Kapitel 2

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Wir gingen nach dem Gong sprachlos ins Klassenzimmer und warteten auf unseren Deutschlehrer, der ( wie immer ) zu spät zum Unterricht kam. Gelangweilt schaute ich, da ich direkt neben dem Fenster saß, auf den Schulhof, welcher mir in der morgendlichen Dämmerung irgendwie grau und trostlos vorkam. Ich verweilte in diesem Zustand noch ein paar Minuten ( und schlief dabei beinahe ein ).
»Also gut! Lasst uns nun mit dem Unterricht beginnen. Ihr hattet berreits genügend Zeit um eure Klamotten zu holen.«
Die Stimme des Lehrers platzte genau am ungünstigsten Zeitpunkt in meine Gedanken und ich blickte leicht, genervt zur verspäteten Person rüber. Herr Maikner wollte sich gerade hinsetzen, da rief auch schon Jens ( unser schlimmster Klassenclown aller Zeiten ) seine bekloppten Sprüche in die Runde.
»Aber sie können doch sehen ob wir Klamotten anhaben, oder nicht?«
Die großen, blutroten Flügel des Lehrers, welche mich an die Schwingen eines feurigen Drachen erinnerten, glühten auf. Ich wusste dass dies ein weiteres Anzeichen eines Wutausbruchs war und hielt mir die Ohren zu. Als Herr Maikner den Mund berreits öffnete, kniff ich die Augen, so feste wie ich konnte, zusammen und erwartete normalerweise lautes Getöse, jedoch hörte ich keines. Es war leichenstill im Raum. Ich öffnete wieder meine Augen und sah den, für gewöhnlich, grimmigen Deutschlehrer lächelnt auf
seinem Platz sitzen. Auch seine Flügel hörten auf zu glühen.
»Ich meinte keine Anzieh-, sondern die Schulsachen. In der achten Klasse müsstest du es doch eigendlich besser wissen, oder willst du wieder in die Grundschule gehen?«
Ich hätte schwören können, dass dies gerade eine Beleidigung sein sollte. Schließlich wurden seine Flügel nicht von alleine so schwarz wie eine Sonnenfinsternis. Ein paar Klassenkameraden kicherten vergnügt. ( Ich musste zugeben, dass ich auch gekichert habe, aber nur ein kleines bisschen, oder vielleicht doch mehr als alle anderen? )
»Genug gekichert! Ich würde jetzt liebend gerne mit dem Deutschunterricht beginnen...«
Und so fingen die langweiligsten zwei Schulstunden des Tages an, denn ich konnte ( trotz meiner guten Noten ) noch nie, in meinem bisherigen Schulleben, Hauptfächer ausstehen.
Am Ende der Doppelstunde ertönte der übliche Gong der Schulglocke und ich konnte, da der suuuupeeerr langweilige Unterricht endlich vorbei war, wieder tief durchatmen. Ich blieb noch ein Weilchen auf meinem Platz sitzen und kramte meine Erdkundesachen aus meiner äußerst unaufgeräumten Tasche ( welche meinen ebenso ungeordneten Charakter wiederspiegelt ). Im Erdkundeunterricht konnte ich mich wieder von der guten Seite zeigen. Schließlich hatten wir auch eine tolle Erdkundelehrerin, die den Unterricht immer interessant gestaltete. Ich zeigte viel auf und machte mich bei Frau Chornett bemerkbar und ehe ich mich versah, war auch schon die Einzelstunde mit der bessten Lehrerin der Schule vorüber.
»Du hast heute mal wieder gut mitgemacht, Lyrana! Wenn du so weiter machst bekommst du, wie im letzten Schuljahr, wieder eine Eins auf dem Zeugnis!«
Frau Chornett lächelte mich bewundernd an und ihre zitronengelben Flügel leuchteten, wie eine eigene Sonne, hell auf. Ich grinste verlegen und bedankte mich für das Komplement.
Lyrana! Kommst du?! Du hast mir doch versprochen, dass wir uns in der Frühstückspause über die Sommerferien unterhalten!«
Isabells Stimme war wieder einmal kaum zu überhören. ( Man, hatte ich ungewöhnliche Freunde ). Ich verabschiedete mich noch von Frau Chornett und folgte Isabell in unsere Schulbücherei.
Normalerweise durfte man sich nicht an so einem Ort unterhalten, doch für Isabell, Clara, Sarah und mich war er wie geschaffen für unsere spannenden Abenteuergeschichten.
»Also gut. Wer fängt an?«
Ich starrte Sarah äußerst interessiert an.
»Wie wäre es denn, wenn Sarah mal mit der Gesprächsrunde beginnen würde?«
» Yay!!!«
Gab Sarah vergnügte ( und vor allem laute ) Töne von sich.
»Pssst! Geht das auch nicht leiser?!«
Claras Blick gegenüber der Unruhestifterin war eiskalt. Ob sie etwas schlimmes erlebt hatte? Ihre Kristallflügel sahen meiner Meinung nach sehr gläsrig aus.
» Oh, Entschuldigung. Okay, es war so...«
Sarah erzählte uns allerlei Dinge. Manche hörten sich schön an, andere klangen aber auch traurig, und es waren auch ein paar Momente dabei, wo man sich zusammenreißen musste um nicht zu Lachen.
Nach den aufregenden und zahlreichen Geschichten, die uns Sarah erzählte, war Isabell an der Reihe. Eigentlich sollte Clara vor Isabell dran sein, jedoch war ihr einfach nicht zu sprechen zumuhte.
Wie ich Isabell nun mal kenne, konnte sie einfach nicht aufhören zu reden. Sie erzählte und erzählte bis es letztentlich gongte und die Frühstückspause sich dem Ende zuneigte. Leider konnte ich den Anderen nicht mehr erzählen, was ich alles erlebt hatte, doch dies war mir nicht mehr so wichtig. Ich interessiere mich eher für Claras ungewöhmliches Verhalten. Ihre Flügel zogen sich zusammen, was kei gutes Zeichen war. Wenn ich mich nicht recht täusche sehen sie sogar noch gläsriger aus als vorhin, in der Bücherei.
Gemeinsam gingen wir die Treppe, bis in den dritten Stock, hinauf und steuerten auf den Kunstraum zu. Frau Steppert war noch nicht da und der Raum geschlossen. Keiner von uns wechselte auch nur ein einziges Wort mit dem anderen. Isabell und ich schauten Clara, die auf dem Boden herab sah, verdächtig an wäherend Sarah bei uns in der Nähe herum tänzelte und es kaum abwarten konnte, an ihrem Bild, welches wir im Unterricht zeichnen mussten, weiter zuarbeiten.
Nach fünf Minuten stillen Schweigens kam endlich die Kunstlehrerin die Treppen hinauf, ging zum verschlossenen Fachraum und schloss ihn auf. Alle gingen der Reihe nach in den Kunstraum und setzten sich auf ihre Plätze. Wenigstens saß ich neben einer meiner Freundinnen. Und zu meinem Glück war es auch noch Clara, die neben mir saß. So konnte ich sie wenigstens ansprechen und fragen was passiert war.

Wir arbeiteten berreits eine halbe Stunde an unseren Bildern weiter und ich traute mich endlich Clara anzutippen.
»Clara, kann ich dich was fra-...«
Weiter kam ich nicht, denn sie sprang direkt auf und fragte die Kunstlehrerin, ob sie auf die Toilette gehen durfte. Daraufhin bejate Frau Steppert die Frage und Clara verschwand hinter der Türe des Raumes.
»Ähm..., Frau Steppers? Dürfte ich auch auf die Toilette gehen?«
Die Lehrerin lächelte mich an.
»Aber erst nachdem Clara wieder zurrückgekehrt ist.«
So lange kann ich aber nicht durchhalten.«
»Na gut, aber bleib nicht allzu lange weg.«
»Vielen Dank!«
Ich verbäugte mich höflich ( warum auch immer ) und lief aus dem Kunstraum. Mit einem schnellem Tempo rannte ich zu den Toiletten, die sich im zweiten Stock befanden. Als ich die Türe des Mädchenklos öffnete, höhrte ich ein lautes Wimmern. Ich öffnete die einzelnen Kabinen und entdeckte Clara, die zusammengerollt und weinend auf einer Toilette hockte.

The Feelings of WingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt