Prolog

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Jungkook's blaugeschlagenes Auge tat furchtbar weh. Das Pochen und Pulsieren, das stetig von ihm ausging, verursachte bohrende Kopfschmerzen und er sah den beinahe ganz kahlen Raum, die Heizung und die löchrige Matraze in der Ecke nur verschwommen. Seine Sicht wurde nicht klarer.
Während ihm das Blut aus der aufgerissenen Augenbraue tropfte, versuchte er, seinen holprigen und aufgeregten Herzschlag zu verlangsamen.
Ein schneller Herzschlag bedeutete hektisches Atmen.
Hektisches Atmen bedeutete Lautstärke.
Lautstärke bedeutete Ärger.
Ärger bedeutete Schmerz.
Wann hatte er nochmal begonnen, nach diesem Prinzip zu leben? Wann hatte er damit angefangen, auf dem Flur zu schleichen, und nur Wasser in der Schule zu trinken, wo das Geräusch eines laufenden Wasserhahn's keinen störte? Es war zu lange her, so lange, dass er sich fast gar nicht mehr an die Zeiten davor erinnerte.
Leise zog Jungkook seine Knie an die Brust und schlang die nackten Arme darum. Draußen war alles still, selbst die Vögel hatten aufgehört, zu zwitschern, als ob sie Angst vor Jungkook's Vater hatten, der mittlerweile sicherlich in seinem abgedunkelten Zimmer auf dem Bett lag, eine Bierflasche in der Hand, seine Klamotten überall über den Boden verteilt.
Jungkook würde morgen aufräumen müssen.
Er seufzte lautlos und lehnte den Kopf vorsichtig an die Wand. Sein Blick fiel auf seinen uralten Rucksack, der in der Ecke lag und auf die zerrupften und schmutzigen Bücher in seinem Inneren.
Namjoon hatte mal wieder ganze Arbeit geleistet, wie sollte man mit Büchern lernen, die zuerst im Klo, dann im Schlamm und dann im Müll lagen?
Jungkook's Blick wanderte über den alten Reißverschluss, die ausgeleierten Taschen und die dutzenden Flecken seiner Schultasche.
Ist doch kein Wunder, warum Namjoon immer mich wählt. Jeder normale Mensch schafft es, mit einer angemessenen Tasche und einer nicht zerknitterten Uniform pünktlich zum Unterricht zu kommen, nur ich nicht.
Er biss sich auf seiner Unterlippe herum.
Außerdem seh ich aus wie ein behinderter Hase. Dem seine Klamotten nicht passen.
Alles in einem: Der perfekte Schultrottel.
Jungkook drehte seinen Kopf leicht und betrachtete das kleine Wandstück über der Matraze, das mit dutzenden kleinen und beschriebenen Zetteln bepinnt war. Seine Listen.
Er hatte für jeden erdenklichen Anlass eine gemacht: Eine Wenn Ich Einen Tag Frei Habe - Liste, eine Wenn Ich Das Erste Mal Wieder Geburtstag Feiere - Liste, eine Dinge, Die Ich Einmal Sehen Will - Liste, und, und, und.
Doch keine der Listen war so lang wie die Wenn Ich Tot Bin - Liste.

Wenn Ich Tot Bin
1. Steuerreduzierung für meinen Vater
2. Mietreduzierung für meinen Vater
3. Vermietungsmöglichkeit meines Zimmers
4. Reduzierung der Nervenbelastung für meinen Vater
5. Reduzierung der Verletzungsmöglichkeit bei Gewalt an mir für Namjoon
6. Verschwinden eines unnötigen Menschen
7. Aufsparen von Sauerstoff, Wasser und Ressourcen, die eigentlich für mich waren
8. Ein freier Schulplatz
9. Reduzierung des Augenkrebsrisikos für Mitmenschen
10. Reduzierung der möglichen Schädigung des Geruchssinns für Mitmenschen

Jungkook hörte auf zu lesen und sah wieder nach vorne auf die Tür. Seine Sicht schärfte sich langsam wieder, die Kopfschmerzen nahmen jedoch zu.
Die Punkte auf seiner Liste hatten vollkommen Recht. Es gab keinen einzigen Nachteil an seinem Ableben, jedenfalls keinen, der ihm einfiel. Niemand würde ihn vermissen, er hatte keine Freunde und in den Augen seines Vaters war er nur Dreck. Das Grab seiner Mutter war bei Umbauarbeiten abgerissen worden, sie konnte also auch nicht mehr auf ihn aufpassen, in der Schule kannten ihn nur Namjoon und seine Freunde und einige Lehrer.
Er atmete leise aus und spürte den kühlen Luftzug an seinen immer noch angezogenen Knien.
Wieso habe ich es dann noch nicht getan?
Jetzt, wo er so darüber nachdachte, hatte er eigentlich dutzende Chancen dazu gehabt, zum Beispiel im Sommer, als seine Klasse an den See gefahren war.
Hätte Namjoon an diesem Tag die Schnürsenkel um Jungkook's Arme fester zugeknotet, und ihn in tiefers Wasser geschubst, wäre jetzt sowieso alles vorbei.
Jungkook würde nicht mehr leben.
Alle wären glücklich gewesen.
Aber ist es wirklich das, was ich will? Einfach nicht mehr da sein?
Jungkook war klar, was seine Antwort war, es war ihm schon klar gewesen, als er die Listen betrachtet hatte, sogar schon davor, als sein Vater ihn wegen dem Kalk an der Dusche geprügelt wie einen Hund hatte und selbst noch davor, als Namjoon ihn mühelos in die Mülltonne gehoben, und diese dann zugesperrt hatte.
Wahrscheinlich hatte Jungkook sie schon sein ganzes Leben lang gewusst.

-------------------------------------------------------------Hallo, Leute :)Erstmal danke, dass ihr meine allererste Geschichte gelesen habt, hoffentlich hat sie euch gefallen und ihr verfolgt sie weiterhin

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Hallo, Leute :)
Erstmal danke, dass ihr meine allererste Geschichte gelesen habt, hoffentlich hat sie euch gefallen und ihr verfolgt sie weiterhin.
Sagt mir gern eure ehrliche Meinung über den Prolog, äußerst konstruktive Kritik, ich hör mir alles gern an!
In den nächsten Kapiteln werden auch etwas härtere Sachen vorkommen (Gewalt, Sex, Dorgen etc.), wenn ihr sowas nicht mögt, solltet ihr vielleicht eher aufhören zu lesen!
Danke!

Out Of Time [VKook/NamKook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt