Alles was bleibt

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Trotz der Musik die auf meine Ohren dröhnte, konnte ich sie streiten hören. „Ich bin alt genug um mir nicht mehr alles von euch bieten zu lassen", hörte ich Tay schreien. „Trotzdem sind wir deine Eltern, klar wollen wir, dass es dir gut geht aber so lange du deine Füße unter meinen Tisch steckst hast du auch meine Regeln zu befolgen. Und diese Regeln besagen nun mal, dass du um 1 wieder zu Hause bist." , versuchte Mum ihr mit einer etwas ruhigeren Stimme zu erklären. Es ging also wieder um irgendeine dämliche Party. Ich verdrehte die Augen und seufzte, dann stellte ich meinen Laptop beiseite und hüpfte vom Bett. Ohne die Kopfhörer konnte ich ihr Geschrei noch deutlicher hören aber ich versuchte so viel es ging davon auszublenden. Ich zog mir Socken an und tapste die Treppe runter, auf den Weg in die Küche. „ Schluss jetzt! Alle beide." , hörte ich nun Dad mit einer strengen Stimme rufen. „Das ist ja nicht auszuhalten. Taylor, du musst deine Mutter verstehen, wir machen uns nun einmal Sorgen wenn du die ganze Nacht wegbleibst. Und Susan, sie ist 17 Jahre alt, findest du nicht, dass wir ihr etwas mehr Vertrauen schenken sollten?" Als ich in die Küche kam herrschte Stille. Dad hatte die Arme verschränkt und lehnte am Kühlschrank, Mum saß am Tisch und rieb sich die Schläfen, während Tay neben der Spüle stand und genervt an die Decke starrte. Ich stand eine Weile im Türrahmen und sah alle an, doch sie schienen mich zu ignorieren. Dann sagte Dad: „Spätestens halb 3. Und du wirst morgen pünktlich aufstehen." Tay seufzte und gab ein genervtes „ Ja, ist OK." , von sich. Dann rauschte sie aus der Küche an mir vorbei. Mum schaute auf zu Dad und schüttelte den Kopf. „Du bist viel zu großzügig zu ihr." Dann stand sie auf und machte sich an den Abwasch. Ich nahm einen Apfel aus der Obstschale und ging dann nach draußen zu Tay, die auf der Veranda saß und rauchte. „Rauchen kann tödlich sein.", sagte ich und setzte mich neben sie. „Mir doch egal.", schnauzte sie zurück. Es war eine Weile still und ich biss in meinen Apfel, er war sauer und mein Mund zog sich zusammen. An Mum's Rosenbeet hüpfte ein kleiner Spatz rum und ich biss noch ein Stück ab und warf es ihm zu. Dann kam ein zweiter angeflogen und die beiden stritten sich um das kleine Stück. Ich musste lachen, denn wie sie da wütend rumpiepsten erinnerten sie mich an Mum und Tay. Sie hob eine Augenbraue und sah mich etwas verwirrt an, doch dann erkannte sie warum ich gelacht hatte und fing auch an. Es war bereits Ende September und die Blätter waren Orange gefärbt. Ich liebte den Herbst, die Sonne sah wärmer aus als im Sommer und die meisten Tiere kamen raus um sich noch ein paar Nüsse oder ähnliches für ihren Wintervorrat anzulegen. Tay's Gesicht wurde durch die Sonnenstrahlen, die durch die löchrigen Kronen der Bäume fielen angestrahlt und ich war neidisch darauf wie hübsch sie war. Ihr braunes leicht welliges Haar ging ihr bis über die Schultern und ihre klaren, blauen Augen strahlten noch mehr voller Leben, wenn sie lachte. Zwischen uns lag zwar nur ein Jahr Altersunterschied, doch trotzdem wusste sie ganz genau was sie im Leben erreichen wollte und ich wusste, dass sie den Mut haben würde eines Tages diese Stadt zu verlassen. „Noch zwei Jahre und dann bin ich hier weg, Soph.", sagte sie ruhig, als könnte sie meine Gedanken lesen. „Frei.", flüsterte ich zurück und sah zu wie der Wind ein paar Blätter von den Bäumen wehte. „Und irgendwann hol ich dich dann nach New York zu mir." „ New York ist so unglaublich weit weg" „ Ich weiß, deswegen freu ich mich ja so sehr. Stell dir vor eines Tages ist mein Gesicht auf unzähligen Filmplakaten in der ganzen Stadt verteilt." Alles klang so einfach wenn sie davon sprach und ich bewunderte ihren Ehrgeiz. „Komm doch mit heute Abend.", unterbrach sie meine Gedanken. „Lieber nicht, ich wollte mich noch mit Henry treffen und Partys.. nein danke". „Henry.." seufzte Tay. „Der macht doch selbst nichts anderes als Partys, was findest du an ihm? Der Typ ist mega langweilig". „Er ist lieb und du hast ihn mir doch selber vorgestellt." Sie verdrehte die Augen und stand auf nachdem sie ihren Zigarettenstummel in der Erde ausgedrückt hatte. „Du verdienst ein Abenteuer Sophie." „Nur weil ich nicht mit älteren Typen ausgehe, heißt das nicht das mein Leben kein Abenteuer ist." Das war gelogen. Mein Leben war alles andere als abenteuerlich, doch vielleicht war ich einfach nicht dafür gemacht. „Mir auch egal, ich werde heute Nacht jedenfalls Spaß haben." Tay und ich waren ziemlich verschieden, trotzdem verstanden wir uns gut. Doch vor ein paar Monaten fing sie an sich mit einem älteren Typen zu treffen. Das war das einzige was sie mir erzählte. Nicht einmal seinen Namen kannte ich. Ich hatte zwar versucht immer einmal wieder ein wenig aus ihr heraus zu quetschen, aber in diesem Fall war sie ein verschlossenes Buch. „Warum sagst du mir nicht wer es ist?" „Du musst eben nicht alles wissen Schwesterherz", sagte sie und zwinkerte mir zu. Der Wind durchwehte einmal kräftig ihre Haare und sie versuchte sie wieder zu richten während sie rein ging. „Du kannst es dir ja noch überlegen, bis 7 bin ich hier.", rief sie mir zu, doch ich ignorierte sie. Ich mochte es nicht sonderlich auszugehen. Außerdem fühlte ich mich unwohl, wenn ich mit ihren Freunden unterwegs war. Die Mittagssonne schien noch auf unsere Veranda, jedoch spürte ich, dass meine Füße, trotz der Socken die ich trug, kalt wurden und beschloss ebenfalls reinzugehen, um mich fertig zu machen.

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