2. Ich hätte im Bett bleiben sollen.

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Schreie wurden laut. Einige Mädchen begannen, los zu weinen. Dank des spärlichen Lichts, das durch die Lüftungsgitter im Pausenraum drang, erkannte ich die Umrisse einiger Menschen, die panisch versuchten zur Tür zu rennen. Es krachte mehrmals, als sich einige größere Schüler gegen die Tür warfen. Nach dem fünften Stoss brach das Holz und jeder versuchte, als Erster hindurch zukommen. Alles in allem erinnerte es mich an unseren letzten Familientag.

Ich drehte mich zu Shayleen um, die genau so skeptisch aussah wie ich. Sie schaute wieder zu mir und zog fragend die Augenbrauen hoch. Ich zuckte mit den Schultern. Glücklicherweise war ich niemand, der leicht in Panik geriet. Ich meine, wir wissen nicht, ob es vielleicht nicht nur ein einfacher Stromausfall war. So veraltet, wie hier alles war, wäre ein Kurzschluss gar nicht so abwegig.
Shell schien das Gleiche zu denken. Sie hatte sich mit verschränkten Armen zurückgelehnt und beobachtete mit einem amüsierten Ausdruck in den Augen und einem spöttischen Lächeln auf den Lippen die panischen Schüler.
Nach einer Weile schienen diese auch zu bemerken, dass nur eine bestimmte Anzahl Menschen gleichzeitig durch die Tür passte. Sie hatten sich nun zu kleinen Gruppen geordnet und verschwanden hastig durch den Ausgang.
Wir standen auf und schlossen uns einer der letzten Gruppen an. Kurzzeitig verlor ich Shell aus den Augen, dafür tippte mir jemand auf die Schulter. Als ich mich umdrehte, erkannte ich Adrian im gedämpften Licht.
"Hey Night, ist alles okay bei euch?" Er brauchte mehrere Anläufe, bis der Satz bei mir ankam. Er klang wirklich besorgt. Als ich merkte, dass antworten keinen Sinn machte, nickte ich nur. In dem Moment tauchte Shell wieder auf, nickte ihrem erleichtert aussehenden Bruder zu und gemeinsam quetschten wir uns ins Freie.

Draußen standen überall kleine Gruppen Schüler. Sie unterhielten sich zwar, doch man konnte die Anspannung spüren. Weiter hinten entdeckte ich einige Lehrer, sie sahen auch ziemlich aufgewühlt aus. Einer gestikulierte wild herum, eine Andere hatte die Augen zusammen gekniffen und rieb sich die Schläfen. Der Direktor stand daneben und diskutierte lautstark mit einigen Leuten, die augenscheinlich zum Sicherheitspersonal gehörten. Anschließend deutete er mit ausgestrecktem Arm auf ein Gebäude. Sie nickten knapp und liefen in das Gebäude. Ein Wunder, dass sie sich nicht im Gleichschritt bewegten.
Ich lief die wenigen Schritte zu Adrian und Shell, die die Szene gerade wohl auch gesehen zu haben schienen. Adrian hatte die Augen zusammen gezogen und starrte auf die Stelle, an der ich die Männer aus den Augen verloren hatte. Ich wandte mich an Shell und wollte gerade etwas fragen, da bemerkte ich aus dem Augenwinkel, wie hinter Adrian Ende einige Personen auf uns zukommen.
Adrian ging einen Schritt zur Seite, damit sie sich zu uns stellen konnten. Es waren Jordan, Adrians bester Freund und ein eigenartiger Kerl, May, seine feste Freundin und Riley, mit dem ich mich auch gut verstand. May kam sofort mit besorgter Miene auf uns zu und drückte mich fest an sich. Bei Shayleen würde sich das keiner trauen.
"Mädels, geht es euch gut? Habt ihr euch verletzt?" Ihr Blick sagte deutlich: Bitte sagt Nein. Ich schüttelte den Kopf und lächelte ihr zu, Shayleen ebenfalls. Nur ohne Lächeln. Versteht das nicht falsch, sie mag May. Sie lächelt nur nicht. May atmete erleichtert aus. Dann erst dreht sie sich zu Adrian, umarmte ihn und küsste ihn auf die Schläfe. Ich hörte noch, wie sie ihn fragte, ob es ihm auch gut ginge. Seine Antwort hörte ich nicht mehr.
Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, May nicht zu mögen. Und damit wären wir auch bei dem Grund, weshalb aus mir und Adrian nie etwas werden wird.
Ich schaute zu Jordan und Riley. Jordan beobachtete die Schüler ringsherum argwöhnisch. Wie gesagt, er ist ein wenig eigenartig, aber in Ordnung. Die Schulzicken hatten mir erzählt, dass er noch nie eine Beziehung hatte. Auch wenn ich nicht verstanden hatte, weshalb mich das zu interessieren hat. Mittlerweile wusste ich, dass Jordan aromantisch und asexuell war. Er sagte immer, er freue sich schon auf seine 17 Katzen, wenn er alt ist. Und dann wäre da noch Riley. Als ich noch ganz neu an der Schule war, war Riley noch ein Mädchen. Beziehungsweise, körperlich ist er es zur Hälfte immer noch. Und ich musste ihn natürlich im Rahmen meiner Dämlichkeit fragen: "Warst du nicht gestern noch weiblicher?" Applaus für Night Fyreth, die es schafft, unabsichtlich den wunden Punkt jedes Menschen zu treffen.
Riley hatte mich erst seltsam angeschaut, dann hat er sich 10 Minuten vor Lachen nicht mehr eingekriegt. Und ich stand da und war verwirrt. Wie eigentlich immer.

Als Riley mich entdeckte, lächelte er mir leicht zu, doch ich konnte die Besorgnis in seinen Augen sehen. In diesem Moment erklang ein lauter Ton.
Der Direktor stand mit den beiden Security-Männern auf der Plattform am Lehrergebäude, vor ihnen ein Rednerpult und ein Mikrofon. Er tippte zweimal kurz dagegen und es wurde still.
"Ich weiß, ihr seid alle sehr aufgewühlt und fragt euch, was los ist. Wenn wir euch jetzt über die Situation aufklären, bitte ich euch, nicht in Panik zu geraten. Das hilft uns nicht weiter."
Er zögerte einen kurzen Moment lang, dann fuhr er fort.
"Wie es aussieht, ist im Hauptgebäude eine Bombe eingeschlagen."
Und das war der exakte Moment, in dem ich mir wünschte, ich wäre im Bett geblieben. Auch unter den Umständen, dass die Bombe mich dann zerrissen hätte.
Denn daraufhin brach Panik aus.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 09, 2016 ⏰

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The Night Chronicles (Pausiert wegen Stress und Ideenlosigkeit)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt