Wir wurden von einer Limousine abgeholt. Liv konnte kaum still sitzen und kniete die meiste Zeit auf dem mit Leder bezogenen Sitz. Die Minibar hatte sie schon ausprobiert. Es gab kostenlos Cola, Orangensaft, Wasser und Sekt, dazu Eiswürfel und Gläser. Kurz gesagt, war alles luxuriös gestaltet und wahrscheinlich hatte sie noch nie etwas so schönes in Echt gesehen.
Wir fuhren durch ein Gebirge, dann ewig auf einer gerade verlaufenden Autobahn und dann durch eine Hügellandschaft mit Bauernhöfen wie im Bilderbuch.
Danach fuhren wir durch einen Wald und hielten schließlich vor einem großen, modernen Gebäude. Die Fenster waren verspiegelt, die Türe sah aus wie eine Panzertüre und das ganze Gelände schien von einem 10 Meter hohen Zaun umgeben zu sein.
Liv sah sich beeindruckt um. "Das sieht schön aus, Mama. Wohnt hier eine Prinzessin? Oder eine Schauspielerin?" Ich hatte ihr noch nicht erzählt, was mein neuer Job war. "Nein, Süße, hier werden wir wohnen.", antwortete ich gedankenverloren. Sie riss die Augen auf. "Echt? Wow!"
Gerade wollte sie zu einem der Fenster laufen, als Colonel Black heraustrat. "Charley! Wir haben euch schon erwartet. Kommt mit, ich zeige euch eure Wohnung." Ich bemerkte, dass er mich duzte, beschloss aber, nichts zu sagen, sondern nickte nur, nahm unsere 4 Taschen aus dem Auto, Liv an die Hand und folgte ihm.
"Hier sind wir erst seit 3 Jahren, davor waren wir in Deutschland. Unsere Einsätze können überall auf der Welt sein. Die Ausbildung zielt einerseits auf den Körper, durch Fitnesstraining, Kampfsport und Fahrtraining, andererseits haben wir auch einen großen theoretischen Bereich, wie zum Beispiel Rechtskunde, Observationstechnik, Sicherheitsanalyse und Krisenreaktionen. Außerdem unterrichten wir auch erste Hilfe sehr umfassend, nicht nur die einfachsten Grundlagen. Du wirst dich also nicht langweilen."
Wir waren inzwischen so oft abgebogen, dass ich langsam die Orientierung verlor. Außerdem hatte ich die Hälfte von dem was er gesagt hatte schon wieder vergessen.
Jetzt wandte er sich an Liv. "Dich hab ich in der Grundschule 30 Kilometer entfernt angemeldet. Natürlich kannst du dich jederzeit mit neuen Freunden treffen, aber bitte bei denen oder in der Stadt, da dieser Ort so geheim wie möglich bleiben sollte. Hier haben wir eine Bibliothek, mehrere Sporthallen, mehrere Fitnessräume und ein Schwimmbecken, was du natürlich alles mitbenutzen kannst. Vorzugsweise mit deiner Mutter damit du nicht in irgendwelche Reality-Übungen gerätst. So, da sind wir."
Er stieß eine weiß gestrichene Türe auf und ließ uns eintreten. Wir standen in einem großen Wohnzimmer mit Sofa, Sessel, Fernseher und Tisch. Von diesem Raum gingen 4 Türen ab. Die erste führte in ein hell eingerichtetes Badezimmer mit Dusche, 2 Waschbecken, WC und einem Schränkchen für Handtücher oder ähnliches. Auf einem Brett lagen ein Föhn, Shampoo und Seife.
Die zweite Türe führte eindeutig in ein Kinderzimmer. Es gab ein Himmelbett mit Vorhängen, einen Kleiderschrank, Schreibtisch, 2 Stühle, einen Sessel, ein Regal und eine Kommode, alles war in weiß, rosa und rot gehalten. Liv fing sofort an, ihre Kuscheltiere im Zimmer zu verteilen, während ich mit dem Colonel ins nächste Zimmer ging. Es gab ein großes Doppelbett, einen Kleiderschrank, einen Schreibtisch mit Stuhl und ein Regal. Auf dem Boden lag ein beiger Teppich, die Möbel waren alle weiß und die Bettwäsche grün.
"Ich lass euch dann erst mal in Ruhe. Morgen bitte pünktlich um 8 Uhr an Halle 1 sein. In der Schreibtischschublade findest du ein Tablet, einen Laptop und ein Smartphone. Wenn ihr etwas braucht, sag bescheid." Dann war er weg.
Liv untersuchte ihr neues Zimmer genau während ich mir die kleine Küche ansah. Es gab ein paar Lebensmittel aber nichts für ein gescheites Mittagessen. Ich machte Liv einen Kakao und mir einen Kaffee, dann setzte ich mich im Wohnzimmer auf die Couch und zappte mich durch die Fernsehkanäle. Insgesamt waren es mehr als 300!Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, denn als Liv vor mir stand und etwas frühstücken wollte, war es 6:30 Uhr.
Da wir nichts zum essen hatten, zog ich mir Jeans und ein hellblaues T-Shirt an und ging mit ihr auf die Suche nach einer Küche oder etwas ähnlichem.
Im Haus herrschte reger Betrieb. Überall liefen Jugendliche herum, manche um die 14 Jahre alt, manche 18. Selten sahen wir auch einen Erwachsenen.
Nach 10 Minuten fragte ich ein Mädchen mit schwarzen, zum Bob geschnittenen Haaren, wo man hier aß. Sie war nett und zeigte uns nicht nur die riesige Mensa, sondern nahm uns auch gleich mit zu ihren Freunden, ein Mädchen und drei Jungen. "Hey Leute, das sind Charley und Liv! Das sind auch Charley, Connor, Jason und Mark.", stellte sie uns vor. Liv versteckte sich schüchtern hinter mir. Charley -also das andere Mädchen- lächelte freundlich. "Hi! Seid ihr von hier?" "Nein, wir sind aus Deutschland." "Und wie alt bist du? Du siehst etwas älter aus als wir." "Ich bin 26." Sie nickte, dann wandte sie sich an Liv, die mit großen Augen zu Connor und Jason sah. "Du bist also Liv? Wie alt bist du denn?" "7", murmelte sie leise und drückte sich wieder dicht an mich. Dann zog Connor den Stuhl neben sich zurück und deutete ihr freundlich, sich zu setzen. Wie ein Gentleman rückte er den Stuhl dann wieder an den Tisch.Nach 15 Minuten war Liv bereits die Heldin des Tisches. Die Jungs versuchten alle, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und rissen Witze, bis Liv vor lachen fast vom Stuhl fiel. Ich unterhielt mich mit Ling und Charley. Letztere war das erste Mädchen in der Organisation gewesen und hatte es alles andere als leicht gehabt. Sie saß aufgrund eines beinahe tödlichen Einsatzes im Rollstuhl. Ling war auf der Straße aufgewachsen, war die Kickboxheldin des Alpha-Teams und, laut Charley, in Jason verliebt. Das stritt sie zwar vehement ab, aber selbst ich konnte sehen, dass sie log.
Da das Alpha-Team nachher ebenfalls in Halle 1 musste, war die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich ihnen zugeteilt wurde. "Aber zieh dir lieber Trainingsklamotten an, wir haben bei Steve. Er ist unser Trainer im unbewaffneten Kampf." "Okay, danke. Aber ich finde den Weg wahrscheinlich nicht.", lachte ich. "Kein Problem", grinste Charley, "ich komm mit dir mit."Um Punkt 8 Uhr betrat Steve die Halle. Er war ein Muskelpaket von Mann, noch muskulöser als der Colonel. Er war sonnengebräunt und trug eine Armeehose und ein weißes T-Shirt. Sein Kopf war kahl rasiert und auf der linken Schulter prangte ein großes Tattoo. Er kam direkt zu mir. "Du bist die Neue? Charley Nummer 2?" Ich nickte. "Gut. Also, ich bin Steve und du musst keine Angst haben. Die Übungen sind selten tödlich." Erst nach ein paar Sekunden realisierte ich, dass er einen Witz gemacht hatte. "Okay, Leute! Zum Aufwärmen ein paar Fitnessübungen! Liegestütze!" Wir gingen in einer Reihe in Position und Steve zählte. Nach etwa 30 Liegestütze zitterten meine Arme so sehr, dass ich Angst hatte, sie würden gleich wegbrechen. Charley machte alternative Übungen, die auch nicht einfacher aussahen, doch im gegenteil zu mir sahen sie und Ling überhaupt nicht müde aus. Nach 50 Liegestütze musste ich kurz absetzten. Steve sah es, sagte aber zum Glück nichts, und die restlichen 20 zur 100 machte ich wieder mit, obwohl das Tempo, was er vorlegte, mörderisch war.
Nach Kniebeugen und Sit-ups sollten wir in Zweierteams zusammengehen. Da Charley und Ling mich anscheinend schützen wollten, ließ Ling mich zu Charley gehen und machte mit Steve. Die Aufgabe war, den Gegner 10 Sekunden auf dem Boden zu halten. "Nervös sah ich Charley an. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass sie das konnte. "Darf ich dann aus dem Rollstuhl ziehen?", fragte ich vorsichtig. "Natürlich, also...wenn du es schaffst." Sie grinste. Steve gab das Startsignal und sofort kam sie auf mich zu, so schnell, dass ich gerade noch zur Seite springen konnte bevor sie mein Bein treffen konnte. Ich versuchte, sie am Arm zu packen, aber sie riss sich los, packte meine Handgelenke und zwang mich auf den Boden. Durch die enorme Dehnung an meiner Hand konnte ich mich nicht bewegen, während sie zählte. Nach 10 Sekunden ließ sie mich wieder los.
Als Steve die Übung beendete hatte ich einmal gewonnen und 5 Mal verloren. "Kopf hoch, du warst echt gut!",munterte mich Charley auf, als wir die Halle verließen. "Übrigens: ist dir aufgefallen, dass Steve dich die ganze Zeit angestarrt hat?" "Oh nein, bestimmt wollte er sich einen Überblick erschaffen und ich war so schlecht und..." "Nein.", unterbrach sie mich. "Ich glaube, du gefällst ihm, so wie Ling Jason gefällt. Es war der gleiche Blick." "Ach Quatsch.", murmelte ich mit roten Wangen.
![](https://img.wattpad.com/cover/81043316-288-k874517.jpg)
DU LIEST GERADE
Bis ich nicht mehr kann (Slow Updates)
AcciónDas Leben ist eben hart. Das habe ich schon gelernt. Das Idee baut etwas auf der Buchreihe Bodyguard von Chris Bradford auf.