2. Kapitel

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Es war Tag der Entlassung. Ich hatte keine Möglichkeit, die Entscheidung zu meinen Großeltern zu ziehen, zu ändern. So vergingen insgesamt fünf Tage im Krankenhaus mit Schmerzen, unendlich vielen Gedanken und maßenhaft Tränen.

Ich sah es nicht mehr ein, glücklich zu werden. Der Tod meiner Mutter ließ mein Leben, wie einen auf den Boden fallenden Spiegel, einfach zersplittern. Wie konnten meine, mir eher unbekannten, Großeltern das flicken?
Dafür müsste ein Wunder geschehen, denn Hoffnung hatte ich defintiv keine mehr.

Mittlerweile saß ich schon in der Eingangshalle. Dr. Dracford wich mir die ganze Zeit nicht von der Seite.
"Du wirst das schon schaffen", sprach er in einem aufmunternden Ton, "Du bist ein starkes Mädchen."
Diese Worte drangen noch einmal tief in mich hinein. Ich holte tief Luft.

Ich war ein Mensch, der sich viele Fragen stellen, der sich viele Gedanken machte, aber nie irgendetwas für die Zukunft plante. Ja, ich war ziemlich planlos. Immer.
Wie auch jetzt.
Keine Ahnung wie ich meinen Großeltern gegenüber stehen soll.
Ich glaube, dass ich alles immer noch nicht realisieren kann.
Eigentlich müsste ich jetzt zitternd da sitzen, Bauchschmerzen vor Aufregung haben, weil ich so ein Angsthase bin, doch nichts. Ich sitze da, starre einfach geradeaus an den Eingang.

"Ich habe Angst", flüsterte ich. "Chloe, du...", fing er an, doch dann stoppte er schlagartig.
Zwei ältere Herrschaften, gepflegt und anmutig aussehend kamen in unsere Richtung. Waren das meine Großeltern?
Meine Frage wurde schnell beanwortet, da Dr. Dracford von seinem Stuhl aufsprang und auf sie zu ging. Dabei sagte er: "Guten Tag Frau Thompson, Herr Thompson!"
Thompson war der Nachname meiner Mutter. Ich hatte den Nachnamen meines Vaters, wahrscheinlich damit ich wenigstens etwas von ihm in meinen Leben hatte.

Eine Kältewelle schlug sich durch meinen Körper. Meine Gefühle stiegen auf und ab. Ich hatte keine Ahnung wie ich mich jetzt verhalten sollte, ob ich aufstehen und sie nett begrüßen sollte oder ob ich einfach lieber schweigend sitzen bleibe.
Wie für mich eher typisch, entschied ich mich für die zweite Variante.

Schließlich blickte ich zu meinen Großeltern hinauf. Bis jetzt schienen sie freundliche Leute zu sein. Möglicherweise haben sie sich ja in den ganzen Jahren geändert.
Doch wer weiß, dieser erste Eindruck könnte sich ja auch schlagartig ändern.

Es war an der Zeit aufzustehen, denn Dr. Dracford drehte sich zu mir um nach einem kurzen Gespräch mit meinen Großeltern. Er hielt mir seine Hand hin und sagte: "Chloe, es ist Zeit. Deine Großeltern wollen los."
Ohne ein Wort zu sagen nahm ich seine Hand und stand deutlich unmotiviert auf. Ich verabschiedete mich von Dr. Dracford, der mir den Aufenthalt hier im Krankenhaus versuchte etwas zu versüßen und der mich einigermaßen wieder aufbaute nach dem Tod meiner Mutter.

Nun schweifte mein Blick hinüber zu meinen Großeltern. Sie standen dort am Eingang eng aneinander. Sie schauten mich an, als ob wir schon so viele glückliche Jahre zusammen gehabt hätten.
Ich bin kein Mensch, der nachtragend ist, aber ich brauche mir mein Leben nicht schön zu reden, weder so zu tun, als ob alles perfekt wäre. Das bin nicht ich und auf sowas habe ich auch keine Lust.

Die drei schwierigsten Dinge, die ich zur Zeit erstmal bewältigen muss, sind, dass ich meine Großeltern aktzeptieren muss und der Besuch von Mom's und meiner Wohnung.
Wie mir mitgeteilt wurde, werde ich nämlich erstmal mit meinen Großeltern dorthin fahren und mir meine wichtigsten Sachen einpacken, sowie wichtige Stücke von Mom, die für mich einen großen Wert haben, mitnehmen.
Unsere Möbel und auch andere Kleinigkeiten, werden versteigert, was mir sehr im Herzen weh tut. Da bringt mir auch das daraus gewonnene Geld, welches mir zugeschrieben wird, nichts.
Das allerschwierigste wird die Beerdigung, die Beerdigung von meiner Mom sein. Diese ist in 2 Tagen. Ich will unbedingt hingehen, aber ich glaube, das würde mich wieder auf Level 0 zurückschlagen. Es wird hart, die Freunde von uns zu sehen, es wird hart Mom zu sehen, wie sie reglos in dem Sarg liegen wird. Alle dort werden weinen, die Stimmung wird im Keller sein.

Es war soweit. Ich war soweit.
Ich ging in Richtung meiner Großeltern und wir verließen schweigend, gemeinsam das Krankenhaus.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 03, 2016 ⏰

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Zwischen Schmerz und EinsamkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt