Prolog

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"Ich bin kein Mädchen!", das war nie schwer mir das selbst immer wieder zu sagen. Ich wollte immer lieber mit den Jungs in der Pause Fußball spielen, aber dass ein Mädchen mitmacht wollten sie sicher nicht, dachte ich damals jedenfalls. Ich hatte mich also nie getraut zu fragen, außer ein einziges Mal. Ich hatte einfach mitgemacht und es war super. Einmal zu ihnen gehören.

Irgendwann war ich soweit, dass ich mir sagte: "Ich bin kein Mädchen, ich gehöre doch eigentlich zu den Jungs und ich würde viel lieber mit denen was machen!"

Irgendwann hatte ich auch Freunde und darüber war ich auch wahnsinnig glücklich, allerdings fanden meine Freundinnen das gar nicht gut, dass ich scheinbar lieber bei denen bin. Natürlich mochte ich die Mädchen auch, aber trotzdem war ich lieber bei den Jungs und machte mit denen Blödsinn. Und jedes Mal hieß es dann ich wäre in einen der Jungs verliebt, weil ich mit denen mehr Zeit verbrachte.

Ich verstand mich selbst nicht, aber gleichzeitig wurde mir immer mehr bewusst was eigentlich los ist. Eingestehen wollte ich es mir nur nicht. Ich wusste damals noch nicht ob das "normal" ist, ob es noch andere Leute gibt, denen es auch so geht.

Und irgendwann, einige Jahre später fand ich ein Wort und gleichzeitig Sicherheit: Trans*.

Ich informierte mich darüber was dieses trans* den eigentlich sein soll und hatte am Ende doch nur ein Wort, welches Menschen denen es wie mir geht zugeordnet wird. Menschen die sich mit dem Geschlecht, welches ihnen bei der Geburt zugeschrieben wird, nicht identifizieren können.

Endlich konnte ich mir selbst ganz klar sagen: "Ich bin ein Mann und das ist vollkommen in Ordnung!"

Trotzdem zwang ich mich es zu versuchen als Frau zu leben, allerdings musste ich schnell feststellen, dass das nichts wird. Ich fing an immer seltener Frauenkleidung zu tragen. Bei einigen Freundinnen "outete" ich mich. Natürlich fragten sie mich ob ich denn nun plötzlich lesbisch sei, obwohl sie wussten dass ich einen Freund hatte.

Damals hatte das alles niemand so wirklich ernst genommen, bis ich mich dann nochmals bei allen Freunden outete und ihnen klar machte wie es mir damit eigentlich geht. Außerdem machte ich ihnen auch klar, dass ich die Transition durchziehen werde.

Ich war sehr froh darüber, dass sie alle positiv reagierten. Sie waren an dem Weg der vor mir liegt interessiert und stellen mir einige Fragen. Zum Beispiel was das Testosteron so alles macht.

Nun bin ich in einer Ausbildung und bin in der ganzen Klasse geoutet. Ich werde mit meinem neuen Vornamen und mit "er" angesprochen. Ein Junge aus der Klasse fragte mich mal wie das eigentlich so ist, wenn man trans ist. Wie es mir damit geht.

"Also, stell dir mal vor du bist so wie du jetzt gerade vor mir sitzt. Du bist als Junge geboren. Du bist auch gerne einer, aber die Leute sprechen dich mit "sie" an und nennen dich, sagen wir mal zum Beispiel Klara."

"Ja, stimmt. Das ist ja richtig kacke.", da war er, der AHA!-Effekt. "Aber du hast doch'n Freund ne?"

"Ja, ich bin schwul."

"Ach krass. Das heißt du bist ein Typ der in einem Frauenkörper geboren wurde, der schwul ist. Das ist doch bestimmt, also dass trans an sich ist ja schon selten 'ne? Aber dass du auch schwul bist, das ist bestimmt noch seltener.", fragte er mich ganz aufgeregt.

"Ja, kann schon sein."

Ganz erstaunt stellte er mir noch weitere Fragen. Er war der einzige der sichtlich versuchte sich in meine Lage zu versetzen.

Meine Namensänderung an der Schule war kein Problem. Aber ich warte seit sechs Monaten auf einen Anruf von meinem Psychologen. Warteliste. Therapeuten an sich gibt es nicht gerade wie Sand am Meer und Therapeuten die sich mit Trans*Personen beschäftigen noch weniger.



Aus dem Leben eines depressiven TransmannesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt