Kapitel 1 : Der zweite Schatten

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Ich war auf dem Weg zu dem kleinen Coffeeshop in dem ich seit ein paar Monaten arbeitete. Es war noch früh und die Stadt schlief noch, aber heute war es meine Aufgabe den Laden aufzuschließen und vorzubereiten. Ich war 17 Jahre alt und mit der Schule schon fertig, jedoch hatte ich noch keinen Plan für meine Zukunft. Manche Leute würden das als faul oder planlos bezeichnen, jedoch lebte ich einfach in den Tag hinein und ließ mich überraschen. Natürlich wollte ich nicht für immer dort arbeiten, aber bis ich etwas finden würde, wollte ich nicht auf der faulen Haut liegen sondern schon einmal Geld verdienen und sparen. Vielleicht war ich ein bisschen planlos, aber es gab sicher noch mehr Leute außer mir die nicht direkt wussten was sie machen wollen. Es war doch auch völlig okay sich Zeit zu lassen und darüber nachzudenken was man für den Restdes Lebens machen wollte, das ist doch eine der wichtigsten Entscheidungen die man in seinem Leben treffen muss. Meine Pflegefamilie würde es auch akzeptieren wenn ich für den Rest meines Lebens dort arbeiten würde, sie unterstützten mich in allem und dafür war ich ihnen unendlich dankbar. Ich hatte jedoch eine andere Zukunft für mich vorgesehen.

Als ich vor der Ladentür stand, kramte ich in meiner Tasche um den Schlüssel nach kurzem suchen zu finden. Ich schloss auf und machte das Licht an, dann ging ich in den Hinterbereich, verstaute meine Sachen, band mir eine Schürze um und begab mich an die Arbeit. Zuerst stand Kaffeeautomaten säubern und bereit machen auf dem Plan. Da wir den Kaffee hier frisch mit Bohnen brühten, war es immer eine ziemlich eklige Angelegenheit die Kaffeemaschine zu säubern. Danach bereitete ich das Gebäck und alles andere vor. Es war jetzt 7:00 Uhr und meine Freundin Ellie kam herein, sie schwang sich hinter die Theke, verschwand kurz im Hinterbereich und kam arbeits- fertigwieder zurück. ,,Nah du! Siehst ein bisschen müde aus", scherzte sie und band sich ihre Haare zu einem lockeren Dutt. ,,Du sagst es!Ich bin einfach kein Morgenmensch"antwortete ich ihr mit einem Gähnen. ,,Grace Carter! Diese Feststellung überrascht mich zutiefst!", sagte sie mit einem übertrieben geschockten Gesicht. Der erste Kunde kam und bestellte einen Coffee to go. Nach und nachfüllte sich das kleine Café und wir hatten immer mehr zu tun. Gegen Mittag lief der Laden dann auf Hochtouren und es kamen immer mehr Gäste. Leider war es erst Dienstag und das Wochenende lag noch weit entfernt, ich seufzte kurz und wandte mich dann wieder der Arbeit zu.,,Hallo,was möchten sie bestellen?" fragte ich mit einem lächeln.

Der Junge der vor mir saß, war ganz in schwarz gekleidet, hatte eine Sonnenbrille auf und schaute mich nicht einmal richtig an. Wie unhöflich dachte ich und nahm einfach seine Bestellung auf. Als ich seine Bestellung fertig machte schien er mich nicht aus dem Auge zu lassen. Vielleicht denkt er ja auch das ich zu blöd bin seine Bestellung aufzunehmen,oder er ist so ein komischer Perfektionist. Ich brachte ihm Kommentarlos seine Bestellung und versuchte noch mit einem lächeln ein ,,Danke" zu bekommen, aber er wandte sich seinem Kaffee zu und schien mich nicht mehr zu beachten also ging ich. Der Junge saß ziemlich lange im Café und langsam kam er mir komisch vor, da ich dauernd das Gefühl hatte von ihm beobachtet zu werden. Am späten Nachmittag verließ er das Café und ich war ehrlich gesagt froh das er endlich weg war. ,,Hast du den Jungen ganz in schwarz gesehen?",,Wie konnte man den übersehen",sagte Ellie.,,Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl das er mich beobachten würde", erzählte ich ihr. Sie stimmte mir zu und sagte das es ihr auch aufgefallen wäre. Der Rest des Tages verlief unspektakulär und ich war froh als um 18:00 Uhr, der letzte Gast das Café verließ. Auf dem nach hause Weg dachte ich noch lange über den Typen nach, da er mich irgendwie beschäftigte.

Ich hatte mir zum 17 Geburtstag eine kleine Wohnung gewünscht da ich gerne alleine Leben wollte. Meine Pflegeeltern hatten noch versucht mich umzustimmen, aber ich wollte einfach für mich sein. Ich liebte sie ja, aber ihr Haus war nie mein zu Hause, deshalb beschloss ich mir mein eigenes zu hause aufzubauen wenn ich alt genug war.

Wie kann man nur so unfreundlich sein? Außerdem wer zieht sich den im Regen eine Sonnenbrille an? Vielleicht war er ja aber auch bekannt oder so. Es wäre nicht ungewöhnlich das in London bekannte Leute wohnen, aber er sah nicht so aus. Er bereitete mir ein unangenehmes Gefühl, und das war nicht normal.

Ich versuchte die Gedanken zu verdrängen, da ich schon fast vor meiner Haustür stand. Als ich angekommen war zog ich mir erst einmal etwas bequemes an und überlegte dann was ich essen wollte. Ich entschied mich für einen kleinen Salat da ich nicht sonderlich hungrig war. Als aufgegessen hatte ging ich direkt ins Bad um mich Bett-fertig zumachen. Ich war hundemüde, da der Tag seltsam und anstrengend war. Als ich im Bett lag dachte ich noch lange über den Jungen nach, er schien mir nicht aus dem Gedächtnis zu gehen. Irgendwann wurden meine Augen zu schwer und ich schlief ein. Wie immer hatte ich einen Albtraum der etwas mit meiner Familie zu tun hatte.

Mein Vater starb als ich 8 war, weil er Krebs im Endstadium und man es zu spät gesehen hatte. Es brach eine Welt für mich zusammen weil mein Vater mir immer Sicherheit gegeben hatte und wir immer zusammen über alles lachen konnten. In der Zeit vor seinem Tod ging es ihm sichtbar schlechter, meine Mutter sagte mir immer er hätte sich nur erkältet,aber ich wusste dass das keine Erkältung seien konnte. Als er schließlich so schwach war das er ins Krankenhaus musste, wich ich nicht mehr von seiner Seite. Wir waren Tag und Nacht bei ihm und als er eines Tages nicht mehr aufwachte, verstand ich die Welt nicht mehr. Es dauerte eine lange Zeit bis ich damit umgehen konnte und ich wieder glücklich war. Ich musste akzeptieren das es aber jetzt nur noch meine Mutter und mich gab, dieses Erlebnis schweißte uns aber nur noch enger zusammen.

Am nächsten morgen verschlief um eine halbe Stunde, was meinen Zeitplan komplett durcheinander brachte. Ich machte mich so schnell es ging fertig und stürzte ohne Frühstück aus der Tür. Als ich völlig außer Atem im Laden ankam war Ellie schon hinter der Theke und bediente einen Kunden. ,,Wow, du erscheinst ja auch mal", grinste sie. ,,Sorry, ich hab verschlafen",,Alles gut, ich hab hier alles unter Kontrolle". Als ich wieder aus dem Hinterbereich kam war der Laden deutlich voller, mit einem stöhnen begab ich mich an die Arbeit. Gegen Mittag war ich schon so fertig wie ich es eigentlich nach einem ganzen Arbeitstag war, und als dann auch noch der Typ von gestern erschien, erklärte ich den Tag als scheiße. ,,Dein Freund ist da!", sagte Ellie bevor sie auf ihn zu ging um ihn zu bedienen.Ich verdrehte die Augen und bediente die Leute vor der Theke. Wieder ließ mich das Gefühl nicht los das er mich anstarren würde.Vielleicht bist du ja auch paranoid und bildest dir das alles ein. Ich meine wer würde mich den anstarren?

Wieder blieb er bis zum späten Nachmittag und verließ erst dann, wie am Vortag, das Café.

,,Der gefällt mir irgendwie nicht", murmelte Ellie als sie wieder zu mir kam. ,,Nicht nur dir nicht, er ist einfach komisch. Ich meine, wer läuft den bei Regen mit einer Sonnenbrille 'rum." ,,Vielleicht hat er ja auch 'ne Bindehautentzündung?", sie schaute mich todernst an, dann fingen wir beide an zu lachen. ,,Hoffentlich erscheint er morgen nicht mehr" betete ich, Ellie stimmte mir zu und wir begaben uns wieder an die Arbeit.

Meine Gebete wurden leider nicht erhört denn am nächsten Tag saß er wieder am gleichen Platz wie die Tage davor. Er hatte in den drei Tagen in denen er da war nicht einmal ,,Hallo", ,,Tschüss" oder,,Danke" gesagt. Ellie und ich wurden immer misstrauischer da er nicht mehr aufhörte mich zu mustern. Ich machte mir immer mehr Gedanken und bekam auch eine bisschen Angst. Was wenn es ein Pädophiler war,oder ein Stalker? Wir trauten ihm nicht, konnten aber leider nichts machen da der Kunde wie immer König war. Anzeigen oder melden konnten wir ihn erst wenn er irgendetwas tat, aber den Gefallen tat er uns nicht. Er saß nur da und musterte mich. Das Gefühl was ich bekam solange er da war, wurde immer beklemmender und ich fühlte mich sehr unwohl. Wenn der Typ die nächsten Tage immer noch so ein komisches Verhaltenen aufweisen würde, würden Ellie und ich etwas unternehmen.

Als ich auf dem Weg nach Haue war, schaute ich jede zwei Minuten hinter mich,da ich selbst jetzt noch das Gefühl hatte ich würde beobachtet werden. Dieses Gefühl war wirklich eklig und ich hatte nun wirklich angst. Als ich endlich die Tür hinter mir schließen konnte, viel ein Stein von mir. Normalerweise, war ich nicht die Person die schnell Angst bekam oder schnell Panik schob. Aber jetzt war eine Grenze erreicht. Der Junge wurde zu meinem zweiten Schatten, und Vergewaltigungen gab es leider zu häufig. Ich wollte kein Opfer werden und wenn er morgen wieder kam, würde das Konsequenzen mit sich bringen, so viel war klar.

Den Rest meines Feierabends wollte ich genießen, also ließ ich mir ein Bad ein und versuchte, so gut wie es ging, zu entspannen. Das Bad tat wirklich gut und ich fühlte mich deutlich besser danach. Nach meinem Bad lag ich auf der Couch, schaut Fern und aß Pizza. Der Abend wäre nahe zu perfekt gewesen wenn er mir nur nicht dauernd in den Kopf drang.

Stockholm Syndrom (ON HIATUS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt