20. Kapitel

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Fara saß auf ihrer Blumenwiese vor dem Gut. Hier zog sie sich immer zurück, wenn sie nachdenken musste. Und das musste sie.

Bei all den Göttern kam sie denn nie zur Ruhe?

Sie kannte diesen Mann nicht, der in der Halle des Langhauses stand und behauptete ihr Bruder zu sein. Fara musste zugeben, dass er eine gewisse Ähnlichkeit mit ihr besaß, aber sie wusste nichts von ihrer Familie bis auf diese eine Erinnerung.

Hier war nun ihre Familie!

Die Wikinger hatten sie aufgenommen, obwohl sie nichts von ihr wussten. Sie hatten keine Vorbehalte gehabt und hatten sie nur nach ihrem Können beurteilt.

Auch die Kinder waren von Anfang an Mitglieder der Gemeinschaft. Bis auf Egil und Magnus kannte niemand die Herkunft von Godric und Norien. Aber auch das war allen egal.

Wie würde es sein, wenn sie die Kinder mit in das Frankenland brachte?

Würden sie genauso aufgenommen werden wie hier?

Fara wusste es nicht.

Und Egil!

Sie wollte ihn nicht verlassen. Sie hatten so ein inniges Band geschlossen, Fara war sich sicher gewesen, dass dieses Band niemand durchtrennen konnte.

Und nun hatte sie das Gefühl, sie stand vor einem Scherbenhaufen.

„Du solltest mit ihm reden!"

Sie hatte Egil nicht bemerkt, der sich hinter sie setzte und sie in seine Arme nahm.

„Ich will es nicht, Egil! Er will mich mitnehmen! Was soll ich bei den Franken?"

Er küsste zart ihre Schulter.

„Du bist die Schwester des Fürsten! Du wirst eine begehrte Frau sein."

Sie schnaubte leise.

„Ich will keine begehrte Frau sein, ich will deine Frau sein! Ich verstehe nicht, warum gerade du so etwas vorschlägst!"

Er zog sie noch näher an sich heran. Sein Kinn ruhte auf ihrer Schulter.

„Ich will dich nicht verlieren, Fara. Daran darfst du nicht einmal denken. Aber ich will dir die Möglichkeit nicht nehmen, deinen Platz anzunehmen, der dir von Geburt an zu steht."

Sie schüttelte den Kopf. Tränen rannen über ihre Wange.

„Hör mir gut zu, Egil Magnusson. Mein Platz, ob von meiner Geburt vorbestimmt oder auch nicht, ist bei dir! Je eher du das endlich begreifst, desto besser wäre es für dich! Was hat mein Bruder schon für getan? Hat er mich aus der Sklaverei befreit? Nein, das war Corwin. Er hat mich auch die Heilkunst gelehrt, die dich beeindruckt hat."

Er lachte leise.

„Mich beeindruckt etwas ganz anderes an dir, Weib!"

Sie schlug ihm leicht auf die Schenkel.

„Unterbrich mich nicht! War es denn mein Bruder, der mich von Bodobert befreit hat? Nein, das warst du. Wer hat mich mit in seine Heimat genommen, obwohl er mich kurz aus seinen Diensten entlassen hat? Wer, frage ich dich, hat mir hier eine Heimat geschenkt, eine Familie, ein Ort, an dem ich endlich Ruhe finden kann? War das mein so genannter Bruder? Nein, auch das warst du! Obwohl du wusstest, dass die Kinder nicht meine sind, hast du sie angenommen, als wären es deine eigenen. Kann er mir das auch garantieren? Ich denke nicht!"

Sie drehte ihren Kopf zu ihm und küsste ihn auf die Wange.

„Ich werde kein Fuß auf das Boot meines Bruders setzen, wenn das bedeutet, dass ich dich verlassen muss! Ich glaube, ich sollte es dir in deinen sturen Schädel einprügeln. Ich liebe dich, Egil Magnusson! Du bist mein Mann und kein noch so schöner Titel wird daran etwas ändern!"

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