1. Warten, Warten, Warten

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August, 1962

Die ganze Nacht über, hatte Hestia Jones am Fenster ihres Zimmers gesessen und auf die Eule gewartet, die den Brief- die Einladung in Hogwarts der Schule für Hexerei und Zauberei zu studieren- gewartet.
Als die alte Uhr, die im Flur des ersten Stockes stand, zwölf Mal schlug, war Hestia endlich 11 Jahre alt. Wie lange schon hatte sie sich auf diesen Tag gefreut? Endlich konnte sie nach Hogwarts gehen und lernen wie man zauberte, sie würde mit dem berühmten roten Zug fahren und das riesige Schloss in Schottland erkunden- Hestias Hände zitterten von all der angestauten Vorfreude. Es war eine klare Nacht und außerdem die Zeit der Sternschnuppen, die zu Hunderten über den Himmel Irlands flitzen. Hestia beobachtete den dunklen Himmel während sie gleichzeitig nach einer Eule Ausschau hielt. Sie saß auf einem weichen Kissen auf ihrer breiten Fensterbank, den Rücken gegen die kühle Wand gelehnt; der Ausblick war wundervoll.

Ihr Zimmer war praktisch der am höchsten gelegene im Anwesen der Jones'. Wenn es draußen hell war, konnte man meilenweit über weiß-gesprenkelte Schafwiesen, Flüsse und kleine Wälder sehen. Es war ein friedlicher Ort, in dem Hestia das viel zu große, kalte Anwesen gut vergessen konnte. Das das Haus so unfreundlich wirke, lag weniger an ihm selbst, eigentlich war es wirklich schön, mit seinen Efeu-Bewachsenen Wänden und den uralten Steinwänden- es lag eher an der Familie, die dort wohnte.

Mr. Jones war ein angesehener, viel beschäftigter und immer gestresster Ministeriumsmitarbeiter, der immer- wenn er denn mal zuhause war- etwas am Verhalten seiner Tochter auszusetzen hatte. Mrs. Jones arbeitete nicht- zumindest war sie nicht irgendwo angestellt- sie versuchte tagtäglich den Ruf der Familie Jones aufrecht zu erhalten und zu verbessern. Und dann war da noch Hestia, das 11 jährige Kind, das noch zu jung oder auch einfach zu klug war, um sich dem Willen ihrer Eltern zu widersetzten. Auch oder gerade deswegen freute sie sich so auf die Zeit in Hogwarts, endlich hatte sie ein wenig Freiheit und keine Mutter, die sie schalt, weil sie bei Tisch nicht aufrecht genug saß.

Ein leises Klopfen riss Hestia aus ihren Gedanken.
"Herein?"
Vorsichtig wurde die Tür geöffnet und Aine, die sichtbar alternde Hauselfe streckte ihren Kopf ins Zimmer.
"Sie sollten nicht mehr wach sein.", sagte sie leise, um Hestias Eltern nicht auszuwecken.
"Ich kann nicht schlafen.", flüsterte das junge Mädchen zurück und zog ihre Knie an ihre Brust.
"Aufgrund Ihres Geburtstages?", fragte die Elfe und ihre riesigen Augen reflektierten den Schein der magischen Nachttischlampe, die ihre Farben änderte, wie man es gerade brauchte. Zurzeit strahlte sie ein gedämmtes, gemütliches Oranges Licht aus.

Hestia nickte als Antwort, und ein Gefühl, als würde sie fliegen und einen Looping machen stieg in ihr hoch. Zugegeben, Hestia war erst einmal geflogen- mit dem alten Besen ihres Vaters, den er versucht hatte auf dem Dachboden zu verbergen. Auch war es nicht sonderlich lange gewesen, da ihre Mutter sie entdeckte und zurück ins Haus schleifte.
Willst du den Ruf unserer Familie ruinieren, indem du da draußen herumtollst wie ein Wilder?, hatte sie gezischt, ihr den Besen weggenommen und sie auf ihr Zimmer geschickt. Ein großartiges Erlebnis- das Fliegen zumindest.

Die Hauselfe erwiderte das nicken verständnisvoll und zog sich dann zurück. Gerade, als Hestia wieder aus dem Fenster schaute und sich zu fragen begann, warum die Elfe die Höflichkeitsfloskeln weggelassen hatte- nicht, dass sie das stören würde, sie machte sich nicht so viel daraus, wie ihre Eltern- öffnete sich die Tür erneut. Die alte Hauselfe erschien erneut, dieses Mal mit einem Tablett, auf dem sie eine Tasse heiße Schokolade und einen Teller Kekse balancierte. Gekonnt und ohne etwas zu verschütten stellte sie es vor Hestia auf die Fensterbank. Dann schlurfte sie zum breiten Himmelbett, griff nach der obersten Decke und gab sie der jungen Hestia. Dankbar nahm sie sie an und wickelte sich in den weichen, grünen Stoff.
"Das macht das Warten doch ein wenig leichter.", meinte die Hauselfe und zwinkerte ihr zu. Hestia mochte Aine sehr gerne, sie war unglaublich lieb- zu ihr zumindest, bei ihren Eltern bewahrte sie das stumme, aber ergebene und höfliche, hauselfentypische Gesicht. Nachdem sich Hestia tausendmal bei der runzligen, kleinen Gestalt bedankt hatte, verschwand diese und schloss leise die Tür.

Hestia nahm die Tasse in die steifen Finger und trank einen Schluck. Das Zittern ihrer Hände kam anscheinend doch nicht nur durch die Vorfreude- nahe liegend war natürlich auch das offene Fenster, an dem sie saß, aber es zuzumachen kam bei Hestia nicht in Frage- schließlich musste sie ja auf das Rauschen der Flügelschläge warten. 

Hestia Jones (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt