Die Schattenjägerin

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Die Sonne brannte heiß auf den Schultern von Lux Kriegsmesser. Die zierliche junge Dame mit ihrem schwarzen Haar und den dunkelroten Augen, die schon erahnen ließen, dass sie etwas besonderes war, kniete im Garten ihrer Blockhütte, die mitten auf einer Waldlichtung stand. Sie scheute Menschen, sie durfte ihnen nicht begegnen, auch wenn Lux bis auf die Augen genauso war wie sie. Sie war unter dem feuerroten Banner geboren, dem Banner der Geburt. Ihre Eltern starben bei der Geburt, weshalb sie nun "Ave atque Vale²" zwischen den Schulterblättern tätowiert hatte. Lux war eine Schattenjägerin, eine Nephilim. Nach ihrer Geburt wuchs sie unter den Fittichen einer Naiara namens Luna auf, diese durfte sie aber nicht ausbilden, weil sie, obwohl auch sie ein Engelswesen war, nicht das Blut Raziels, des Urvaters der Nephilim, in sich trug. Schattenjäger sind anderen Engelswesen in Stärke und Schnelligkeit weit überlegen. Sie legen sehr viel Wert auf Brauchtum und Tradition, sowie Rituale. Dazu gehörten auch die Tattoos, die den ganzen Körper eines Nephilim bedecken. Inzwischen war Lux aber erwachsen und erhielt Aufgaben vom Institut für Engelswesen, kurz IfE. Doch im Augenblick kniete sie in ihrem Garten und jätete Unkraut in ihrem Beet, wo sie alles anbaute, was sie zum Leben brauchte. Sie war wie immer ganz in schwarz gekleidet, sie trug ein ärmelloses schwarzes Oberteil mit fast schon unverschämt weitem Ausschnitt und einen ausgefransten kurzen schwarzen Rock. An einem schwarzen Ledergürtel baumelte zudem ein meisterlich gefertigter Elfenbeindolch, das Zeichen des Abendstern-Clans.

Als die Sonne sich neigte und die Dunkelheit einzutreten begann, rappelte sich Lux auf und ging in Richtung Haus. An der Türschwelle, die wie ihr Körper mit Runen bedeckt war, beschwor sie einen Schutzzauber herauf, der kleinere Dämonen und Schattengestalten abhalten sollte. Dann betrat sie das Haus. Direkt gegenüber der Türe prangte in leuchtenden Farben das Motto der Nephilim "Facilis descensus averni³", das sie auch als Tattoo auf der Innenseite ihres rechten Unterarms trug. Sie wusch sich die Hände in einem mit Quellwasser gespeisten Waschbecken und ging dann hinüber zu ihrem Terrarium, wo ihre Phoneutria (giftigste Spinne der Welt) Beatrix, liebevoll Trixie genannt, und ihre Theraposa Blondi (größte Spinne der Welt) Tina wohnten. Sie gab ihnen ein paar Mäuse und richtete sich dann selbst etwas zu essen her. Erst jetzt bemerkte sie den Umschlag, der auf der Fußmatte vor der Türe lag. Er war aus schwerem Pergament und trug das Zeichen der IfE. Lux freute sich. Endlich wieder eine neue Aufgabe? Hastig riss sie das Papier auf und zog das Papier heraus. Dort stand in grauer Farbe geschrieben:

Berlin, 24.06.2038

An:
Lux Kriegsmesser
Hütte auf der Waldlichtung
Finsterwald

Von:
Institut für Engelswesen
Platz der Republik 1
11011 Berlin

                           

Sehr geehrte Frau Kriegsmesser,

da das Ministerium für Graue Bildung ein Problem hat, werden Sie gebeten, schnellstmöglich ins IfE zu kommen. Weitere Informationen erhalten Sie vor Ort.

Hochachtungsvoll,
Morton Koldez (Minister für Graue Bildung)

Das Ministerium und Probleme? Da musste etwas gewaltig schief gelaufen sein. Lux rannte ins Schlafzimmer und holte ihren Rucksack. Dann rannte sie zurück ins Esszimmer und nahm ein Glasgefäß. Sie ging zum Terrarium, nahm Trixie heraus und hielt sie über das Glas. Sofort floss Gift aus dem Maul der Spinne in das Gefäß. Etwas Gift konnte man schließlich immer brauchen. Sie nahm ihren Bogen, ein paar Pfeile und ihr Schwert. Sie gab ihren Spinnen noch ein paar Mäuse und ging dann ins Schlafzimmer und nahm ihre schwarze Rüstung heraus, die sie in den Rucksack stopfte. Dann beschwor sie ein Portal herauf und teleportierte sich ins Ministerium.

Sie kannte den Flur, auf dem sie landete und erschrak trotzdem, als das Portal sich schloss und der Flur dunkler wurde. Sie atmete einmal tief durch und schritt Richtung Sekretariat, wo sie sich anmeldete. "Lux Kriegsmesser. Der Chef erwartet Sie schon. Ich bringe Sie zu ihm." "Vielen Dank." Lux folgte der kleinen Naiara, die, wie Lux fand, mit ihren braun-blonden langen Haaren ihrem ehemaligen Kindermädchen Luna sehr ähnelte. Die Sekretärin öffnete eine Türe und Lux trat ein. Es war ein sehr düsterer Raum, nur durch ein paar Leuchtröhren etwas erhellt. Immerhin waren sie im Keller des Deutschen Bundestages in jenem Teil, der nur über Portale erreicht werden konnte. "Ah, Lux, schön Sie zu sehen." "Hallo Morton. Sie wollten mich sprechen?" "Ja." "Um was geht's?" "Sie haben sich sicher schon einmal mit dem Bestiarium befasst, das in der grauen Abteilung der Bibliothek steht?" "Ja." "Dann wissen Sie auch, dass dieses Buch alle bekannten Schattenwesen enthält?" "Ja." "Nun, dem ist anscheinend nicht so." "Wie meinen Sie das?" "Das Bestiarium ist unvollständig." "Was fehlt denn?" "Tja, genau das ist die Frage." "Woher wissen Sie dann, dass etwas fehlt?" "Wir haben wie jeden Monat unseren Seher befragt. Er sah etwas. Aber als er aussprechen wollte, was er sah, zerfiel er zu Staub. Es muss eine sehr mächtige Kreatur sein und wir kennen sie nicht." "Sollten wir nicht das Bestiarium nach Spuren durchsuchen?" "Mein Vorschlag wäre gewesen, Sie einfach an die Schauplätze zu schicken und, soweit möglich, überlebende zu befragen."

Was meint ihr? Schreibt einen Kommentar, was Lux tun soll! (bis 29.05.16)

²lat. für Sei gegrüßt und leb wohl

³lat. für Es ist leicht, zur Hölle hinabzusteigen

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