"Scheiß drauf, Joy. Verdien lieber Geld, anstatt dich mit so einem Macho herumzutreiben. Er tut dir nicht gut.", erklang die helle Stimme meiner Mutter vom Esstisch. "Deine Mutter hat Recht, Kleines. Er ist nicht gut für dich.", meldete sich dann schließlich mein Vater zu Wort, der es mir normalerweise viel schonender oder am besten gar nicht beibrachte, als meine Mutter. Ich hatte schon lange aufgegeben, mich zu wehren. Es war mein Leben und ich war schließlich schon 21 Jahre alt. Schaffte es nach all den Jahren immer noch nicht aus dem Haus raus. Was hielt mich bloß fest? "Joy, rede doch mit uns.", versuchte es mein Vater mit seiner lieblichen Stimme. Genervt stand ich auf, stemmte meine Arme an die Tischkante und sah die zwei verachtend an. "Nichts hält mich hier. Ich kann gehen wann ich will und muss mir eure Scheiße nicht mehr anhören. Wollt ihr das oder lässt ihr mich erstmal einen anständigen Job finden, bevor ich auf der Straße lande?", kam es wütend von meinen Lippen. "Ich habe ein eigenes Leben und ich bin verdammt nochmal alt genug, es alleine zu leben." Das brachte sie zum Schweigen. Dabei werde ich dieses Unverständnis in ihren Augen nie vergessen.
Sie nannten mich nicht ohne Grund 'Joy'. Mein richtiger Name lautete Josefine Marry Wheeler. Ich sollte ein glückliches Mädchen sein. Sollte keine geheimen Selbstzweifel haben oder mich in irgendeiner Weise hassen. Ich sollte die perfekte Vorzeigetochter meiner reichen Eltern sein, die die Firma meines Opas geerbt hatten. Nichts haben sie selbst getan, um den Erfolg verdient auszuleben oder den Ruhm auszukosten. Nur, weil mein Freund anders war, nicht reich, nicht besonders gut aussehend in ihren Augen, ein Macho, ein Frauenabschlepper, ein Vergewaltiger - war er kein Mensch? Sie kannten ihn gar nicht. Meine Eltern hatten nur einen Bezug zu diesen Schnöseln. Z-Promis, die sich für das Wichtigste der Welt hielten. Kannten keine normalen Menschen, haben sie als geisteskrank abgestempelt. Ich werde es ihnen noch zeigen, dass ich selbst etwas im Leben erreichen kann. Ohne ihre Hilfe.
Auf einmal blinkte mein Handy auf und ich erkannte das süße Bild meines braunhaarigen Freundes, der mich glücklich anlächelte. Mit einem schwachen Grinsen drückte ich auf den grünen Knopf. "Hey.", kam es etwas müde von mir. "Ist alles in Ordnung?" Er erkannte sofort, wenn etwas nicht in Ordnung war. "Ja, alles ist okay, Luke.", beteuerte ich. "Es ist so schön, deine Stimme wieder zu hören.", gab er etwas schüchtern zu. Wir hatten uns schon seit über drei Wochen nicht mehr gesehen, nicht mal geskyped. Es lag nicht daran, dass er knappe 500 Kilometer weit weg von mir wohnte, nein. Das wäre ja alles kein Problem. Nur meine Eltern erlaubten es mir nicht. Luke machte mir oft Vorwürfe, warum ich mit 21 Jahren immer noch hier leben würde, warum ich mich so unterdrücken lasse, mich so fertig machen lasse von reichen Schnöseln, die nie etwas vom Leben gespürt haben. "Kann ich heute Nacht zu dir?", fragte ich einfach so geradeheraus und unterbrach meinen Freund mitten im Satz. Zuerst schwieg er, bekam bestimmt große Augen und schluckte die Frage. "Klar, Schatz.", hörte ich ihn dann lächeln.
In dieser Nacht packte ich meine Sachen und verließ das Haus, sobald sie schlafen gegangen waren. Müde stieg ich ins Auto und dachte über meinen Auftritt am Tisch nach. War das richtig? Auf jeden Fall. Viel zu lange habe ich mich unterdrücken lassen, musste mir Mist anhören, nur, weil sie ihn nicht mochten. Er tat mir aber gut. Er machte mich glücklich. Ich war kein kleines, dummes Teenager Mädchen mehr. Es dauerte nur noch ein Jahr, dann hatte ich mein Studium beendet und ich konnte tun und lassen, was ich wollte. Nur die Wohnung fehlte mir. Und das Geld dazu. Und einen Job. Ich war selbstständig. Natürlich konnte ich auch ohne das viele Geld meiner Eltern überleben. Irgendeinen Weg gab es da schon. Der Motor meines kleinen, schwarzen Gebrauchtwagen war immer noch aus. Nur die nächtliche Radio-Entspannungs-Musik klang durch das kleine Auto. Seufzend drehte ich den Schlüssel um und sah noch einmal zum Haus hinauf, bis ich mein Fenster sehen konnte. Das Licht war aus. Es war still. Ruhig. Zeit zu gehen.
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1975 sekunden
Fanfictionich war nur ein einfaches mädchen bis diese sekunden mein ganzes leben veränderten