Teil 1

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Die hellen Strahlen wecken mich sanft. Ich richte mich in meinem Bett auf. Wie normal dieser Tag doch aussieht... Jedes Jahr verschwindet am heutigen Tag ein 16-jähriger Junge aus unserer Hälfte um auf der reichen Seite als Sklave zu arbeiten. Vor drei Jahren holten sie auch meinen Cousin Karim. Seit ich vier Jahre alt bin, wohne ich bei ihnen. Da meine Tante Azuri schon immer eine Tochter wollte, fiel es ihr nicht schwer mich aufzunehmen. 
Es ist wie ein Fluch. Alle im Dorf wünschen sich ein Mädchen, aus Angst den Sohn verlieren zu müssen. Doch ich bin fast die Einzige. 
Als ich am Frühstückstisch ankomme, sitzen dort schon mein Onkel und die zwei anderen Cousins von mir. "Hallo." Ich weiss, dass meinem Onkel sogar dieses Wort schwerfällt. Denn heute sind wir besonders nervös, da Luke, der mittlere der drei Jungen, seit zwei Monaten 16 ist. Wir gehen zusammen zur Schule und er ist mein liebster Cousin. Ryan ist 8. Er ist sehr wild. Mit Karim konnte er immer spielen, doch jetzt soll er nur noch Verständnis haben. "Kommt Kinder, wir gehen ins Dorf." Am Morgen dieses Tages, veranstalten wir immer ein "Fest". Auf dem Weg spricht keiner. Luke nimmt meine Hand. Ich lasse es zu, doch anlächen kann ich ihn nicht. Ich werde nicht zulassen, dass sie ihn entführen. Das habe ich mir schon lange geschworen. Wir setzen uns an einen der freien Tische. Jeder weiss, dass es kein Fest ist, dafür ist die Stimmung viel zu bedrückt. Luke hält immer noch meine Hand. Die Jungen aus unserer Klasse kommen an unseren Tisch. Ich will meine Hand losreissen, doch Luke hält sie fest. "Begleitest du uns?" Sie schauen Luke an, doch dieser starrt nur in die Ferne. Da ich weiss, dass es wohl das Beste für ihn ist, stosse ihn zu ihnen. Luke dreht sich zu mir um. "Nur wenn du mitkommst." Ohne zu antworten gehe ich mit. Wir treffen uns mit den anderen im Klubhaus. "Sied ihr nervös?" fragt Alex. Ich blitze ihn mit meinen blauen Augen an. "Nein, wieso sollten wir?" entgegnet Fynn spottend. Darauf folgt Schweigen. Luke sitzt gegenüber mir. Langsam läuft mein Blick zu seinen Augen, welche mich anstarren. Kaum merkbar nickt er zur Tür. Kurz darauf erhebt er sich und geht. Sofort renne ich ihm hinterher. Da ich so schnell bin, hole ich ihn ein. Als er mich sieht, bleibt er stehen. Erschöpft sinkt er zu Boden. Ich setze mich neben ihn. Luke nimmt etwas aus seiner Hosentasche. "Damit werden wir immer verbunden sein." Er hält mir einen silbernen Ring hin.

Die GrenzeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt