Kapitel 1

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„Ich meine ja nur, wenn der Winter kommt werden wir erfrieren."

„Aber der Ofen funktioniert doch und du kannst bestimmt Holz hacken gehen." hörte ich meine Eltern vom unteren Stockwerk diskutieren.

Könnt ihr euch nicht einfach darauf einigen, dass wir wieder aus diesem Haus ausziehen?

„AURELIA!" rief Flora aus dem gegenüberliegenden Zimmer zu mir. Bitte, lass mich einfach meinen verdammten letzten Karton auspacken. Doch wie immer ließ sie mich nicht in Ruhe...

„Hast du zufällig meine hellblaue Bluse gesehen?" meine Stiefschwester stand in meinem Zimmer und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Sie musterte mich mit ihren enzianfarbenden Augen von oben bis unten, danach schweift ihr Blick durch mein Zimmer. Überall lagen noch meine leere Kartons und andere Sachen, die ich noch nicht einräumen konnte herum.

„Nein habe ich nicht." Sie stand demonstrativ weiterhin in meinem Zimmer und beobachtete mich mit Adleraugen.

„Kannst du jetzt gehen?" wand ich mich genervt an sie.

„Bist du dir ganz sicher?" hackte sie nach.

„JAA." Gab ich gereizt zurück. Endlich verließ sie mein Zimmer. Ich wartete bis ich ihre Zimmertür zuschlagen hörte, dann holte ich eine Türskifarbende Bluse aus meinem Karton hervor.

„Tja, das ist Türkis und kein hellblau." Lachend versteckte ich die lockere Bluse unter meiner Unterwäsche in der Kommode die aus Lärchenholz geschnitzt war. Fast mein ganzes Zimmer bestand aus Möbelstücken, des barocken Zeitalters, die schon hier schon herum standen wie die Kommode, ein Schminktisch, ein Schaukelstuhl und nicht zu vergessen ein Standspiegel. Glücklicherweise mussten wir einige Räume in diesem Haus renovieren lassen oder besser gesagt alle. Aber obwohl meine Mutter nun wortwörtlich in Geldschwimmen kann sieht sie es nicht ein mir neue Möbel zukaufen. Weswegen ich in einem rustikalen Bett aus Metall schlafen musste. Wenigstens habe ich eine neue Matzratze bekommen.
„Wenn mir die Olle ein bisschen  Geld für Farbe geben würde, könnte ich es ja auch anmalen. Aber Nööö…“

„AURELIA!" ruft dieses mal meine Mutter von unten hoch. Wahrscheinlich soll ich mit dem Hund oder so rausgehen.

„Warum hasst ihr mich alle so?" genervt ließ ich meinen weißen Stofftiger fallen, die Streifen die einst auf seinem kleinen Körper waren sind schon längst verblasst sowie die Erinnerung daran wie ich ihn bekommen habe.

„AURELIA, RUNTER!" war das einzige was ich von der liebreizenden Stimme meiner Mutter vernahm.

„ICH KOMME DOCH SCHON!" schnell rannte ich den engen Gang zur Treppe entlang. Gerade sah ich noch ein Spielzeug von unserem Hund, doch ich konnte nicht schnell genug reagieren. Unsanft landete ich vor der alten Holztreppe.

„WAS MACHST DU DA OBEN?!" Ich wollte gerade eine sarkastische Bemerkung abgeben, doch das schrille Gelächter meiner Stiefschwester riss mich aus meinem vorhaben.

„HALT DIE KLAPPE, FLORA!" zischte ich sie an, doch sie lachte nur noch mehr. Ich rieb mir meine Handflächen, mit denen ich den rauen dreckigen Teppich gestreichelt habe. Den für was  einen neuen Teppich kaufen…Hoffentlich bekomme ich keine Infektion so alt wie der Lappen da ist. Hastig stieg ich ins Erdgeschoss hinab.

„Also, ich hoffe du hast dich nicht zu sehr verwundetet." Gab meine Mutter mit einem unterdrückten Lachen von sich. Ich verdrehte die Augen und nahm mir ein Wassereis aus dem Gefrierfach um meine Hand damit zu kühlen. Selbstverständlich nicht ohne den Hintergedanken, dass ich es essen werde.

„Also, ich hoffe du hast keine zu schwere Arbeit für mich." mit einer theatralischen Geste drehte ich mich zu meiner Mutter um, die an der Inseltheke stand und irgendeinen ihrer Smoothies trank. Das einzige für was sie Geld ausgibt ist für neue Küchengeräte. Wir haben jetzt eine neue Fritteuse, eine Mikrowelle, einen Entsafter, irgendein seltsames Gerät was Obst und Gemüse schälen soll und nicht zu vergessen die Smoothiemaschiene. Leider meint meine Mutter nun beinahe immer irgendwelche seltsamen Experimente damit machen zu müssen…

„Gehst du bitte mit dem Hund raus." es war eigentlich nicht wirklich eine Frage, eher eine für meine Mutter bekannten Ansagen.

"Was ist wenn der Hund sooo stark zieht, dass ich meine Hand verliere?"

"Fall dir so was passieren sollte bekommst du eine Prothese von mir...damit du für immer mit dem Hund rausgehen kannst." lächelte sie mich gemeingefährlich an. Geschockt über diese Aussage rief ich unseren Hund zu mir. Ich vernahm das schnelle und ungleichmäßige schaben ihrer Krallen auf den Holzboden, vorsichtig ging ich in die Hocke um unsere Boxermischling Hündin in den Arm zunehmen.


Kind der HekateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt