Neue Morgenroutine

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Antoine empfand die Einheiten im Fitnesstudio als eine Pflicht, und sah sich in der Rolle, dieser Pflicht nachzukommen. Er hatte das Versprechen, das einer großen Herausforderung gleichkam, zu deren Bewältigung er sich jedoch im Stande fühlte, eingelöst und sich direkt am Tag darauf in das Fitnessstudio begeben. Trotz der komischen Blicke, die ihm auch von seinen Mannschaftskameraden zugeworfen wurden, lag sein Fokus ganz auf sich selbst und seinen Übungen. Keine Musik, keine als Ablenkung emfundenen Sachen, sein Handy hatte er zuhause gelassen und wollte dessen Bedarf beim Sport, aber auch im Familienleben, massiv einschränken. Er wollte sich ganz allein auf sich selbst kozentrieren können. Sein Motto für seine neue Entwicklung: Work in silence. Let success be your noise. Doch auf einmal kam Pogba herein, blieb stehen, und musterte Grizi, wie er ihn so oft nannte, von oben bis unten. Er selbst kannte Antoines Angewohnheit, seine Psyche und seine Physis bis zum Perfektionismus zu prügeln, aber so ein neuer, an sich selbst noch höhere Ansprüche stellender Antoine war sogar ihm neu. Gleichzeitig machte es ihn aber auch stolz. So eine Leistungsbereitschaft und solch ein Ehrgeiz war ihm selten geboten worden.

"Hey, was geht so?", fragte Paul seinen Freund. Antoine bemerkte ihn zwar, und freute sich über seine Anwesenheit, ließ sich aber trotz allem nicht von seinen äußerst präzise ausgeführten Übungen abbringen. Er musste kosequent mit sich selbst sein; er hatte sich vorgenommen, zusätzlich zu den anderen fest eingeplanten Fitnesstudio-Einheiten noch weitere, härtere, und längere Einheiten zu machen, wenn er sich würde ablenken lassen. Noch vierunddreißig Kniebeugen, sagte Antoine sich selbst. Aber die ziehst du verdammt nochmal durch, sonst werden es heute Abend nochmal hundert mehr. Nachdem er fertig war, und es ihn selbst ein wenig überraschte, dass er kaum ausgepowert war, und instinktiv sofort mit Intervallläufen anfangen wollte, besann er sich zurück auf Paul und wollte dessen Anwesenheit durch eine verweigerte Konversation nicht als überflüssig erscheinen lassen. Tja, so einfach ist es, sich selbst 25 Minuten Intervallläufe zu bescheren. Aber Antoine, denk an dein Ziel; das wird dich und deinen Körper in seinen Bereichen perfekt vorbereiten, und du wirst dich selbst noch steigern.

"Hey Paul, was steht an?", fragte Griezmann freudig. "Was bringt dich hierher?". Paul musste unwillkürlich schmunzeln. Antoine würde von seiner Persönlichket immer der Gleiche bleiben; immer freundlich, offen und nett. Und das zu jedem Menschen, und selbst wenn man selber das Gefühl hatte, dass man seine Fokussierung auf etwas für hn sehr Wichtges (in diesem Fall seine physische und psychische Grundhaltung gegenüber des Sports) oder seine ruhigen Phasen, die er als Fußballer zweifellos brauchte, stören würde. "Ich wollte mit dir sprechen." Antoine wunderte sich, warum Paul ausgerechnet bei einer möglicherweise privaten Angelegenheit zu ihm kommen würde. "Alles klar. Mal sehen, ob ich dir helfen kann." Das wirst du auf jeden Fall können, dachte Paul. Weil du es immer kannst.

"Es geht um die folgende Sache", sagte Paul schließlich, "ich wollte mich bei dir bedanken. Du warst bei der EM, und nicht nur bei einzelnen Spielen, sondern im ganzen Verlauf, ein Leitbild des französischen Fußballs, mehr noch, einer ganzen Nation. Ich glaube, ich spreche im Sinne der gesamten Mannschaft, wenn ich das sage. Außerdem habe ich von einem Fan unter einem Foto von uns beiden einen Kommentar gelesen. 'Vous êtes les deux meilleurs joueurs de football dans le monde'. Da war ich baff!" Antoine brauchte keine Sekunde, um das Ganze imaginär zu entschlüsseln. Der Entscheidungsprozess, wie er die Information verarbeiten sollte, dauerte dafür umso länger. Antoines Antwort war kurz, drückte aber dennoch seinen Dank präzise und unmissverständlich aus: "Danke, Mann. Dass gerade du das sagst, bedeutet mir unglaublich viel."

"Also, dann will ich dich nicht weiter in deiner Hochleistungsphase stören.", erwiderte Paul, und entschloss sich, ihn an sich weiterarbeiten zu lassen. Antoine fing gleich, nachdem Paul sich umgedreht hatte, mit seinen Intervallläufen an. Heute Mittag hatte er sich vorgenommen, auf den Fußballplatz zu gehen; einerseits um Freistöße zu üben und andererseits um seine Fähigkeit, den Ball kontrolliert anzunehmen bzw. perfekt in die Laufwege seiner Mitspieler weiterspielen zu können, eine Sache, die er als mental reading bezeichnete, da es enorm wichtig war, das Verhalten der Abwehrspieler bzw. der Abwehrkette lesen und interpretieren zu können, sodass man davon ausgehend eine Entscheidung bzgl. des Laufweges oder des Passes treffen konnte, an den Rand der Perfektion zu treiben. Antoine musste sich zwar eingestehen, dass es bis zur Perfektion noch ein weiter Weg war. Aber denoch kam an die Stelle der Resignation sein enormer Ehrgeiz, der ihn immer weiter antrieb. Er musste dies tun, um sich seinen Traum, seinen Fans und sich selbst gerecht zu werden und der beste Fußballspieler der Welt zu werden, aus eigener Kraft erfüllen zu können. Er erinnerte sich an sein Motto: Work in silence. Let success be your noise. Antoine, lass dich nicht so sehr ablenken, dachte er, mach lieber mit deinen Intervalläufen weiter. Die Folge war ein noch ehrgeiziger und noch auf seine Übungen fokussierter Antoine Griezmann. Paul stand unentdeckt von Antoine am Spielfeldrand und musste einfach nur schmunzeln, als er Griezmann nicht nur als jemanden kennnelernte, der immer, egal ob in der Trainingseinheit oder im Fitnessstudio, sein Bestes gab: wenn alle anderen schon außer Kraft waren und am Rande des Zusammenbrechens zu sein schienen, legte Antoine nochmal richtig los. Und er kann diese enorme Leistungsbereitschaft für jede Übung aufbringen, dachte Paul. Aber als er dachte, die 100% Fokussierung auf die Übungen wäre normal, wurden seine Erwartungen wieder mal von Antoine übertroffen. Dieser gab nämlich bei jeder Übung, bei der Paul ihn, seine Bewegungen, und seine sich noch steigernde Agilität betrachtet hatte, mehr als 150%. Was für ein Typ, dachte Pogba sich kopfschmunzelnd und guckte ihn weiter zu, als er die Intensität seiner Bewegungen und seiner Leistungsbereitschaft entgegen Pauls Erwartungen noch weiter steigerte. Wenn er so weitermacht, wird er in dem nächsten Jahr ganz locker auf dem Niveau der weltbesten Spieler spielen und problemlos mithalten, oder sich eventuell sogar noch steigern können. Eher die letzte Option, wenn ich Grizi jetzt gerade so betrachte, bemerkte Paul und grinste weit, da er glücklich und stolz darauf war, mit so einem Spieler zusammenspielen zu können.

Antoine Griezmann - nach der EMWo Geschichten leben. Entdecke jetzt