Der Geruch von frischer Farbe

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Wie ich lernte Farben zu schmecken

PoV Stegi

Kapitel 1: Der Geruch von frischer Farbe


Als ich anfing zu kiffen, war das fernab von Kush-Romantik. Da gab es das Wort wahrscheinlich noch garnicht.

Jedenfalls nicht in dem Kopf des naiven 13-jährigen Jungen, welcher von dem Gymnasium geflogen war,weil er einen Mülleimer angezündet hatte.

Meine jüdischen Eltern waren außer sich vor Wut. Es war heftig. Sie schrien mich an, fragten sich was je aus mir werden sollte und meine Mutter stellte den Fernseher lauter,als die Hand meines Dad's wieder ausrutschte und ich anfing zuheulen.


Doch das reichte ihnen nicht. Der Schmerz und drei Monate Hausarrest, waren immer noch nicht genug. Und als sie mir dann sagten wohin sie mich schicken wollten, wäre ich am liebsten kopfüber aus dem Fenster gesprungen.


Ein katholische Jungeninternat aka die Hölle auf Erden.


Auf jeden Fall dachte ich damals noch so. Wer wusste auch schon, dass sich alles so entwickeln würde?


Nachdem Plan A (Aus dem fahrenden Auto springen und in Polen auf einem Bauernhof zu leben) an einer Kindersicherung gescheitert war, blieb mir nur noch eine Möglichkeit:Die Opossum-Taktik.

Ich musste mich tot stellen – ich musste so tun als hätte ich mich mit meinem Schicksal abgefunden.Jedenfalls so lange bis sich mir eine gute Gelegenheit zum abhauen bot.


In dem Internat gab es nicht viel nennenswertes.

Auf meinem Zimmer gab es nicht viel nennenswertes.

Nur ein paar ältere Jungen,Plastikflaschen, perforierte Alufolie, Rasierklingen, Boxershorts auf Beckenknochen und Jungen die mir eben diese Boxershort von der Hüfte zerrten, wenn sie etwas zu viel getrunken hatten.

Patrick gehörte zu diesen Jungen.

Kurzes braunes Haar, einen Nasenpiercing und diese abgewetzte Lederjacke, die immer nach Mentholzigaretten und billigem Aftershave roch. Er hatte diese kleine Narbe über der rechten Augenbraue, die er sich zugezogen hatte als er in der Grundschule auf eine Tischkante gefallen war. Immer wenn ihm kalt wurde färbte sie sich leicht lila.

Ich wusste wie sich seine Hände beim Begrüßen anfühlten, ich wusste wie heiß sie waren wenn er sich mit anderen prügelte und ich ihn verarzten musste und ich wusste,dass sie so rau wie seine Stimme waren, wenn er sie über meine Innenschenkel laufen ließ.

Doch nur wenn ich high war und aus den Boxen Jazz, Sludge oder eine zerkratzte Tame Impala Platte dröhnte.

Dann fing es meistens damit an, dass ich seine Nähe suchte, mein Gesicht in seiner Jacke vergrub und ich– unbemerkt von unseren Freunden – sein Shirt hoch schob um den heißen Streifen Haut küssen. Patrick's Hände würden sich verkrampfen, ich würde zu ihm aufschauen um sicher zu gehen, dass er keinen Tabakflash hatte und gerade kollabiert.


Meine Eltern sah ich immer seltener,und wenn ich dann doch mal mit ihnen am Essenstisch saß – sollten sie nicht vergessen mich in den Ferien abzuholen – bekam ich kaum noch was mit. Dann klang die Stimme meiner Mutter immer wie Saxophon von ganz weit weg.
Ich übertrieb? Nein. Das hatte ich nie gedacht. Das konnte ich doch garnicht. Ich nahm doch nicht mehr als Gras, Alkohol und Nikotin.

Jedenfalls bis Patrick ein Auslandsjahr machen musste.

Bis ich lernte wie Farben schmeckten.


„Willst du mal was Richtiges nehmen?"fragte mich der neue Mitschüler.

Ich sah von meinen Matheaufgaben auf und kräuselte meine Stirn.

„Wie?"

„Na... Etwas mehr als nur Weed."flüsterte er mir zu.

Er lächelte breit.

Ich sollte jetzt zögern. Ich sollte Nein sagen.

Nein ich hatte schon genug. Nein der Rausch vom Gras reichte mir. Nein ich hatte schon einen Freund.

Seine Hand legte sich auf mein Knie.Ich schüttelte sie ab.

„Nein..." flüsterte ich leise und unterdrückte die Neugierde in mir.

„Sicher? Ich hätte zwei Teilchen übrig... Für dich und mich."

Als ich nicht reagierte und mir weiter den Kopf über die Rechnung zerbrechen wollte, redete er einfach weiter.

„Ich heiße übrigens Tim."

„Ah ja." stellte ich trocken fest und schnalzte mit meiner Zunge.

„Und du?" fragte er mit einem gekränkten Unterton.
„Stegi..." seufzte ich.

Wieso musste er sich auch neben mich setzen? Hier waren noch so viele andere Plätze frei.


Hilfesuchend sah ich zu Tobi, doch dieser schlief seelenruhig hinter seinem aufgestellten Mathebuch. Jetzt hatte ich den Neuen an der Backe kleben.

„Ganz sicher dass du nichts willst-"

„Tim. Ich hab einen Freund."knurrte ich.

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich den Eindruck seine Miene verfinsterte sich, doch da strahlte er mich schon wieder an.

„Ja und? Der kann doch mitmachen."antwortete er.

Sein Arm legte sich über die Lehne meines Stuhls und ich machte mich kaum merklich kleiner.

„Der kommt erst in ein paar Wochen wieder-"


Erst als die Worte meinen Mund verlassen hatten und sein Lächeln noch etwas breiter wurde, wurde mir klar was das für ein Fehler gewesen war.  

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 02, 2016 ⏰

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