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Der Motor meines kleinen, schwarzen Gebrauchtwagen war immer noch aus. Nur die nächtliche Radio-Entspannungs-Musik klang durch das kleine Auto. Seufzend drehte ich den Schlüssel um und sah noch einmal zum Haus hinauf, bis ich mein Fenster sehen konnte. Das Licht war aus. Es war still. Ruhig. Zeit zu gehen. 

Ich schrieb ihm die ganze Nacht, rief ihn sogar an, doch er schenkte mir keine Beachtung. Schon seit Stunden fuhr ich auf der Autobahn herum, doch die Ausfahrt zu ihm war wegen einem Unfall gesperrt. Die nächste Ausfahrt folgte nach knapp 20 Kilometern und ich wusste nicht mehr, wo ich war. Damit das Schicksal mir noch eins auf die Schnauze haute, war nach dem Anruf mein Handyakku leer. Letzten Endes entschloss ich mich einfach die letzte Ausfahrt zu nehmen und stand nun in einem Kaff namens Friedrichstadt. Als ich kurz auf die digitale Uhr im Auto sah, bemerkte ich erst jetzt, dass die Sonne aufging. Es war 6:27 Uhr und ich stand mit leerem Akku und vielleicht noch 17 Kilometern Reichweite in einer Stadt, in der ich noch nie war. Doch ich war zu müde zum Aussteigen. Zu müde zum Reden. Ich schloss einfach meine Augen, schaltete den Motor kurzerhand ab, als ich einen kleinen Parkplatz eines geschlossenen Supermarktes fand, und verarbeitete das Geschehene gedanklich, bis ich einschlief. 

Auf einmal klopfte etwas gegen meine Autoscheibe. Schnell öffneten sich meine Augen und ich wurde kurzerhand aus meinem Traum gerissen. Nach wenigen Sekunden erkannte ich einen dunkelblonden Mann, der besorgt an meinem Fenster stand. Seine grünen Augen leuchteten meine ganzen Sorgen hinweg. "Madame, geht es Ihnen gut?", fragte die warme Stimme gedämpft. Erst jetzt fiel mir auf, dass Schnee gefallen war. Ich hatte wirklich jegliches Zeitgefühl verloren. In wenigen Tagen war Weihnachten und ich war froh, diese nicht Zuhause verbringen zu müssen. Kurzerhand nickte ich dem besorgten Mann zu, der sich in seiner grauen Winterjacke vergrub. Langsam ließ ich das Fenster runter, merkte, wie mir die eisige Kälte sofort ins Gesicht schlug. "Wollen Sie sich zu mir ins Auto setzen? Ich könnte Gesellschaft gerade total gut gebrauchen.", gab ich schwach lächelnd zu. Er erwiderte das Lächeln und setzte sich kurzerhand auf den Beifahrersitz. Meine Eltern hatten mich immer vor Fremden gewarnt. Es fühlte sich so gut an, etwas gegen ihren Willen zutun. "Entschuldigen Sie, falls ich sie geweckt habe.", kam seine wahre, dunkle Stimme zum Vorschein. "Das ist kein Problem, wirklich.", lächelte ich und ließ meine Hände auf dem Lenkrad ruhen. "Ich schlafe zwar gerne, aber das Leben muss weitergehen. Wissen Sie zufällig, wo hier in der Nähe eine Tankstelle ist? Mein Tank ist so gut wie leer.", gab ich etwas beschämt zu, woraufhin der Fremde mich verspielt angrinste. "An der Kreuzung rechts, die Straße runter." - "Meinen Sie, ich komme dort mit 17 km Reichweite noch hin?", fragte ich grinsend und sah zu ihm auf. So schöne grüne Augen hatte ich noch nicht gesehen. Sie erinnerten mich ein wenig an die von Luke. Luke, der mich nicht zurück rief. Der mir keine Beachtung schenkte. Auf einmal. Einfach so. "Aber sicher. Oh, entschuldigen Sie. Mein Name ist Michael.", lächelte der nun nicht mehr namenlose Fremde mich an. "Josefine.", kam es von meinen pinken Lippen. Ich wollte nie wieder Joy genannt werden. "Ich kann Ihnen ja noch den Weg zur Tankstelle zeigen, wenn ich länger hier im Auto bleiben darf. Es ist ziemlich kalt draußen und der Besitzer des Supermarktes hier scheucht mich immer weg.", erzählte mir Michael auf einmal. "Wieso das?", fragte ich verblüfft. Zuerst dachte ich, er sei ein Obdachloser, der im Müll nach Nahrung suchte, doch meine Vermutung bestätigte sich nicht. "Ich demonstriere hier.", kam von seinen wohlgeformten Lippen. "Der Besitzer ist einfach ein total schlechter Mensch. Und der Sohn erst Recht. Diese Menschen haben Frauen in Hinterzimmern vergewaltigt und verkaufen deren Organe als Fleisch, nachdem sie sie aufgeschlitzt haben.", berichtete er, dabei erkannte ich einen Funken Hass in seinen Augen. Dann überkam mich die Übelkeit. "Oh Gott.", murmelte ich, während ich versuchte mich nicht zu übergeben. "Warum tut die Polizei nichts?", fragte ich dann und startete den Motor, um zur Tankstelle zu fahren. "Als ob sie so einen wie mir glauben. Es gibt keine Beweise. Die Organe der Frauen werden auch nicht öffentlich verkauft. Sondern privat. An ausgewählte Menschen.", erzählte er etwas angespannt. "Das ist einfach nur ekelhaft.", murmelte ich angeekelt. Ich fing an ihn zu bewundern. Dass er für solche Sachen kämpfte. Für die Gerechtigkeit. "Hier rechts.", kam es dann von meinem Beifahrer und die Tankstelle baute sich vor uns auf. "Ich hoffe, ich habe genug dabei." - "Das geht auf mich. Möchten Sie ein Kaffee dazu, Josefine?" 

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 24, 2016 ⏰

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