1. Kapitel

41 1 0
                                    


Isabell

Ich bin nervös. Im Zimmer ist es auf einmal irgendwie stickig geworden, ich öffne ein Fenster und stecke so weit wie möglich meinen Kopf heraus. Die Herbst Luft ist erfrischend und der kühle Luftzug hinterlässt mir eine Gänsehaut. Noch eine Weile verharre ich in dieser Position, bis mir vom Beugen und auf den Zehenspitzen stehen das Kreuz weh tut. Im Zimmer schalte ich das Licht aus und laufe die Treppe nach unten. Auf der Hälfte verharre ich plötzlich, versuche gleichmäßig zu atmen und die letzten Stufen ruhig hinunter zu gehen. In der Küche sehe auf die Uhr. 16:30 Uhr. Ich muss los. Von der Couchlehne sammle ich meinen Schal auf, von der Garderobe meine Strickjacke. Handy sitzt in der Hosentasche, Geld in der anderen. Noch ein kurzer Blick in den Spiegel der im Flur hängt und ich bin weg. Ich habe noch kein Auto und den Führerschein ebenfalls nicht. Auch wenn meine Eltern mich dazu drängen wollen, versuche ich dem Thema aus dem Weg zu gehen, so gut ging. Deshalb gehe ich jetzt zu Fuß los, da dass Cafe eine halbe Stunde entfernt ist. Ich bin gut in der Zeit, denke ich. Während ich an die Zeit denke, kommt mir der Gedanke, an das Bevorstehende. Ich sollte umkehren, es ist eine Schnapsidee, jetzt in dieses Cafe zu gehen – wegen ihr und wegen ihm. Mir wird schlecht, der Gedanke mit einem Jungen allein an einem Tisch zu sitzen, lässt mir die Galle nach oben steigen. Wir waren gar nicht allein, schließlich war Lu dabei, aber trotzdem, er auch. Ich darf sowieso keinen Cafe trinken, es ist viel zu spät und davon kann ich nachts nicht mehr schlafen. Vielleicht einen Tee. Oh, ja, ein Beruhigungstee würde mir gut tun oder einen mit Vanille, Erdbeere, oh, vielleicht hatten sie auch einen mit Himbeergeschmack. In meinem Kopf dreht es sich nur um Teesorten, bis ich bemerke dass ich kurz vor der Ampel stehe. Aus meiner Hose wühle ich mein Handy heraus und schalte das Display ein. Es ist gerade mal 16:48 Uhr. Pünktlich, glaube ich. Ich warte bis die Ampel auf Grün umschaltet und gehe dann hinüber. Nicht als sie es tat, sondern weil ein wütender Geschäftsmann mit Krawatte mich an hupt, da ich auf die Umschaltung nicht geachtet habe.

Peinlich berührt überquere ich sie. Oh Gott, was, wenn das Jemand gesehen hat? Der muss sicherlich denken das ich total verpeilt und verschlafen bin. Unruhig sehe ich mich um, niemand scheint es mit bekommen zu haben. Aber der Typ! Im Auto, der mit dem Kopf schüttelte. Er hat es gesehen. Wieso kann ich denn nicht aufpassen. Ich bin so verkorkst, ich will umdrehen, was will ich hier? Aber wenn ich gehe, wird Lu auf mich sauer sein. Ja, sie denkt dass ich ein Feigling bin. Ja, sie wird mir sicher einer ihrer Vorträge halten, dass es nicht mehr so weiter gehen kann. Das ich ihre Hilfe nicht zu schätzen weiß. Sie wird mir die Freundschaftkündigen, die einzige die ich habe. Tränen steigen auf und ich muss sie unterdrücken, da zwei Mädchen auf mich zu kommen. Zwei total hübsche. Enge Highway Hose, knappes Top, geglättete Harre, dunkler Nut – Lippenstift. Ich würde meistens alles dafür geben um so auszusehen. So selbstsicher, so eigenständig, so sicher, so wahnsinnig hübsch. Im Schaufenster betrachte ich mein Spiegelbild. Meine Haare fallen fahl über meine Schultern, oberhalb platt und fettig, unten puschen sie sich auf. Ich hatte mir die Locken raus gekämmt, da ich sie in der Früh immer nie bändigen kann. Meine Strickjacke liegt breit über meine Hüften und meine Schenkel berühren sich sogar im stehen. Ich ziehe den Bauch ein, da ich mich wegen ihm schäme, auch wenn Lu und meine Mutter meinen das ich gar keinen habe. Erleichtert stelle ich fest, dass sich meine Tränen wieder verkrochen haben, mit tiefem einatmen gehe ich voraus. Versuche dabei mein Kinn hoch zu recken, nicht daran zu denken das der Stoff meiner Hose sich am anderen Hosenbein reibt und meinem Bauch einhalt zu gewähren.

Im Cafe ist es voll, als die Tür sich öffnet, drehen sich manche von den Gästen um. Einige von ihnen mustern mich von Kopf bis Fuß, andere wenden sich wieder ab. Bei denen, die mich anstarrten, fühle ich mich fett. Das Blut steigt mir zu Kopf und ich sehe mich nach einem freien, weit entfernten Platz um. Ganz hinten, wo sich die wenigsten aufhielten gehe ich rüber. Ich wäre beinahe weiter gegangen als ich bemerke, dass die Tische sehr nah zu zusammen stehen. Ich sehe mich nach einem günstigen Weg um, einem Weg der mich vor Scham nicht sterben lässt, da mein Bauchumfang sich nie dadurch pressen lassen würde.

Pretty HurtsWhere stories live. Discover now