Unterwegs machte ich Fotos.
Fotos von Schafen, grünen Hügeln, Schafen, grünen Hügeln und noch mehr Schafen. Weiße Schafe, schwarze Schafe, graue Schafe, grüne Schafe -
Die hinteren Reihen grölten irgendwelche Schafer....
Gerade lief Helene Fischers „Atemlos".
Ich hatte die Lautstärke meiner Musik fast voll aufgedreht, trotzdem konnte es den überaus nervigen Beat dieses Liedes einfach nicht übertönen. Es fühlte sich an, als würden ganz viele kleine Schafe gegen mein Gehirn treten.Steini hatte Recht. Dieser Ort, Betws- wie- auch- immer, war wirklich wunderschön.
Es gab viele kleine Bäche. Viele kleine Bauernhöfe. Viele kleine Schafe. Viele kleine Häuser mit vielen kleinen Blumen auf den vielen kleinen Balkonen. Es war überhaupt alles winzig und niedlich.
Ich fühlte mich auf Anhieb wohl.
Das Jugendheim war eine alte Villa, mit Säulen, steinernen Löwen, einem Brunnen und sowas alles.
Wilder Wein kämpfte sich an der Fassade hoch.
Es gab einen großen Garten mit uralten Bäumen und Bänken und einer eigenen kleinen Schafherde.
Ich teilte mir ein Zimmer mit Adam.
Adam war mein bester und gleichzeitig auch einziger richtiger Freund. Wir ergänzten uns perfekt, er redete und ich hörte zu. Meistens jedenfalls.
Jetzt kam er gerade mit zwei Koffern und zwei Mädchen im Schlepptau zu mir rüber gestiefelt. Das meine ich ernst.
Adam trug immer Stiefel. Cowboystiefel.
Mit Absatz.
Auch im Sommer.
Keine Ahnung wieso, aber die Mädchen standen drauf.Leise flüsternd betrat die Klasse vollbepackt das Hauptgebäude. Das dunkle Eingangstor quietschte und ächzte und fiel schließlich stöhnend hinter uns ins Schloss.
Drinnen war es halbdunkel. Goldenes Tageslicht fiel durch die hohen Fenster herein und beleuchtete schwere, alte Möbel, die bestimmt mindestens genauso alt waren, wie das Haus.
Und ich erinnere mich an ein „saualt", das aus Adams Mund kam.
Durch den Vorhang aus tanzendem Staub konnte ich eine Treppe erahnen, die wohl ins Obergeschoss führte.
„So", begann Steini schließlich, als sich alle in der Mitte des Raumes versammelt hatten. „So, wir befinden uns hier nun in der berühmten, sagenumwobenen Villa „van Todesco", die im Jahre 1396 erbaut wurde und sich seit 1954 im Besitz der Familie Williams befindet, von denen sie 1957 in ein Jugendhotel umgewandelt wurde. Seit 2001 steht dieses Haus unter Denkmalschutz. Was bedeutet, es dürfen keine Gegenstände entwendet werden. Mutwillige Zerstörung zieht hohe Konsequenzen mit sich." Er schnappte nach Luft.
„So", machte er weiter.
„Geht jetzt bitte die Treppe hoch ins zweite Geschoss. Der Mädchentrakt befindet sich links während die Jungens (Ja, er sagte wirklich Jungens) nach rechts gehen.
Die Zimmeraufteilung habt ihr noch im Kopf?"
Zustimmendes Murmeln ertönte.Adam stieß begeistert unsere Zimmertür auf. Er durchquerte das Zimmer mit zwei großen Schritten und riss das Fenster weit auf. Er breitete die Arme aus und verkündete strahlend:„ Hier drinnen riecht es noch muffliger, als die alten Dreckssocken meiner Oma Berta!"
Er grinste, dehnte den Rücken bis es knackte, seufzte laut „Aahhh!", pfefferte seine braunen Stiefel in die Ecke und warf sich schließlich aufs Bett. Sein Gepäck ließ er einfach im Raum stehen.
Also schlängelte ich mich an seinem Koffer vorbei, öffnete den Kleiderschrank, um ihn dann fünf Sekunden wieder zu zuschlagen. Mir war, als wäre so etwas ähnliches heute Morgen schon einmal passiert.
„Adam", sagte ich, „Adam, da sind Feuerameisen im Schrank!" Tatsächlich verlief eine sehr belebte Ameisenstraße direkt durch unseren Kleiderschrank. Abwartend sah ich ihn an.
Der wedelte nur wage mit der Hand in meine Richtung und sagte dabei:„Schhhh, Gabe, Ameisen haben auch Gefühle."
Seine Augen waren geschlossen und er hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er überhaupt zugehört hatte.
„Adam", begann ich von vorne, nun leicht hysthetisch. „Da sind FEUERAMEISEN im Schrank, die sind richtig aggressiv, deshalb heißen sie ja auch FEUERAMEIS-"
„Feuerameisen heißen Feuerameisen, weil sie rot sind, und nicht, weil sie dir in der Nacht auf den Kopf krabbeln und voller Hinterlist und geballter Ameisenaggression die Haare anzünden."
Ich blinzelte einmal kurz.
Seine Haare waren ihm heilig. Sie waren hellblond, schulterlang und sein ganzer Stolz.
Nach den Stiefeln.
Also öffnete ich meinen Koffer, klappte die Schranktür auf, ignorierte die Ameisen und räumte meine Sachen ein. Schön sauber und ordentlich. Nett und adrett. Perfekt über einander gestapelt.
Adam bekam die zwei oberen Fächer ich die unteren. So wie immer.
Und wie jedes Mal begann Adam, während ich einräumte, laut zu schnarchen.
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Kalt wie Eis
ParanormalHallo. Mein Name ist Raphaela. Und ich bin seit über 600 Jahren tot. Sie kamen in der Nacht. Regen prasselte gegen die Fensterscheiben. Ich sollte eigentlich in meinem Bett ruhen, stattdessen aber starrte ich in die regennasse Dunkelheit hinaus. D...