8. Wieder Zuhause

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„Was ist das denn?", hatte Eris Jones ihre Tochter gefragt, als diese mit dem Käfig, in dem ein zerzauster, merkwürdig aussehender Vogel saß, grinsend aus dem Laden kam.
„Das ist Bobby, ein Steinkauz!", hatte Hestia strahlend erzählt.
„Bobby? Einen Namen hat es also auch schon?"
Es ist ein er!", hatte Hestia protestiert und als ihre Augen anfingen feucht zu glänzen hatte ihre Mutter nachgegeben und sie waren vom Tropfenden Kessel aus nach hause appariert.

Hestia hatte darauf bestanden, alle Einkäufe in ihrem Zimmer aufzubewahren, bis es nach Hogwarts ging, ihr Turmzimmer war jetzt zugestellt mit Tüten und Schächtelchen.
Bobbys Käfig hatte sie auf dem breiten Fensterbrett abgestellt; als Hestia versucht hatte, den Käfig zu öffnen um den Steinkauz hinauszulassen, damit er seine Flügel ausbreiten konnte, hatte er sie so heftig in den Finger gepickt, dass er geblutet hatte.
Hestia hatte fürs erste aufgegeben, aber unter keinen Umständen wäre sie zu ihrer Mutter gegangen, um den Finger zu verarzten, denn sie hätte das, nach ihrer Meinung nach bestimmt ‚gemeingefährliche Biest' sofort zurückgebracht. Des Weiteren schien Bobby etwas gegen Licht zu haben- mit der Sonne hatte er kein Problem, aber sobald Hestia am Abend ihre Lampe auf dem Nachttisch anschaltete um noch ein paar Seiten zu lesen, schrie der kleine Vogel wie am Spieß. In Panik vernahm das kleine Mädchen schon das bekannte Knarren der Wendeltreppe, sie wusste sich nicht besser zu helfen, also warf sie eine Decke über den Käfig. Augenblicklich war es wieder ruhig.

Die Zimmertür öffnete sich und Aine steckte ihren Kopf durch den Spalt.
„Ich soll fragen ob alles in Ordnung ist, Miss."
Hestia nickte leicht außer Atem und schielte zu der Decke und der komischen Wölbung darunter, von der allerdings kein Geräusch mehr kam.

„Es ist alles gut, Aine, ich werde gleich schlafen gehen."
Die alte Hauselfe nickte und wünschte Hestia eine gute Nacht, die junge Hexe tat das gleiche, dann wurde die Tür wieder geschlossen.

Nachdem das Licht ausgeschaltet war, tappte Hestia herüber zur Fensterbank und nahm vorsichtig die Decke vom Käfig.
„Kein Wunder dass du zurückgegeben worden bist.", sagte sie leise zu Bobby, der sie misstrauisch ansah. Seine blassgelben Augen warfen den Schein des Mondes zurück, der durch das angelehnte Fenster schien.
Hestia seufzte und ging dann zu Bett.

Die nächsten Tage im Anwesen verliefen ruhig und ohne große Ereignisse. Hestias Vater war immer noch nicht zurückgekehrt und die Sorge um ihn wuchs. Mrs. Jones Versuche, das Ministerium zu kontaktieren, um etwas über den Verbleib ihres Mannes in Erfahrung zu bringen, wurden zurückgewiesen. Man wisse derzeit nichts genaueres, aber man würde sich melden, wenn es dazu komme, wurde gesagt.
Man sah Hestias Mutter an, dass sie nachts kaum ein Auge zu bekam und auch an ihrem Verhalten merkte man es. Als Hestia eines Tages 10 Minuten zu spät zum Frühstück erschien, sagte sie nichts, nicht einmal ein strenger oder tadelnder Blick wurde der jungen Hexe zugeworfen.

Hestia machte sich Sorgen. In ihrer Fantasie spielten sich alle möglichen Szenarien ab, die der Grund für das Verschwinden ihres Vaters sein könnten, doch sie hatte aufgehört, ihrer Mutter davon zu erzählen, denn mehr als Tränen und ein kreidebleiches Gesicht kam meistens nicht zurück. Nachdem ihre Mutter nach der Theorie mit einem besonders blutrünstigen Werwolf-Clan einen Zusammenbruch hatte, beschloss Hestia, dass sie nicht die richtige Person war, um so etwas zu besprechen.
Natürlich glaubte das gerade einmal 11-jährige Mädchen nicht wirklich, dass ihr Vater von Werwölfen gefressen worden war, für sie war es eher eine von vielen spannenden Geschichten, die von irgendwem handelten.

Es war der letzte Abend, die letzte Nacht, die Hestia fürs erste in den Anwesen verbringen würde, morgen fuhr der rote Zug nach Hogwarts. Und ihre Mutter bestand darauf, dass sie den Zug vom Gleis 9¾ nahm und nicht einen der anderen Wege ins Schloss, denn auf der Fahrt traf man die meisten Leute.

Hestia saß in einem der riesigen Sessel vor dem lodernden Kaminfeuer. Sie war in eine Decke gehüllt und hatte eine Tasse Tee in der Hand. Ihre Mutter lag auf dem Sofa, ebenfalls in eine Wolldecke gewickelt und schlafend.

Das junge Mädchen nahm sich einen Keks vom Teller des Beistelltischchens und war bedacht darauf, ihre Mutter nicht zu wecken; der Schlaf tat ihr gut.

Das Feuer war schön, Hestia wusste nicht warum, aber während sie in die tanzenden, orange-roten Flammen starrte, schienen sich all ihre Gedanken zu ordnen und einen Platz in ihrem Kopf zu finden. Ein unerwartetes Geräusch ließ Hestia innehalten, es war weder das Knacken eines brechenden Scheites im Feuer, noch das Leuten der Standuhr im Flur gewesen.

„Aine?" Keine Antwort.

Ihre Mutter schlief immer noch und Hestia wollte sie nicht wecken, für den Fall, dass sie sich nur etwas einbildete. Sie stellte ihre Tasse ab und wand sich aus der gemusterten Decke.

Barfuss schlich sie durch das Kaminzimmer. Das Geräusch ertönte erneut, es kam eindeutig aus dem Flur. Die junge Hexe sah vorsichtig um die Ecke. Zunächst schien alles wie immer, der Glasscheiben-Löwe schlief und die Schirme im Schirmständer waren auch ruhig, doch dann wurde die Haustüre geöffnet und jemand betrat das Haus.

Es dauerte nicht lange, da hatte Hestia den ersten Schock verdaut und die Person erkannt.
„Dad!"

Hestia Jones (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt