Kapitel 3 - Besuch

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Ich schreckte hoch, stolperte aus dem Bett und zog mir ein neues Shirt aus dem Schrank. Ich bemerkte ein Stechen im Bein, kümmerte mich dennoch nicht weiter darum und begab mich schnell zur Treppe nach Unten, immer noch voller Adrenalin, wegen des Traumes. Auf dem Weg schaltete ich das ein oder andere Licht ein, da es stockdunkel war. Herbst eben. Im Sommer wäre es noch angenehm hell. Ich rannte zur Haustür und öffnete diese langsam, um erst schauen zu können, wer vor dieser stand. Ich war keiner dieser Menschen, der erst durch den Türspion schaute. Zum einen lag das daran, dass ich es langweilig fand und es den Überraschungseffekt nehmen würde und zum anderen, weil ich es immer wieder vergaß.

Ein junger Mann stand dort. Vielleicht so alt wie ich, oder ein paar Jahre älter. Vielleicht allerhöchstens 28. Ich musterte ihn kurz, öffnete die Tür weiter und sagte freundlich vorsichtig, leicht stotternd
"G-guten Abend."
Und versuchte mir ein Lächeln aufzusetzen. Ich war sicher, dass es schief und hässlich war.

Der Mann lächelte jedoch freundlich zurück und gab ein sicheres
"Hallo!"
von sich.
Um Gottes Willen, gebt mir doch seine Selbstsicherheit.
"Ich hatte gehört, dass Sie neu hier in der Straße seien und habe nun in der Hoffnung, dass Sie noch nicht schlafen, hier geklingelt. Doch es scheint mir als hätten Sie bereits geschlafen. Entschuldigen sie vielmals, Miss..Crystal, richtig?"
Vollkommen überfordert mit all den Informationen versuchte ich Antworten zu finden.
"Ach nein, nein. Vollkommen im Ordnung, kommen Sie doch rein, wenn sie möchten!"
Es meldete sich eine Stimme.
"Einen wildfremden Mann in die Wohnung lassen? Bist du noch bei Trost?!"
Ich ignorierte sie und ging einen Schritr beiseite. Er trat in's Haus und gab ein
"Liebend gern."
Von sich.
Ich bat ihn in's Wohnzimmer, welches direkt gerade aus war. Er zog noch höflich seine Schuhe aus und begab sich dann vom dunklen Flur in das leicht erleuchtete Wohnzimmer. Ich folgte ihm mit leicht zitternden Beinen und sagte ich, dass er es sich bequem machen kann, wenn er wollte. Er setzte sich auf die Couch.
"Etwas zu trinken?"
Fragte ich. Das hatte ich von meiner Großmutter gelernt. Sie war eine tolle Frau und sagte damals lustigerweise sehr oft, dass man Gästen Getränke anbieten solle.
Noch bevor er antworten konnte sprach ich weiter.
"Ach und mein Name ist Alice. Bitte nenn mich doch lieber Alice. Duzen ist mir so viel lieber. Sonst fühle ich mich so halt."
Ich kicherte. Wieso kicher ich?! Alice, argh.
"Nein, danke, nichts zu trinken. Und mein Name ist Alex."
Er lächelte. Wie süß er lächelte, oh mein Gott. Alice! Hör auf man.
"Gut, uhm, ich bin gleich wieder da"
Sagte ich ging in die Küche um mir einen Kakao zu machen. Auf dem Weg zurück schaltete ich anständiges Licht im Wohnzimmer an. Sonst würde man es doch nicht weiter ertragen können.
Plötzlich schrak Alex auf und schaute mich ernst an.
"Was hast du an deinem Bein gemacht, Mädchen?"
Zum ersten Mal schaute ich an mir runter. Mein übergroßes, schwarzes Shirt saß gut. Doch mein aufgekratztes, blutiges Bein sah nicht so super aus. Ich stellte meinen Kakao auf die Ablage neben mir, welche die Küche vom Wohnzimmer abtrennte und fand keine Worte.
"Ich, uhm, das..ich weiß nicht genau."
Ich war verwirrt und erinnerte mich an den Traum. Wie sollte..
"Hast du einen erste Hilfe Kasten?"
Er klang sehr ernst und besorgt. Ich musterte ihn kurz und dachte nach. Er hatte blaues, lockiges Haar. Wie hübsch. Und grüne Augen.
"Im Bad, denke ich."
Kam es einfach aus mir heraus.
"Wo ist das Bad, Kitten?"
Mir stockte der Atem. Dieses Wort. Später nachdenken Alice, später!
"Dort drüben, die Tür."
Ich zeigte auf eine weiße Tür, welche zwischen bemalten Wänden sehr auffiel.
Ich erschrak, als Alex mich kurzerhand hochgehoben hatte und in's Bad trug. Diese Situation war alles andere als normal und alltäglich.

Er öffnete die Tür geschickt und setzte mich in dem ziemlich großen Bad, auf der Toilette ab. Ich zeigte auf einen Schrank, in dem sich der Kasten befand. Alex öffnete ihn und fand sofort was er suchte. Er fragte nach einem Lappen.
Ich zeigte auf eine Schublade gegenüber von uns, neben dem Waschbecken. Ohne zu zögern öffnete er auch diese, nahm was er benötigte und hielt ihn unter lauwarmes Wasser. Er kam zurück, kniete sich vor mich und säuberte mein Bein. Es schmerzte wahnsinnig. Eine Träne lief meine Wange hinab.
"Schmerzt es so sehr?"
Ich konnte nicht antworten. So sehr ich auch wollte. Es kam nichts. Er war noch vorsichtiger und brachte es zu ende. Danach verband er mein Bein. Es sah aus, wie von einem Arzt persönlich gemacht. Ich beobachtete ihn und seine Taten. Schweigend. Zu viele Gedanken waren in meinem Kopf. So viele. Andererseits war es leer. Mein Kopf war leer.

Er legte alles wieder an seinen Platz, hob mich erneut hoch und trug mich im Brautstil aus dem Bad.
"Wo ist dein Schlafzimmer?"
Er klang trocken. Ohne Mitgefühl. Wieso auf einmal?
"Im- im Zimmer oben, also die Treppe hoch und dann das Zimmer rechts. Genau das erste Zimmer rechts"
Ich redete schnell, aber brüchig.
Er trug mich nach oben und legte mich auf dem großen Bett ab und schaltete die Nachttischlampe ein.
"Ich hoffe es war in Ordnung, dass ich das alles tat?"
Ich nickte.
"Nun gut, ich werde morgen wiederkommen und dann sehen wir weiter. Du siehst sehr mitgenommen aus, Kleines."
Ich schüttelte den Kopf und griff nach seiner Hand.
"Bleib. Ich will nicht allein sein. Ich will nicht allein mit all den Stimmen sein. Und diesen Alpträumen. Ich will das nicht. Tu mir das nicht an. Bitte."
Ich fing an zu weinen und mein Körper begann mehr zu zittern als ohnehin schon.
"Leg dich einfach zu mir, bitte. Es ist egal, wie du schläfst, aber bitte, bitte lass mich nicht allein."
Er setzte sich auf die Bettkante und nahm mich in den Arm.
"Hey, shh. Ich bleibe. Alles wird gut, Kitten."
Er musste mich für eine geistig Gestörte halten. Haha.
Mein Zittern beruhigte sich. Er stand auf, zog seine Hose und sein Shirt aus. Ich beobachtete ihn um zu sehen, dass er wirklich nicht ging.
Er schaltete das Licht aus und lief auf die andere Seite des Bettes. Er legte sich hinein, nahm mich vorsichtig mit dem Rücken zu ihm gedreht in den Arm und zog mich zu sich. Mein Zittern wurde nach 10 Minuten weniger, doch es nahm kein Ende.
"Ist dir kalt?"
Ich verneinte leise.
2 Minuten später sprach ich leise
"Es tut mir leid."
"Kein Problem. Bitte entschuldige dich nicht."
"O-okay."
Diese Situation, der ganze Abend war zu seltsam gewesen. Irgendwann schlief ich jedoch endlich ein. In den Armen eines viel zu gut riechenden Jungen.
In den Schlaf begleiteten mich alle Stimmen. Streitend, wie bescheuert ich doch wäre.
Die letzten Worte, die ich wahrnahm, waren die Alex's tiefer Stimme.
"Alles wird gut, Kitten."

Ungewollte HandhabungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt