Kapitel 1

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"Hey, hey, hey~... Na sieh mal einer an, wer da schon wieder flennt!" Namjoon legte seinen langen Finger der Hand, die nicht in Jungkook's Haaren lag, unter sein Kinn und lächelte ihn kühl an. "Hör mal, Häschen, ich hasse Leute, die weinen. Es macht sie so hässlich..."
Jungkook hatte bereits Erfahrungen mit dem "Hässlich-Sein". Jimin, der mit Abstand einschleimenste Junge der ganzen Schule, kicherte vergnügt über Namjoon. Er war gerade damit beschäftigt, Jungkook's Rucksack in einer der Regentonnen, die in der schmalen Gasse herumstanden, auszuleeren. Jungkook hörte das leise Platschen, wenn eines seiner Bücher ins Wasser fiel, oder das Geräusch von zerreißendem Papier, wenn Jimin eines seiner sorgfältig vollgeschriebener Hefte in die kleinen Finger bekam.
Namjoon's Griff in Jungkook's Haaren wurde stärker. Der Junge spürte, wie der Größere seinen Blick über ihn wandern ließ und dieser schließlich an seinem Auge hängen blieb.
Namjoon stockte. Wir haben ihn gestern nicht ins Gesicht geschlagen. Langsam verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen.
"Nanu? Scheinbar sind wir, die Schule und die gesamte Menschheit nicht die einzigen, die dich zum Kotzen finden!" Er nahm seinen Finger von Jungkook's Kinn und fuhr damit über dessen Augenbraue.
"Wer war das?..."
Jungkook zuckte leicht zurück, teils wegen dem Brennen, das die Berührung auslöste und teils wegen der Furcht, die ihn nach dieser Frage sofort überfiel.
Was würden sie tun, wenn sie es herausfänden?
Sein ohnehin schon aufgeregtes Herz schlug noch schneller. Namjoon erwartete eine Antwort, und zwar schnell.
"K-Keiner, Namjoon! Ich, ähm-... ich bin wo hängen geblieben!"
Sein Gegenüber hob die Augenbrauen und begann spöttisch zu lächeln. Es war offensichtlich, dass er Jungkook die schlechte Lüge nicht im geringsten abkaufte.
"Hängen geblieben?" Namjoon kicherte leise und schüttelte schwach den Kopf. Jimin quietschte ganz leise auf. "Er hat gesagt, dass er hängen geblieben ist, Namjoon!", wiederholte er wie ein hirnloser Papagei.

Wenn Ich Tot Bin
11. Theoretischer Anstieg von Jimin's IQ

Jungkook atmete innerlich tief ein und wieder aus und machte sich auf den Schlag bereit, der nur wenige Sekunden später mit so einer Wucht folgte, dass Jungkook's tränennasses Gesicht zur Seite flog und mit einem Krachen an einen der Müllcontainer knallte.
Ein schrilles Pfeifen füllte seinen Schädel aus. Alles um ihn herum verschwamm, die Stimmen wurden leiser und undeutlicher. Die Welt schien sich vor Jungkook's Augen zu trennen und wieder neu zusammenzusetzen.
Namjoon richtete sich auf: "Fick dich doch, Jeon. Ich finde es sowieso noch heraus, spätestens morgen, wenn wie uns wiedersehen~..."
Sie ließen ihn zurück, nachdem jeder ihm ein letztes Mal eine Beleidigung ins Ohr gezischt, ihn angespuckt oder getreten hatte. Jungkook's Körper tat furchtbar weh.

"Jungkook? Jungkook, komm her!" Er sah auf, als er die helle Stimme seiner Mutter hörte, die in der Küche stand. Er sah ihren Rücken durch die geöffnete Tür. "Jeon, du musst etwas für mich erledigen!"
Er sprang schnell auf und ließ seine Stifte und das Malbuch achtlos auf dem weißen Teppich liegen. Als er in die Küche trat, wurde der leckere Geruch, der die Wohnung bereits ausfüllte, noch stärker. Jungkook schob sich neben seine Mutter und stütze die Ellebogen auf die Arbeitsablage. "Ja, Mama?"

Er schleppte sich nachhause. Die feuchte Schultasche auf seinem Rücken hatte bereits seine Jacke durchnässt und erleichterte das Vorrankommen kaum. Niemand der anderen Passanten beachtete ihn groß.
Wieso sollte man denn auch einen Jungen beachten, der nachhause geht?
Jungkook war komplett klar, dass er trotz der kleinen Verletzungen im Gesicht kaum nach außen hin auffiel.
Vielleicht war das gut, vielleicht auch nicht, er hatte wirklich keine Ahnung.
Sein Schulweg war unerträglich lang, er musste die halbe Stadt durchqueren, um von der Schule zu den etwas ärmeren Vierteln zu gelangen.

Sein Schulweg war unerträglich lang, er musste die halbe Stadt durchqueren, um von der Schule zu den etwas ärmeren Vierteln zu gelangen

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Die Straßen wurden immer schmäler und dreckiger, je weiter Jungkook lief. Die Einkaufspassagen verschwanden allmählich und wurden von Mauern, die über und über mit Graffiti übersprüht waren, ersetzt.
Und auch die Menschen änderten sich. Desto näher er seinem Apartment kam, desto weniger lebendig waren die Menschen, die er sah. Die Hälfte von ihnen lehnte betrunken und komplett zu an irgendwelchen Häusern und bekamen nichts mehr von ihrer Umgebung mit.
Vielleicht ende ich auch so. Oder anders...
Jungkook seufzte und beschleunigte trotz der zunehmenden Schmerzen seine Schritte.
Als er die Tür seines kleinen Apartments, das er mit seinemVater bewohnte, öffnete, schlug ihm der Alkoholgeruch wie eine große Welle entgegen. Ihm blieb kurz die Luft weg, dann fasste er sich schnell, trat leise in die Wohnung und schloss lautlos die Tür hinter sich.
Ist er wach?
Kaum, dass er einen winzigen Schritt gemacht hatte, wusste er, dass sein Vater wach war. Ein Quietschen war zu hören, als sich jemand von dem Bett im Schlafzimmer erhob und kurz darauf folgte das typische Keuchen, während sein Vater sich über den mit Flaschen übersäten Boden in den Gang quälte.
Jungkook stand stocksteif da, die Tasche über der Schulter. Was sollte er anderes tun? Wenn er weiterging und den Mann einfach ignorierte, würde er vor Schmerzen nicht mehr schlafen können. Dasselbe würde passieren, wenn er jetzt etwas sagte.
Also stand er und schwieg.
"Wo warst du lang?..." Jungkook's Hals war plötzlich sehr rau. Seine Stimme war fort. Er fühlte sich auf einmal ganz klein und schwach, er war wieder der kleine Junge, der sich im Schrank vor seinem Vater versteckte.
Klein. Klein, schwach und sehr unnötig. Sein Herz schlug langsamer, er senkte den Kopf.
Jeder sah ihn so. Namjoon, Jimin, die anderen Schüler und Lehrer, die ihn nie verteidigten.
Sein Vater.
Jungkook hatte sich immer gefragt, woran das lag. Wieso war er für jeden so überflüssig?
Nun, weil es so ist, du Idiot.

 Wieso war er für jeden so überflüssig? Nun, weil es so ist, du Idiot

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Hey, das ist das erste wirkliche Kapitel von der Story und ich wollte mich bei allen Votes und Kommentaren bedanken :)
Hoffentlich mögt ihr den Teil der Story, sagt mir doch bitte, was ich verbessern kann!
Danke, eure Peper ♡

Out Of Time [VKook/NamKook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt