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"Verbannt?"

Man merkte eigentlich sehr deutlich, dass er nicht darüber reden wollte, aber ich bestand eben darauf zu wissen weshalb er nun in dem Loch unter meinem Bett wohnte.

Viel mehr interessierte mich zwar wie genau er dieses Loch in die Wand geschlagen hatte und das, ohne dass ich davon auch nur das Geringste mitbekommen hatte, aber um ihn das zu fragen hatte ich vermutlich noch genug Zeit.

"Ich hab vielleicht was ziemlich dummes angestellt..."

"Nun rück aber endlich raus mit der Sprache, ich will dir nicht alles aus der Nase ziehen müssen."

"Na schön aber das kann länger dauern, würde es dir was ausmachen mich vielleicht runterzulassen, mir wird gerade ziemlich übel hier oben."

Ich senkte meine Hand ab, sodass er auf mein Knie hüpfen konnte, obwohl es mich schon ziemlich interessiert hätte ob er Feenstaub kotzen würde...

"Solange du mir jetzt bitte endlich erzählst, wie verdammt du in meinem Zimmer gelandet bist!"

"Einverstanden."

Nun ließ er sich auf meinem Knie nieder und schaufte tief durch. Ich sah ihn einfach nur an, bewegen konnte ich mich nicht, sonst wäre der Kleine vermutlich von meinem Knie heruntergepurzelt.

"Feenflügel sind eigentlich weiß, ist ja klar. Bei einer Verbannung verfärben sie sich allerdings schwarz und somit ist man auffälliger. Selbst wenn ich einfach in mein Dorf zurückgehen würde, würde ich dort sofort erkannt werden. Somit ist ja dann alles geklärt und jetzt würde ich gerne..."

Er wollte gerade an meinem Hosenbein heruntergleiten als ich ihn am Arm packte.

"Aua! Du tust mir weh! Lass das!"

Das kleine Feechen zappelte wie am Spieß und versuchte sich zu befreihen.

Ich jedoch ließ ihn in meine Hand fallen und schloss ihn dann mit der Anderen ein, sodass ich gerade so mit einem Auge durch eine Lücke zwischen meinen Händen sehen konnte.

"Lass mich hier sofort raus, hörst du?! Ich befehle es dir!"

Und da war es wieder, das Bürschchen mit der großen Klappe.

Um ihm zu verdeutlichen, dass er absolut nicht in der Lage war, mir Befehle zu erteilen, schüttelte ich Stegi in meinen Händen durch und kurz darauf hörten auch die Bewegungen innerhalb der Kuhle meiner Hände auf, die ich nur Sekunden vorher noch vernommen hatte.

Ich nahm die obere Hand weg und sah den Kleinen auf meiner Hand sitzen, während er sich den Kopf hielt und scheinbar versuchte, mich mit seinen Blicken zu ermorden.

Kurzzeitig begann ich zu grinsen, dann jedoch versteinerte sich mein Blick wieder und ich fand zu dem zurück, was eigentlich mein Plan war.

Ich packte den Kleinen in eine Faust und hob ihn auf meine Augenhöhe.

Trotz meiner Stimmung blieb ich sanft, ich wollte ihm ja schließlich nicht wehtuen.

"Hör mir mal zu, ich bin kein besonders geduldiger Mensch, deshalb frage ich dich jetzt nurnoch einmal... Wieso wurdest du verbannt?"

Um meinen Worten Nachklang zu verlangen wurde meine Stimme mit den letzten Worten zwar leiser aber immer bedrohlicher.

Und dann passierte etwas womit ich nicht gerechnet hätte und eigentlich wollte ich das auch garnicht erreichen.

Stegi brach vor meinen Augen in Tränen aus.
Einfach so, ohne dass ich etwas getan hatte.

Er weinte bitterlich, sein kleiner Körper wurde von Schluchzern durchschüttelt und winzige Tränen stürzten nacheinander seine Wangen herunter.

Dieser Anblick zerriss mir mein Herz und so ließ ich den kleinen Feenjungen wieder los und legte ihn sorgsam auf meinem Kissen nieder.

Ich eilte zum Schrank und griff ein Taschentuch heraus.

Vorsichtig riss ich ein kleines Stück davon ab und reichte es Stegi, der fast reglos auf dem Kissen lag und fast schon Gefahr lief darin zu versinken.

Zögerlich ergriff er den Fetzen des Tuchs und schneuzte sich herzlich die Nase darin.

Man merkte, dass er versuchte sich irgendwie zu beruhigen, jedoch ohne großen Erfolg.

Seine Tränen rannten weiter unerbittlich hinab und immer wieder schluchzte er laut auf.

Vollkommen perplex saß ich einfach nur neben dem Kissen, ich wusste absolut nicht was ich hätte tun sollen.

Seine blonen Haare hingen ihm weit ins Gesicht, die Spitzen waren breits von seinen bitterlichen Tränen durchnässt, ebenso wie der Bund des weißen T-Shirts.

Ob er nun weinte weil ich in eine Wunde gegriffen hatte oder wie ich es getan hatte wusste ich nicht und so schnell würde ich das vermutlich auch nicht mehr erfahren können.

Selbst wenn er sich bald beruhigen konnte, würde ich sicher nicht wieder den Fehler machen und ihn allzu bald darauf ansprechen.

"Ich bin gleich wieder da, Kleiner."

Langsam stand ich auf, durch das fehlende Gegengewicht sank Stegi noch weiter in das Kissen ein sodass er nun kaum noch zu sehen war.

Rückwärts lief ich aus dem Raum heraus, ließ ihn nicht aus den Augen bis ich die Tür schloss.

Danach sprintete ich so schnell wie es mir nur möglich war die Treppe herunter in die Küche.

Dort fischte ich die Keksdose vom obersten Regal und nahm den letzten Keks, der sich darin noch befand heraus.

Mit diesem sprang ich nun wieder in einem mörderischen Tempo die Treppe hinauf und huschte in mein Zimmer hinein.

Nun näherte ich mich, wieder langsamer, dem Bett.

Stegi lag immernoch an der selben Stelle, hatte sich offenbar keinen Millimeter bewegt.

Ich setzte mich wieder zu ihm und brach ein kleines Stückchen des Kekses ab.

Um die Krümel die auf den Boden fielen kümmerte ich mich nicht, stattdessen reichte ich nun Stegi das kleine Stück.

Dieser schien mich erst jetzt wieder bemerkt zu haben und richtete sich nun ganz langsam auf, zumindest soweit ihm das durch das Kissen möglich war.

Seine Augen waren im Vergleich zu seinem restlichen Gesicht relativ groß und in diesem Moment flogen sie zwischen mir und dem Stück Keks zwischen meinen Fingern hin und her.

Er schniefte und wischte sich mit der Hand über die Nase.

"Wofür ist das?" fragte er, ergriff aber dann schließlich doch den Keks.

Die Reste dessen legte ich auf den Nachttisch.

"Naja weißt du...", begann ich zu erzählen "jedes Mal, wenn ich als kleiner Junge traurig war, oder es mir nicht gut ging hat mir meine Oma Kekse gebacken. Und mittlerweile schickt sie mir jeden Monat immernoch ein Paket mit diesen Keksen. Nur für den Fall..."

Zum ersten Mal seit er zu weinen begann, sah ich ihn nun wieder lächeln und vorsichtig nagte er nun an dem Keksstück.

"He! Die sind echt gut..."

Ich musste lächeln.

Diese Kekse lösten in mir Glücksgefühle aus, selbst wenn diese Wirkung nur ein Plazebo wäre, solange es half wäre es doch in Ordnung.

Und auch bei Stegi schienen die Kekse nach wenigen Augenblicken Wirkung zu zeigen.

Sein Schluchzen wurde unregelmäßiger und immer weniger Tränen rannten aus seinen Augen.

Nachdem er den ganzen Keks bis zum letzten Krümel gegessen hatte, legte er sich wieder um und schmiegte sich in das Kissen.

Wenige sekunden später schien er bereits in einen leichten Halbschlaf versunken zu sein und schließlich dämmerte er ganz weg.

Das Einzige was er nun noch von sich gab waren leise Geräusche, fast wie ein Schnarchen aber eigentlich doch mehr wie ein permantes Seufzen.

Irgendwie ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht was ich mir damit gerade eingebrockt hatte.

Fairytale ~StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt