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Ich wache auf, zitternd, aus Angst vor den Erinnerungen und vor Kälte.
Dieser Traum - jede Nacht sucht er mich heim. Ein Jahr ist es her, dass ich meinen Bruder Caspar getötet habe, als Der Brand so weit bei ihm fortgeschritten ist, dass seine Gedanken nicht mehr seine eigenen waren.
Noch bevor ich ihn tötete hatte er meine Familie infiziert. Mum, Dad und Grandma - alle musste ich töten.
Meine Familie war eine der ersten bei uns in der Stadt, welche sich infizierte und durch das Virus ausgeschaltet wurde.
Durch mich ausgeschaltet wurden.

Vor anderthalb Jahren war alles losgegangen - ich erinnere mich genau. Ich saß in der Bahn, sie glitt geräuschlos über die Schienen. Die Ferien hatten begonnen, ich war endlich im Abschlussjahr. Voller Freude hatte ich das Schulgebäude verlassen - Caspar, mein älterer Bruder wollte heute Heim kommen. Er hatte bei der Army gedient, machte richtig Karriere. Daran hatte ich gedacht.
Und dann ging alles schnell: Als erstes fiel der Strom aus, dann wurde es heiß. Unglaublich heiß.
Stellt euch den heißesten Sommertag vor, den ihr je erlebt habt, dann multipliziert das Ganze mal 100. Alle, die zu dem Zeitpunkt ungeschützt draußen waren, verbrannten sofort. Meine Familie hatte zu dem Zeitpunkt noch Glück. Wir waren alle unterirdisch - nur bei Caspar weiß ich es nicht genau.
Erst später erfuhr ich davon, dass es sich um eine Sonneneruption gehandelt hatte.
Dann folgte das Eine aufs andere:
Fast die gesamte Erde war einmal gründlich geröstet worden, Ressourcen waren knapp, die Technik war zerstört. Wir waren wieder ganz am Anfang.
Dann kam Die Welle. Ein Tsunamie überrollte unsere Stadt und viele andere auch. Sie forderte die zweite Runde Opfer. Jetzt war jeder dran, der nicht schwimmen konnte, sich in die Höhe rettete, oder die zuvor schützenden unterirdischen Tiefen verlassen hatte.
Gemeinsam mit ein paar anderen hatte ich mich in einen Wolkenkratzer gerettet.
Später lief ich durch die zerstörte Stadt, hinaus in den Vorort, zu unserem zertrümmerten Haus. Dort fand ich Mum, Dad und Grandma.
Genau wie alle anderen bauten wir uns aus den Resten unseres Heims eine notdürftige Hütte. Versuchten einfach zu überleben.
An diesem Tag kam Caspar nicht heim. Wir dachten er sei tot.
Erst viele Wochen später tauchte er auf. Groß, stark, aber verdreckt und erschöpft. Zunächst schob ich das auf seine lange Reise. Er hatte sich durch das Land gekämpft. Die Züge waren lahmgelegt. Autos waren eine Seltenheit. Jeder der eins hatte - und genügend Spritt - flüchtete hoch in den Norden. Da sollte es nicht so schlimm gewesen sein - angeblich.
Dann wurde Caspar komisch. Redete häufig wirre Dinge, verhielt sich seltsam.
Später wurden er immer würender, schlug um sich, griff Mum an. Und da kapierte ich, dass er nicht einfach nur erschöpft war. Mein Bruder war krank.
Ich hatte gedacht, es wäre ein Kriegstrauma und nach dieser globalen Katastrophe hätte ihm das den Rest gegeben, dann riss er sich Haare aus. Sein Körper zerfiel.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ihn dann getötet.
Erst viel später erfuhr ich von Dem Brand. Diesem Virus, was in einem biochemischen Labor freugesetzt worden war als es zur Sonneneruption gekommen war.
Mein Bruder hatte ihn gehabt. Dann meine Familie. Dann immer mehr Leute unserer Stadt. Zu dieser Zeit stieg die Kriminalität in eine unvorstellbare Höhe.
Und ich musste auch noch den Rest meiner Familie töten. Mein Bruder hatte ein Gewehr von der Army mit nach Hause gebracht. Das hatte ich später mitgenommen.

Jetzt lag ich unter meiner Jacke zusammengerollt und dachte wieder einmal über das letzte Jahr nach. Ich war allein losgezogen. Hatte niemanden aus meiner Nachbarschaft mitgenommen. Uns hatte damals auch niemand von denen geholfen.
Seit einem Jahr kämpfte ich mich nun allein durch.
Ich besaß nichts, was ich nicht tragen konnte. Manchmal, in einem ruhigen Moment, dankte ich dem Schicksal, dass mein Bruder zumindest noch in einem Punkt nützlich war am Ende. Dank ihm habe ich ein Gewehr, eine Ausüstung und warme, witterfeste Kleidung. Die Sachen sind mir viel zu groß, der Rucksack ist gefühlt ein halbe Haus, das Gewehr wiegt viel mehr, als eigentlich zusätzlich noch tragen könnte, seine alte Tarnjacke ist mur viel zu groß. Seine Marke trage ich um den Hals. Es ist eine schwache Erinnerung daran, wer ich bin. Wer meine Familie ist.
In dem Rucksack hatte ich ein paar wenige Wechselsachen. Aber hauptsächlich Wasserflaschen und Nahrung. Außerdem ein altes Notfallset mit Verbänden und Desinfektionsmittel, Seile und ein paar Messer.
Mehr nicht.
Und selbst die Nahrung wurde allmählich knapp.
Wenn die Nahrung knapp wird, dann bedeutete das immer, dass ich in eine Stadt musste.
Und normalerweise vermied ich die großen Städte. Die Rechnung war einfach:

Große Städte - einigermaßen Nahrung
Nahrung - Menschen
Menschen - Cranks
Cranks - Gefahr
Gefahr - Tod

Mein Name ist Harper Jones. Ich bin 19 Jahre alt. Und ich bin eine Mörderin.

Zombie Apokalypse Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt