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Bevor ich dich überhaupt lang genug anschauen konnte, fuhr der Zug vor und verdeckte die Sicht auf dich. Ich verstand keineswegs, was in diesem Moment geschah, aber ich spürte, dass grad was passiert war, was bis vor einem Moment noch nicht so war. Nicht, dass nur ich aus irgendeinem Grund versuchte, deinen Blick wieder zu fangen, auch du warst damit beschäftigt, mich wieder zu finden. Wir beide duckten uns und starrten uns durch die Scheiben des Zuges an, Gleise voneinander entfernt. Ich konnte mir nur vorstellen, wie witzig diese Szene auf Außenstehende wirkte, wie wir uns da bückten und verrenkten, um einen weiteren Blick zu erhaschen. Als wir uns wieder tief in die Augen schauten, blieben wir beide in geduckter Haltung stehen und als ob du meine Gedanken gelesen hättest, zog sich ein Grinsen über dein Gesicht und du hobst eine Hand, um mir zu winken. Ich konnte mir mein Grinsen nicht verkneifen und bevor ich zurück winken konnte, durchbrach das Piepen der Zugtür diesen Moment und brachte mich wieder zurück. Ich rannte auf die Tür los, um den Zug noch zu bekommen und als ich drinne war, nahm ich einen tiefen Atemzug. Ich schaute nach draußen und da standest du, verträumter als ich es immer war und fragte mich, was du dir wohl dachtest. Das fragte ich mich immer. So oft waren Menschen um mich in Gedanken und mich interessierte es, was sie gerade beschäftigte, welcher Gedanke sie aus dem Jetzt riss und irgendwo hin brachte, wo sie alleine waren. Und umso trauriger machte mich die Antwort, die ich oft bekam: "Nichts." Konnte man nichts denken? Das klang verrückt für mich, aber ich verstand genau, warum jede einzelne Person mir diese Antwort gab. Sie fühlten sich ertappt, wie sie so da sitzen und sich auf ein mal ihren Gedanken hingeben, parallel von allem, was eigentlich um sie geschieht. Sie driften ab, sind einen Moment nicht mehr parat, nicht erreichbar, sind einen Moment lang einfach veträumt und peinlich berührt, wenn man sie in so einem intimen Augenblick ertappt. Wieso ich das traurig finde? Weil genau diese Gedanken einen zerbrechlich machen, sie sind es, die uns fesseln und beschäftigen, für einen Moment kontrollieren. Und wir schieben sie zur Seite, kehren sofort wieder in das, was gerade um uns passiert und lassen uns selbst los, lassen uns zurück.
Aber wie du da so standest, wecktest du meine Neugier und die Frage, was du gerade dachtest, sie brannte in mir. Als der Zug sich langsam zu bewegen anfing, realisierte ich auf ein mal, dass mit jeder Sekunde der Abstand zwischen uns beiden zunahm. Auf ein mal erdrückte mich ein beklemmendes Gefühl und ich stellte mich an die Scheibe, um dich anzuschauen, solang ich noch konnte. Eine Art Panik ergriff mich. Wieso machte mich die zunehmende Entfernung immer nervöser? Weder du noch ich wussten, wann wir uns das nächste Mal sehen würden, aber aus irgendeinem Grund breitete sich ein Gefühl aus, dass diese Beklemmnis in mir dämpfte.

Als Du Kamst Und Nie Wieder GingstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt