Puppenmord

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Die Nachricht traf sie wie ein Schock: Lenas Mutter war tot. Ermordet worden!
Lena hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, als ihre Mutter von ihrem abendlichen Waldspaziergang nicht mehr zurückkehrte. Zusammen mit ihrem Vater hatte sie schon das Abendessen gerichtet und darauf gewartet, dass sich der Schlüssel in der Tür dreht.
Doch es drehte sich kein Schlüssel. Und das Essen auf dem Tisch wurde kalt und kälter. Je mehr Minuten verstrichen, desto unruhiger wurden beide und irgendwann konnte auch ihr Vater seine Sorge nicht mehr verbergen. Er machte sich panisch auf die Suche nach seiner Frau, während Lena alleine in dem menschenleeren Haus bleiben musste. Spätestens als er alleine, mit vor Sorge verzerrtem Gesicht von der Suche zurückkehrte und die Polizei verständigte, war ihr klar, dass es sich hierbei um keine harmlose Verspätung mehr handeln konnte. Nach der durchwachten Nacht klingelte es im Morgengrauen an der Tür. Lena kam gerade dazu, als ihr Vater die bedrückten Polizisten hereinließ, wurde von ihm aber wieder nach oben geschickt. Da sie sich jedoch im Flur versteckte, konnte sie die Worte der Polizisten verstehen, die sich unauslöschbar in ihr Gehirn einbrannten: “Ihre Frau wurde heute morgen tot im Wald gefunden. Sie ist erstochen worden. Es tut uns sehr leid.”

Seitdem gingen die Tage wie in Trance vorbei, Lena konnte kaum begreifen, geschweige denn in Worte fassen, was dieser schreckliche Verlust in ihr anrichtete.

Es war seit dem Tod ihrer Mutter nicht viel Zeit verstrichen, als es eines Morgens es an der Tür klopfte. Als Lena öffnete, war niemand mehr zu sehen. Weder in der Auffahrt, noch auf der Straße. Nur ein kleines Paket stand vor der Tür auf der Fußmatte. “Für Lena” stand darauf. Sie trug das Paket ins Haus und fragte sich, was es wohl beinhalten mochte und von wem es wohl sei. Als sie den Deckel hochhob sah ihr eine kleine Puppe mit Engelslocken, einem unschuldigen Lächeln und großen Kulleraugen entgegen. Lucy suchte nach einem Brief oder einem Zettel mit dem Absender. Doch sie fand nichts. Außer der Puppe war das Paket leer.

Die Puppe wurde schnell zu ihrem Lieblingsspielzeug und Lena konnte sich kaum mehr davon trennen. Jede freie Minute spielte sie mit ihr, trug sie überall mit sich herum und nahm sie abends mit ins Bett.

Doch mit der Zeit schien sich die Puppe zu verändern. Es war nichts, was sich genau festmachen ließ, aber manchmal schien es Lena, als hätte sich das Lächeln der Puppe verändert – und statt des niedlichen Puppenlächelns funkelte sie zu einer fiesen Grimasse erstarrtes Gesicht an – doch sobald sie blinzelte, war der Gesichtsausdruck verschwunden. Außerdem schien es ihr, als würde sie die Puppe immer anders vorfinden, als sie sie verlassen hatte. Und manchmal lag sie gar auf einem ganz anderen Platz, wo Lena sie niemals hätte liegenlassen.

So beschlich sie immer stärker ein ungutes Gefühl, wenn sie die Puppe bei sich hatte. Sie nahm sie nun nicht mehr mit ins Bett, sondern setzte sie abends auf ihre Kommode. Doch das Gefühl, beobachtet zu werden, ließ sie keinen ruhigen Schlaf finden und die kleinen Glasaugen schienen sie einmal mehr zu fixieren.

So trug sie die Puppe am nächsten Abend ans Ende der Treppe und schloss erleichtert die Tür hinter sich. In der Nacht darauf hatte Lena einen fürchterlichen Alptraum. Sie sah ihre Puppe vor sich, die fiesen kleinen Augen starr auf sie gerichtet – und dann öffnete sich der knirschende Puppenmund und begann zu sprechen!
“Lena! Ich sitze hier unten an der Treppe… Lena, jetzt gehe ich die Treppe hinauf… Lena, ich stehe jetzt vor deiner Tür… Lena, jetzt stehe ich vor deinem Bett… Lena, jetzt ERWÜRGE ICH DICH!!”
Erst nur geflüstert waren die Worte immer lauter geworden, bis die Puppe sie irre anschrie! Schweißgebadet schreckte Lena auf.
Der Blick neben ihr Bett bestätigte ihre schlimmsten Befürchtungen: neben dem Bett auf dem Boden lag die Puppe und lächelte Lena unschuldig an…

Da sie sich nicht weiter zu helfen wusste, schloss Lena die Puppe am nächsten Abend im Schrank unter an der Treppe ein. Doch kaum eingeschlafen träumte sie wieder den Alptraum der vergangenen Nacht… Die Puppe….sie sprach: “Lena! Ich sitze hier unten an der Treppe… Lena, jetzt gehe ich die Treppe hinauf… Lena, ich stehe jetzt vor deiner Tür… Lena, jetzt stehe ich vor deinem Bett… Lena, jetzt ERSTECH ICH DICH”! Wieder schreckte Lucy auf und schrie vor Panik so laut sie konnte. Denn neben ihr auf dem Boden lag die Puppe. Und neben der Puppe lag ein Messer!

Doch schon kam ihr Vater ins Zimmer gerannt und beruhigte das völlig aufgelöste Mädchen. Als sie ihm die Puppe zeigen wollte, war das Messer verschwunden. Und die Puppe lag mit ihrem süßesten Lächeln auf dem Boden…

In der Nacht schloss Lena die Puppe in einer alten Truhe im Keller ein, um ganz sicher zu gehen, dass sie sich diesmal nicht befreien kann. Doch kaum hatte sie nach Stunden des Wachliegens ein Auge zugetan, träumte sie abermals den schrecklichen Alptraum: “Lena! Ich sitze hier unten an der Treppe… Lena, jetzt gehe ich die Treppe hinauf… Lena, ich stehe jetzt vor der Tür deines Vaters… Lena, ich werde deinen Vater töten, wie ich deine Mutter getötet habe… Lena, jetzt stehe ich vor seinem Bett… Lena, jetzt ERSTECH ICH IHN”! Bei den letzten schrill geschrienen Worten schreckte Lena abermals schweißgebadet auf und sprang aus dem Bett. Sie rannte so schnell sie konnte in das Schlafzimmer ihres Vaters.

Doch sie sollte zu spät kommen. Als sie sein Zimmer erreichte, setzte ihr Herz einen Moment aus – ihr Vater war nur noch ein Haufen aus Blut, Gedärmen und abgehackten Körperteilen, die bei dem wilden Gemetzel über das ganze Bett verstreut worden waren!
Da fiel hinter ihr die Tür mit einem leisen Klicken ins Schloss. Kaum war dies geschehen, drehte sich der Schlüssel wie von Geisterhand. Lena fuhr mit vor Schreck geweiteten Augen herum: der kleine Schatten der Puppe fiel auf die Tür und die blutige Messerklinge glitzerte im Mondlicht, das durchs Fenster hereinfiel.

Dann begann die Puppe irre kichernd ein Fuß vor den anderen zu setzen und ging auf Lena zu. Lena stand starr vor Schreck – dann hatte sie das kleine Monster erreicht. Das Letzte, was Lena sah, waren dämonisch funkelte Puppenaugen – dann stach die Messerklinge tief in ihr Herz…

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Quelle: http://www.gruselfabrik.de/2010/10/gruselige-kurzgeschichte-puppenmord/

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