, die dir wichtiger war, als alles andere auf dieser Welt? Eine Person die dich auf Händen getragen hat und für dich gestorben wäre.

Tja... Leider ist es in diesem Fall auch wortwörtlich passiert. Wie konnte ich nur so dumm und naiv sein?

Ich blicke meiner Enkelin in die Augen, diese sehen mich erwartungsvoll an. Ich schließe meine Augen und sehe ihn, der Junge, der sein Leben geopfert hat, um meins zu retten. Jack Monterroso.

Ich schlucke laut und öffne wieder meine Augen. Der neugierige Blick von ihr hatte sich in Sorge geändert, nur zurecht. Ich weiß nicht, ob ich es überstehe die Geschichte ein weiteres Mal zu erzählen.

„Oma wenn du nicht darüber reden willst, dann musst du es nicht. Ich wusste nicht, dass dich die Geschichte so mitnimmt. Es tut mir wirklich leid" ihre Stimme wird bei jedem Wort leiser und sie spricht, als hätte sie angst ich würde zerbrechen.

Ich schlucke den großen Kloß, der sich in meinem Hals gebildet hat runter und setze ein falsches lächele auf, während ich den Kopf schüttele.

„Es muss dir nicht leid tun. Ich hoffe nur du hast genug Zeit mitgebracht, denn die Geschichte ist verdammt lang" sie lacht über meine Wortwahl.

„Ich würde jeder meiner Pläne canceln, nur um mir deine Geschichten anzuhören"

Sollte ich eine Packung Taschentücher holen, bevor ich anfange zu erzählen? Ich weiß ja, dass ich in Tränen ausbrechen werde, also wäre es keine so schlechte Idee. Außerdem sollte ich nach den Keksen sehen.

Was sollte ich ihr sagen? Wo sollte ich anfangen? Sollte ich erwähnen, dass mein bester Freund sein Leben verloren hat, nur um meins zu beschützen?

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Hey!

Wie hat euch das erste Kapitel gefallen? Ich weiß die ersten Kapitel neigen immer dazu langweilig zu sein, aber wenn ihr gerne weiterlesen wollt und neugierig seid, was genau passiert ist, dann lässt es mich gerne wissen. :)

Ich freue mich über Votes und Kommentare :)

Lg. highfive97

My (dead) best friend. - Francisco LachowskiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt