Blitze so grell wie das Sonnenlicht, durchzuckten den verregneten, wolkenbehangenen Nachthimmel – dumpf rollte der Donner über die düstere Landschaft hinweg und ließ dabei jedes noch so kleine Lebewesen in seinem sicheren Bau verängstigt aufhorchen. Die zerklüfteten Felsen sahen aus wie finstere Riesen, die sich im Licht der Blitze zu bewegen schienen. Ihr dröhnender Wiederhall und die aufeinander krachenden Felsbrocken erzeugten ein schauerlicher Lärm, der jedem bis ins innerste Mark fuhr. Der Wald war ein dunkler, abgrundtiefer Ozean aus wogenden, Sturmgepeitschten Wellen, dessen Rauschen unheilbringende Nachrichten verkündete. Und in Mitten dieses tosenden Sturmes windiger Nacht, stand auf einer kleinen Lichtung, eine Hütte. Sie war leidlich klein, hatte ein mit Stroh bedecktes Dach und bestand ansonsten aus alten, dunklen Holzbrettern, welche hier und da bedürftig ausgebessert worden waren. Um die kümmerlich windschiefe Hütte herum, hatte es kleine eingezäunte Felder, auf denen alle möglichen Pflanzen verwahrlost vor sich hin faulten und alles überwucherten, was noch einigermaßen annehmbar gewesen wäre. Der hölzerne Zaun selbst, lag vielerorts am Boden oder hing haltlos an den stützenden Trossen und an vielen Stellen war er von den Gewächsen nur so überwuchert worden. Allem Anschein nach wohnte ein bereits in die Jahre gekommener Bauer in dieser schon morschen Hütte.
Dieser saß mit einem warmen Tee vor dem Fenster, und sah in das tosende Unwetter hinaus. Es verging nicht ein Tag, an dem er nicht dort saß, einen warmen Tee trank und die Landschaft, welche sich vor ihm öffnete, betrachtete. Trotz aller Gefahren eines solchen Unwetters, war es ein wunderschönes Naturspektakel. Das stete prasseln des Regens auf dem Dach und das beruhigende knistern des Feuers im Kamin, ließen den Bauer allmählich eindösen. Es war das Gefühl von Sicherheit, dass die Hütte verlieh. Die angenehme Wärme und der Duft von verbrennendem Tannenholz, der den ganzen und einzigen Raum erfüllte. Sein getigerter Kater lag vor dem Kamin auf einem flauschigen Teppich und schlief. Obwohl der Raum nicht sehr groß war, hatte dennoch alles seinen Platz. Da war ein Bett, eine Kochstelle, ein hölzerner, selbst gezimmerter Tisch mit zwei Stühlen und mehreren, an die Wand gehangenen Regale, auf denen alle möglichen Gegenstände abgelegt wurden. Ein blitzt schoss über den Himmel. Der Bauer zuckte zusammen. Obwohl er schon viele Jahre hier lebte, war jedes Gewitter wie das Erste. Der nächste Blitz, schlug in einen nahen Baum ein. Der Bauer erschrak derart, dass ihm die Tasse aus der Hand viel. Klirrend schlug sie auf dem Boden auf und zerfiel in tausende Scherben, während der Tee sich verbreitete und in den abgelaufenen Dielenboden eindrang. Der Baum in den der Blitz eingeschlagen hatte, stand direkt oberhalb der Hütte. Wenn er brannte, würde er irgendwann auf das Dach fallen und alles unter sich begraben.
Schnell eilte der Bauer zur Tür. Er musste den Baum holzen, und ihn in eine andere Richtung fallen lassen. Er nahm das nötigste von der Wand und zog sich seinen Regenschutz an. Der Bauer eilte in den Regen hinaus, hinter die Hütte zum Holzlager, um die Axt zu holen, mit der er vorhatte den Baum zu fällen. So schnell wie es sein Alter ihm erlaubte, hastete er durch die nasse, kalte Nacht, zum brennenden Baum. Ohne zu zögern schlug er mit voller Wucht auf den Stamm ein. Immer und immer wieder. Im Rauschen des Sturmes, gingen die dumpfen Schläge der Axt unter. Gerade als er den Stamm fast durchgeschlagen hatte, wurde der Regen stärker. Der Bauer unterbrach seine Arbeit und schaute gen Himmel. Er verfluchte jene die dahinter steckten, und er wusste ganz genau, wer das war. Er wollte gerade wieder anfangen auf den Stamm einzuschlagen, als er etwas Absonderliches bemerkte.
Auf der Waldlichtung vor seiner Hütte, schwebte eine matt leuchtende Kugel. Er ließ die Axt sinken und starrte das Licht an. Der Bauer blieb ruhig. Viele Menschen wären vor einer solchen Erscheinung davongerannt. Er aber kannte sich damit aus – halb vergessene Erinnerungsfetzen streiften sein Bewusstsein. Es konnte nur Magie sein, es konnte nur dieser dreimal verfluchte sein. Was konnte sonst eine solche Kugel erscheinen lassen? Vorsichtig näherte er sich ihr, um sie eingehend zu betrachten. Diese schwebte noch einige Augenblicke in der Luft, dann verschwand sie unvermittelt. An ihrer Stelle tauchte ein anderes Licht auf. Es war Oval, leuchtete aber genau so hell.
Ein ungutes Gefühl breite sich im Bauer aus. Schließlich konnte kein Anfänger solch pure Energie durch banale Zaubertricks zu einer Kugel formen, und so lange in der Schwebe halten. Es musste ein sehr starker Magier dahinterstecken. Vermutlich ein abtrünniger Großmeister, wenn nicht gar ein übrig gebliebener Erzmagier. Doch warum war dieser Jemand hier? War er nachtragend? War dieser Jemand noch immer aufgebracht, wegen dem was dazumal geschehen war, wegen ... Früher ...? Der Bauer versuchte halb verzweifelt einen Schutzzauber zu wirken, doch es gelang ihm nicht. Er hatte wohl zu lange nicht mehr gezaubert. Erschöpft sank er zu Boden. Kalte Nässe durchdrang seine Kleider bis auf die Haut und ließ ihn frösteln. Aus dem Augenwinkel sah er, wie zwei weitere Lichter erschienen. Langsam flogen sie auf den Bauer zu. Am Rande der Lichtung tauchten noch vier Lichter auf. Jede war anders als die Anderen um sie herum. Wie bedrohliche Geister, schwebten sie dem Bauer entgegen – langsam aber stetig. Der Bauer lag immer noch am Boden und kroch auf dem schlammigen Boden rückwärts. Jedoch vergebens. Die Lichter hatten ihn eingeholt. Er schrie verzweifelt um Hilfe. Es donnerte und übertönte somit die verzweifelten Schreie des Bauern. Die sechs Lichter, hatten unterdessen einen Kreis um ihn gebildet. Der Bauer schrie immer noch, aber jetzt nicht mehr um Hilfe, sondern verfluchte diese schwebenden Energiebündel.
Sie sollten verschwinden und einen armen, alten Bauer wie ihn in Ruhe lassen, damit er sein einsames und erbärmliches Leben alleine zu Ende fristen konnte. Doch sie hörten nicht auf ihn, denn die Lichter hatten sich in der Zwischenzeit keinen einzigen Zentimeter bewegt. Es blitze. Der Blitz kam auf die Hütte und die Lichtung zu, auf welcher der Bauer lag. Doch anstatt in etwas einzuschlagen, bildete sich knapp über dem Boden eine weitere Lichtkugel. Sie war kleiner als die anderen, pulsierte dafür aber umso stärker. Die kleine Kugel flog in einem verrückten Zickzack sehr schnell auf den Bauer zu. Lange schwebte sie über ihm, in der Mitte der anderen. Der am Boden kauernde Bauer brachte vor Entgeisterung kein Wort mehr heraus. Die Luft war geladen, und wurde immer dünner, was das Atmen erschwerte und alle feinen Härchen auf den Armen unangenehm aufstehen ließ.
Urplötzlich schoss die kleine Kugel auf den Bauer herab und drang ohne eine Wunde zu hinterlassen in ihn ein. Der Bauer schrie aus voller Kehle, auch wenn durch den Sturm nichts zu hören war. Fast durchsichtig erschien seine Haut und ließ nicht nur Blutgefäße, sondern auch die pulsierende Kugel im inneren des Körpers sichtbar werden, welche wirr umherflog. Dann wirbelte sie in den Kopf, und schoss aus der Stirn heraus. Daraufhin verschwanden alle Lichter, was aussah, als würden sie in sich zusammenfallen. Nur die kleine Kugel flog geradewegs in den Himmel und jeder der deutlich genug hinsah konnte erkennen, dass sie etwas bei sich trug.
Der Bauer lag rücklings auf dem Boden und starrte mit leerem Blick der Kugel nach. Nichts, nur noch eine leere Hülle, ohne Gedanken oder Erinnerrungen, blieb von ihm zurück. Hinter ihm stürzte der brennende Baum auf die Hütte,und zerstörte sie vollständig. Unterdessen regnete es unbeirrt weiter, während das Gewitter allmählich davonzog.
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Der Magus
FantasyRückblickend war es ein Fehler gewesen diese Reise anzutreten, deren fatalen Folgen wir hätten verhindern können. Doch das Arkanum der Magie war tief, düster und auf eine endgültige Weise anziehend. In unserer Abenteuerlust übersahen wir Dinge, die...